Die Gewitterzelle, die am Mittwoch von Frankreich her ins Land zog, wies an ihrer Stirn ein sog. „Bow Echo“ (Bogenecho) auf. Dieses erscheint auf dem Radarbild als Bogen, daher der Name, erklärt Philippe Ernzer von Météo Boulaide dem Tageblatt gegenüber. Solche Wolkenformen hätten typischerweise stürmische Windböen im Gepäck, im schlimmsten Fall erreichten diese auch Orkanstärke. In Luxemburg sei der „Worst Case“ zwar nicht eingetreten – an den Stationen Schengen und Remich seien gerade mal knappe 63 Kilometer pro Stunde gemessen worden – im benachbarten Saargau, bei Perl-Sinz-Renglischberg, seien es allerdings schon 87 Stundenkilometer gewesen.
Auf dem Foto unseres Redakteurs Tobias Senzig, das auf der Landstraße von Mompach nach Wasserbillig entstanden ist, sieht man den markanten Rand des Bogenechos, gekennzeichnet durch eine „Shelf Cloud“ (Böenfront). An diesen Fronten gebe es viele „Wolkenfetzen“, die wie ein Tornado aussehen können – aber meistens keine sind, erklärt Ernzer. Trotzdem sei es nicht ausgeschlossen, dass aus solchen sog. Trichterwolken – rotierende Wolkenschläuche, deren „Rüssel“ den Boden nicht berührt – auch mal Tornados entstehen können. Auf dem Bild sei nicht zu erkennen, ob es sich um einen Wolkenfetzen oder einen kurzlebigen Wirbel handelt – ein echter Tornado wurde am Mittwoch in Luxemburg jedenfalls nicht gemeldet.
Unmöglich sind Tornados in Luxemburg nicht, sie seien nur schlecht dokumentiert, so Ernzer. Den letzten Tornado im Großherzogtum gab es am 9. August 2019. Dieser wurde auf der Fujita-Skala mit einer Intensität von F2 eingestuft – das entspricht Windgeschwindigkeiten von 180 bis 250 Kilometern pro Stunde – und richtete vor allem im Raum Petingen enormen Sachschaden an.
Jährlich entsteht eine Vielzahl Tornados, viele davon werden jedoch nicht richtig wahrgenommen, da sie fern von Ortschaften über Felder oder Wälder ziehen. Wie viele es jedoch in Luxemburg sind, sei schwer zu definieren. Es gab in den vergangenen Jahren eher Verdachtsfälle als bestätigte Fälle, wie auf der „Tornado-Liste“ nachzulesen ist. In Deutschland seien es im Durchschnitt 25 bis 60 Tornados, die jährlich über die Bundesrepublik ziehen, so Ernzer.
Was ist ein Tornado?
Superzelle
Eine Superzelle bildet sich aus riesigen Gewitterwolken (Cumulonimbus) und entwickelt einen rotierenden Aufwindbereich. Bei solchen Gewitterzellen ist das Risiko von starkem Sturm, Hagel mit großen Eiskörnern sowie Tornados erhöht.
Es gibt zwei Arten von Tornados: die superzellulären und die nicht superzellulären. Die Tornados, die am häufigsten im Raum Luxemburg auftreten, entstehen an Superzellen. Dabei kann es vorkommen, dass die Rotation der Wolkenbasis in Richtung Boden ausgreift, wobei ein Teil der Abwinde der Zelle auf starke Aufwinde stößt. Hierdurch kann ein Wirbel entstehen, der von der Wolkenbasis aus als Rüssel erkennbar zum Boden geht.
Die meisten solcher Tornados sind schwach ausgeprägt und nur in seltenen Fällen werden sie gefilmt. In den Medien höre man oft nur von den wirklich extremen Tornados, die viel Schaden anrichten, so Ernzer. In den USA seien die Ausgangsbedingungen zur Entstehung von Superzellen und Tornados zwar günstiger als in Mitteleuropa, dennoch komme es auch hier immer mal wieder zur Bildung von Superzellen mit Tornados, fasst Ernzer zusammen. (DJ/GR)
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