Gerard Butler gehört eigentlich in einem Atemzug mit Action-Mimen vom Schlage eines Bruce Willis, eines Sylvester Stallone oder Mel Gibson genannt. Der Bekanntheitsgrad des Schotten mit den eindringlich grün-blauen Augen und dem Brummbass ist jedoch wesentlich geringer. Dennoch dürften seine Auftritte in Werken wie dem (umstrittenen) „300“ oder „Angel Has Fallen“ den meisten Zuschauern in Erinnerung geblieben sein. Nun verschlägt es Butler als freischaffenden Agenten ins iranisch-afghanische Grenzgebiet – 119 Kinominuten, in denen bisweilen unklar ist, wo Gut und Böse liegen. Der Regisseur Ric Roman Waugh hat vor drei Jahren Butler bereits im Asteroidenthriller „Greenland“ auf eine ähnlich packende Reise geschickt.
„Jemand hat Irans Kronjuwelen abgefackelt.“ Dieser jemand, das ist im Film Tom Harris, ein von Butler verkörperter, für die CIA arbeitender Agent aus Großbritannien. Ein Whistleblower aber deckt die Beteiligung der CIA an der Zerstörung des iranischen Reaktors auf – und für Butlers Figur wird es eng: Es bleiben 30 Stunden, um sich von Iran nach Kandahar, Afghanistan, durchzuschlagen. Um zu überleben, hat Tom einen afghanischen Übersetzer (Navid Negahban) an seiner Seite. Dieser Mo, dessen Sohn von den Taliban getötet wurde, hasst jede Art von kriegerischer Auseinandersetzung. Unterschiedlichste Agenten, darunter auch Teile der iranischen Revolutionsgarde, verfolgen Mo und Tom. Mehr als fraglich, ob die beiden es bis nach Kandahar schaffen.
Sympathisch leicht gebrochen
Butler, der hier sehr an Mel Gibson erinnert, macht seine Sache wieder einmal recht ordentlich. Seine grummelig-vollbärtige Interpretation von Männlichkeit mag nicht durch die Bank aktuellen Vorstellungen moderner Geschlechterentwürfe entsprechen. Die stets, neben seiner Entschlossenheit, auch in seinem Blick wohnende Melancholie macht seinen Tom Harris zu einem sympathischen, leicht gebrochenen CIA-Agenten. Kein Held im klassischen Sinn, kein unreflektierter Über-Mann. Die Abschlussfeier seiner Tochter, die er am Ende des Films auf rührende, wenn auch leicht distanzierte Art in die Arme schließt, ist ihm wichtig. Wichtig ist Tom jedoch auch das Erfüllen seiner Aufgaben als Agent.
Die Stärke von „Kandahar“ besteht in der differenzierten Darstellung: Keine Figur, die nur eine Seite hätte – in den meisten Charakteren finden sich an Menschlichkeit bemühte Seiten. Bei allem Bemühen um Ausgewogenheit ist sich der Zweistünder nicht immer klar darüber, in welche Richtung es gehen soll: Actionkracher oder doch eher anspruchsvoller Politthriller?
Das lässt vermuten, dass es „Kandahar“ an den Kinokassen schwer haben wird, was schade wäre. Und das nicht nur wegen folgender Szene: Harris sitzt mit Übersetzer Mo in der afghanischen Ödnis und bedankt sich bei all den Übersetzern, die ihm und anderen Agenten schon zur Seite gestanden haben. Ein ungewöhnlicher, ein rührender Moment in einem oft überhitzten und zumeist oberflächlichen Genre.
Bliebe noch die Musik von dem britischen Komponisten David Buckley zu erwähnen, die mal orientalisch, dann wieder poppig anmutet und das Leinwandgeschehen kongenial begleitet: Man hat so was nicht mehr oft im Mainstream-Action-Kino, wo längst gern auf digitale Massenware zurückgegriffen wird. Buckley hat schon Begleitmusiken zu genialen Filmen wie „Jason Bourne“ oder „The Town“ geliefert. Ob man jedoch „Kandahar“ einst mit Spielfilmen wie diesen in einem Atemzug nennen wird, das sei dahingestellt. Die enigmatischen Sounds aber von Buckley, die klingen einem noch eine Weile in den Ohren. (dpa)
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können