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Green ShippingLuxemburger Hochseeflotte nimmt Kurs auf Klimaneutralität

Green Shipping / Luxemburger Hochseeflotte nimmt Kurs auf Klimaneutralität
Die „Cristobal Colon“ von Jan de Nul unter der Flagge von Luxemburg (2017) Editpress-Archiv/Isabella Finzi

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Luxemburg nimmt als maritime Nation Kurs auf Klimaneutralität und hat sich dafür im Rahmen einer internationalen Übereinkunft ambitionierte Ziele gesteckt, um die Treibhausgasemissionen der Hochseeschiffe unter seiner Flagge zu senken.

Über viele Jahrhunderte stachen Kapitäne und Matrosen mit Segelschiffen in See. Die Schifffahrt war oft beschwerlich und nicht selten gefährlich. Doch ohne sie ist weder das Zeitalter der großen Entdecker noch jenes der Globalisierung denkbar. Bis weit ins 19. Jahrhundert fuhren die Schiffe mit Windkraft und setzten die Segel. Das sollte sich mit der Industrialisierung und dem Aufkommen der Dampfschiffe ändern. Heute dienen Segelschiffe hauptsächlich der Nostalgie oder Sportseglern bei der Verwirklichung ihrer Träume – oder fristen ein museales Dasein. Sowohl Fracht- als auch Passagier- und Fischereischiffe werden heute ausschließlich von Verbrennungsmotoren angetrieben – und gehören zu den größten Klimakillern.

Zwar wird die Schifffahrt im Vergleich zum Luft- oder Straßenverkehr in dieser Hinsicht häufig wenig beachtet, nimmt jedoch bei den Treibhausgasemissionen eine traurige Spitzenposition ein. Die weltweite Handelsschifffahrt stößt nach Angaben von Greenpeace jährlich etwa 1,12 Milliarden Tonnen CO2 aus (Luxemburgs Flotte hatte nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 2020 einen Ausstoß von 1,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid): 90 Prozent aller großen Schiffe – Tanker, Container- und Kreuzfahrtschiffe – fahren heute mit Schiffsdiesel, einer Mischung aus Schweröl, das bei der Raffinierung von Erdöl als Abfallprodukt anfällt, und Dieselöl. Bei kleineren Schiffen (etwa einem Drittel der Schiffe insgesamt) wird das teurere und weniger luftverschmutzende Marinedieselöl genutzt.

Klimakiller auf hoher See

Große Schifffahrt ist also besonders umweltschädlich. Bei der Verbrennung der Treibstoffe (auch von Marinediesel) belasten Schadstoffe wie Schwefel- und Stickoxide, Rußpartikel, Feinstoffe, Schwermetalle, Öle und Fluorkohlenwasserstoffe die Gewässer. Der Anteil der Schifffahrt an den gesamten vom Menschen erzeugten CO2-Emissionen liegt bei etwa drei Prozent, bei Schwefeldioxid sogar bei 13 Prozent. Daher ist es sehr schwer, sich „Green Shipping“ vorzustellen. Ist es etwa eine Rückkehr zur Segelschifffahrt? Oder nur eine Form von „Green Washing“, betrieben von Reedereien und Schiffsherstellern?

Mitnichten: Dem maritimen Sektor bleibt gar nichts anderes übrig, um seinen Energiefußabdruck deutlich zu reduzieren und zur Bekämpfung der Klimakrise beizutragen. Schließlich erfolgen mindestens vier Fünftel des globalen Handels über den Seeweg. Andere Quellen nennen sogar 90 Prozent. Weltweit sind insgesamt 36.000 Handelsschiffe registriert. Die International Maritime Organization (IMO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in London, sowie die Europäische Union streben an, die Treibhausgasemissionen von Schiffen auf null zu senken. Die EU will das Ziel sogar schneller erreichen. Es ist ein Rennen gegen die Zeit, denn die Frachtnachfrage auf den Weltmeeren wächst – und die Verschmutzung könnte weiter steigen, wenn nichts unternommen wird.

„Green Shipping“ aus zwei Teilen

„Wir betreiben kein ‚Green Washing’“, betonte Wirtschaftsminister Franz Fayot gestern im Rahmen einer Pressekonferenz. Er hatte eine Kapitänsmütze mitgebracht. „Ich setze sie aber nicht auf“, sagte der LSAP-Politiker scherzend und erklärte, dass er die Kopfbedeckung bei Amtsantritt von seinem Vorgänger Etienne Schneider überreicht bekommen habe. Fayot ist nicht nach Maskerade oder nach grüner Fassade zumute. Er stellte die Regierungsmaßnahmen, mit der die luxemburgische maritime Flotte den vorgegebenen Kurs aufnehmen möchte, vor. Im Kern besteht die Initiative „Green Shipping“ aus zwei Teilen: erstens der Anpassung der Gebühren für die Registrierung „grüner“ Schiffe, zweitens die Erhöhung der Steuergutschriften für Investitionen in „grüne“ Schiffe.

Erstens: Nach dem „Verursacherprinzip“ profitieren Schiffe, die ihre Treibhausgasemissionen verringern (etwa Schiffe, die überwiegend mit Biokraftstoffen oder Gas betrieben werden), von einer schrittweisen Senkung ihrer Registrierungsgebühren bis maximal 80 Prozent (zum Beispiel für Schiffe mit Elektro-, Segel- oder Wasserstoffantrieb, die keine Emissionen ausstoßen).

Zweitens: Im Rahmen der Reform der auf Unternehmensebene geltenden Steuergutschrift für Investitionen wird der Umfang der Steuergutschrift (von zwölf Prozent) ausgeweitet auf von Luxemburger Unternehmen getätigte Investitionen im Rahmen der Ökologie- und Energiewende. Die Steuergutschrift kann durch Sonderabschreibungen um zwei Prozent erhöht werden. Analog zum System zur Reduzierung der Registrierungskosten gilt auch hier das „Verursacherprinzip“.

Von links nach rechts: André Hansen, Franz Fayot, Arnaud Delestienne, Carlo Houblie
Von links nach rechts: André Hansen, Franz Fayot, Arnaud Delestienne, Carlo Houblie Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Mit diesen Maßnahmen sollen Reeder dazu ermutigt werden, „in moderne und umweltfreundlichere Technologien zu investieren und die bestehenden europäischen und internationalen Umweltstandards zu übertreffen“, sagte Fayot. „Durch die Einführung des Prinzips des ‚green shipping‘ auf nationaler Ebene legen wir den Grundstein für die Zukunft des luxemburgischen maritimen Sektors und tragen dazu bei, das Großherzogtum als verantwortungsvollen Umweltakteur in der internationalen Schifffahrtsszene zu positionieren, die anstrebt, bis Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral zu sein.“

Börse an Bord

Als Fayot die Maßnahmen vorstellte, waren Repräsentanten der Luxemburger Börse mit an Bord. Diese wird gerne als ein Pionier im Bereich nachhaltiger Finanzen auf globaler Ebene bezeichnet, so wie sich der hiesige Finanzsektor als führend im Bereich der nachhaltigen Finanzierungen positioniert. Die Börse gründete etwa im Jahr 2016 die Luxembourg Green Exchange (LGX) und war damit die erste Börse der Welt, die eine Plattform ausschließlich für nachhaltige Anleihen einführte. Heute gilt die LGX als weltweit führend und als Referenz für diese Instrumente. Arnaud Delestienne, Mitglied des Exekutivkomitees der Luxemburger Börse, betonte während der Pressekonferenz die Bedeutung der „Green Shipping“-Initiative für den Wandel des maritimen Sektors. „Wir unterstützen diesen ehrgeizigen Ansatz voll und ganz“, so Delestienne, „auch wenn die Reise ihre Zeit braucht.“ Luxemburg spiele eine führende Rolle.

Allerdings ist die Branche alles andere als fortschrittlich, was klimafreundliche Innovationen angeht. Wie die großen Tanker der Weltmeere nicht besonders wendig sind, ist die Schifffahrt generell eher konservativ eingestellt „Bisher spielt Klimaschutz praktisch keine Rolle“, meldete die Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft im Mai. „Schiffe mit klimafreundlichem Antrieb fahren bisher vor allem in den Medien“, heißt es weiter, Schiffe mit alternativen Antrieben seien teure Einzelstücke. Investitionen in diese Richtung seien kaum in Schwung gekommen.

„Alternative“ Flüssiggas

Sieben von zehn weltweit bestellten neuen Schiffen setzten auf konventionelle Technik. Zwar nutzten 33 Prozent aller neu auf Kiel gelegten Schiffe alternative Antriebe, doch das Wort „alternativ“ täusche: „Gemeint sind Alternativen zum konventionellen, mit Schweröl betriebenen Dieselmotor – und die bedeutendste dieser Alternativen ist fossiles Flüssiggas.“

Carlo Houblie, der „Commercial Director“ der Börse, wies noch darauf hin, dass nicht nur auf die Schiffe geschaut werden müsse, „sondern auch auf die Infrastrukturen wie zum Beispiel die Häfen, die ganze Logistik“. Trotzdem kann man von einem „Meilenstein“ sprechen, wie Arnaud Delestienne betonte, dass sich die Mitgliedsländer der IMO Anfang Juli in London nach langen Verhandlungen auf die genannten Klimaziele einigten. Zugleich wurden Zwischenziele verabredet.

Die EU setzt auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050 auf eine Reduzierung der Treibhausgase um 70 Prozent, verglichen mit dem Referenzjahr 1990; die neuen Ziele der IMO sehen eine Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen um 20 Prozent bis 2030, um 70 Prozent bis 2040, verglichen mit dem Jahr 2008, vor. Das „Commissariat aux affaires maritimes“ (CAM) unter Leitung von André Hansen geht davon aus, dass bis 2030 noch traditionelle Antriebe vorherrschen und danach zunehmend Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe überwiegen. Die Indienststellung emissionsfreier Schiffe soll ab 2040 standardisiert werden. Die Vorlage des Gesetzentwurfs zum „Green Shipping“ im Regierungsrat ist für Oktober vorgesehen. Minister Fayot, vom Wochenmagazin Revue einst als „Navigator“ bezeichnet, hat den Kurs vorgegeben.

Die „Cristobal Colon“ im Einsatz in Dubai
Die „Cristobal Colon“ im Einsatz in Dubai Editpress-Archiv/Isabella Finzi

Seefahrtnation Luxemburg

Auf dem Weg der Diversifizierung der Wirtschaft beschloss die luxemburgische Regierung Ende der 80er Jahre, ein Schifffahrtsregister einzurichten. Das 1990 gegründete „Commissariat aux affaires maritimes“ ist die staatliche Behörde, die für das Schifffahrtsregister zuständig ist. Zudem gibt es ein „Registre de plaisance“, wo in Luxemburg ansässige Personen ihre Freizeitboote eintragen können. Ein weiteres Register ist für die Binnenschifffahrt zuständig. Mittlerweile hat sich Luxemburg in der Branche einen guten Ruf erarbeitet, sowohl was die Qualität der registrierten Schiffe als auch die sozialen Bedingungen für Seeleute angeht. Das Großherzogtum verfügt mittlerweile über das größte Seeregister aller Binnenländer. Es hat sich in einem Nischenmarkt im maritimen Sektor positioniert und ist die Heimat von kleinen Frachtschiffen, Baggern, Schleppern und Versorgungsschiffen. Damit ist die Flotte unter luxemburgischer Flagge von 54 Schiffen im Jahr 1993 auf 204 im Jahr 2023 gewachsen. Ebenso sind 204 maritime Unternehmen zugelassen. Insgesamt sind in Luxemburg 2.244 Seeleute registriert (Offiziere und weitere Besatzungsmitglieder), mehrheitlich aus der EU, aber auch unter anderem von den Philippinen, aus Indien und der Ukraine. Außer den Reedern haben sich hierzulande zahlreiche weitere Unternehmen niedergelassen, die mehr oder weniger mit dem Schiffsregister verbunden sind: Beratungs- und Logistikfirmen, Versicherungen, Anwaltskanzleien, Finanzinstitute, usw.

 

Undine
17. August 2023 - 23.19

@carlocoin

"Luxemburg als maritime Nation….. mon oeil!"

Der OGBL hat mehr Matrosen als Mitglied als irgendeine andere Gruppe, auch wenn Sie sich das nicht vorstellen können.

carlocoin
17. August 2023 - 20.20

Luxemburg als maritime Nation..... mon oeil!

Romain
17. August 2023 - 20.08

Und wieder ist Luxemburg der Retter der Welt