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Stolpersteine in Esch (2)Die Familie Freymann, Kaufleute aus Polen

Stolpersteine in Esch (2) / Die Familie Freymann, Kaufleute aus Polen
Die Stolpersteine erinnern an Frieda Freymann und ihre Kinder Minna Sarah und Heinrich Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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In der Escher rue de l’Alzette 119 befinden sich drei Stolpersteine vor der ehemaligen Verkaufshalle der jüdischen Familie Freymann: Sie erinnern an Frieda Freymann und ihre Kinder Minna Sarah und Heinrich.

Die Stolpersteinserie

Stolpersteine sind kleine Gedenksteine, die im Straßenpflaster eingelassen sind und an die Opfer des Holocaust erinnern. Die Idee stammt von dem deutschen Künstler Gunter Demnig, der 1992 die ersten Steine in Köln verlegte. Seitdem hat sich das Projekt stetig weiterentwickelt und verbreitet. Bis heute wurden in 31 Ländern Europas 100.000 Steine (Stand 26.5.2023) verlegt, hiervon 30 Steine in Esch/Alzette. Die bewusste Platzierung im Alltagsleben erzeugt eine symbolische „Stolperfalle“, die die Passanten zum Innehalten und Nachdenken über das Schicksal dieser Opfer anregt. Das Tageblatt beleuchtet in seiner Sommerserie das Schicksal der Opfer-Familien. Nach dem Auftakt mit der Familie Adler geht es heute um die Freymanns aus der Alzettestraße. 

Frieda Freymann, geboren Gallar bzw. Galler, je nach Schreibweise, kam am 18. März 1890 in Warschau zur Welt. Verheiratet war sie mit Abraham Freymann, 1911 zog das Ehepaar nach Luxemburg. 13 Jahre später ließ sich die Familie in Esch/Alzette nieder.

Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. In Esch eröffnete das Ehepaar eine Verkaufshalle in der rue de l’Alzette, damals eines der größten Geschäfte der Stadt. Aus einer Anzeige im Tageblatt vom 3. Juli 1939 geht hervor, dass man hier von Stoffen über Gardinen, Decken sowie Damen-, Herren- und Kinderbekleidung alles kaufen konnte, was das Herz begehrte. Ab 1932 führte Frieda Freymann den Familienbetrieb gemeinsam mit ihrer ältesten Tochter Rose, da ihr Ehemann aufgrund eines betrügerischen Bankrotts ausgewiesen wurde. Abraham Freymann lebte fortan in Frankreich, wo die Familie ihn bis 1940 regelmäßig besuchte.

Nach der deutschen Invasion im Mai 1940 musste die Bevölkerung des Kantons Esch nach Frankreich (ca. 47.000 Menschen), ins Zentrum und den Norden des Landes evakuiert werden. Unter den zirka 25.000 Escher Bewohnern befanden sich auch 320 Juden. Einige jüdische Mitbewohner kamen zurück nach Luxemburg, andere hingegen blieben in Frankreich bzw. versuchten, von dort aus in andere Länder auszuwandern. Es ist bekannt, dass sich Frieda in Bouliac (Gironde) aufhielt. Auch sie gelangte nach Drancy, unweit von Paris. In diesem ehemaligen sozialen Wohnungsbau, der ursprünglich für rund 700 Menschen geplant war, wurden bis zu 7.000 Menschen, vor allem Juden, interniert und mussten unter unmenschlichen Bedingungen dort leben.

Die Insassen wurden aus ganz Frankreich und anderen besetzten Gebieten dorthin deportiert und von hier aus mit der Bahn in die Vernichtungslager transportiert. Der erste Transport verließ Drancy am 27. März 1942 und der letzte am 31. Juli 1944, als ein großer Teil Frankreichs bereits befreit war. Vor ihrer Festnahme wurde Frieda Freymann von ihren jüngsten Kindern getrennt.

Anzeige aus dem Escher Tageblatt vom 3. Juli 1939
Anzeige aus dem Escher Tageblatt vom 3. Juli 1939  Foto: Tageblatt

Am 23. September 1942 wurde sie mit dem Transport Nr. 36 nach Auschwitz gebracht und dort bereits am 28. September vergast. Sie starb im Alter von 52 Jahren.

Von ihren jüngsten Kindern, Minna Sarah, geboren am 16. Juli 1925, und Heinrich, geboren am 20. Februar1927, finden sich Spuren in Saint-Sauvant (Vienne) und in Angers. Sie befinden sich unter den 824 Juden, die zwischen dem 15. und dem 20. Juli 1942 im Département Maine-et-Loire sowie in Ostfrankreich verhaftet wurden. Am 20. Juli 1942 wurden sie im Alter von 17 bzw. 15 Jahren mit dem Transport Nr. 8 nach Auschwitz gebracht und dort sofort vergast.

Alle Mitglieder der siebenköpfigen Familie wurden demnach Opfer des Holocaust.

Frieda Freymann
Frieda Freymann Foto: ANLux