Nicht nur die sommerliche Hitze lässt die Straßen in Italiens Städten leerer erscheinen. Es sind deutlich weniger Besucher aus dem Ausland zu sehen. Waren die Prognosen zum Frühlingsausgang für diese Saison noch optimistisch, so hat sich jetzt eine eher zurückhaltende bis deprimierende Sicht auf den Tourismus eingestellt. Zu hohe Preisforderungen von Hotels und Gastronomie, exorbitante Gebühren an den bezahlpflichtigen Stränden lassen aus- und inländische Gäste nach Alternativen suchen.
Wer immer in den vergangenen Jahren von den Einheimischen konnte, verbrachte einen großen Teil des August am Meer oder in den Bergen. Für die Städte des Belpaese galt: „Chiuso per ferie“ (wegen Urlaub geschlossen). Doch das ist in diesem Jahr anders. Die Woche um Ferragosto, dem 15. August, sonst Hochzeit des Tourismus, zeigt nun tiefe Einbrüche im Geschäft. Teils über 30 Prozent weniger Buchungen als in der Vorjahressaison werden verzeichnet. Schätzungen zufolge wollen etwa zehn Prozent der italienischen Familien in diesem Jahr überhaupt keinen Urlaub verbringen. Auch für die Gründe liefern Verbraucherschutzverbände und Branchenorganisationen Zahlen: Aufgrund der wegen Inflation und vor allem steigender Energiekosten angespannten Finanzsituation haben italienische Familien im Schnitt etwa 2.000 Euro weniger im Urlaubsportemonnaie als noch 2022. Gleichzeitig hoben Hotels und Herbergen wegen der steigenden Kosten ihre Preise um etwa neun Prozent an. Die Konsequenz dieser Preisschere: Verzicht auf Ferien im eigenen Land, Suche nach preiswerten Alternativen oder völliger Urlaubsausfall.
Noch im Frühjahr hatte Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti frohlockt, jetzt werde der Tourismus Geld in die Staatskassen spülen, anschließend werde sich die Industrie erholen. Doch davon kann derzeit nicht die Rede sein. Die Chefin des Industrieverbandes Federturismo, Marina Lalli, läutete bereits die Alarmglocken: Erst bremste die extreme Hitze sowie die damit verbundenen Brände auf Sardinien, Sizilien und in Apulien den Strom der Reisenden, nun sind es noch die extrem angezogenen Preise, die die Urlauber abhalten. Und auch Carlo Sangalli, Chef des Handelsverbandes Confcommercio, sowie der Präsident von Federalberghi Bernabò Bocca dämpfen die noch im Frühjahr gehegte Erwartungshaltung: „Dieser Sommer wird keineswegs eine gute Bilanz aufweisen“. Statt der erwarteten Steigerung im Sektor rechnet man nun mit etwa 800.000 weniger Übernachtungen als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs.
Alternativen gesucht
Marktbeobachtungen zeigen, dass die potenziellen Urlauber nach Alternativen suchen. Hotels und Strände in Albanien sind zum Beispiel deutlich preiswerter zu haben, ebenfalls sind Reisen in die Türkei, nach Sharm el Sheikh oder auch nach Spanien beliebter als Urlaub im Inland. Und selbst Fernreisen nach Asien stehen in der Gunst der Italiener, vor allem nach dem Währungsverfall des Yen.
Viele jedoch verreisen überhaupt nicht und bleiben zu Hause. Nicht zuletzt auch wegen der jüngst erlassenen Streichung des Bürgergeldes, auf das viele Familien angewiesen sind.
Hinzu kommt, dass die Geldpolitik der Banken auch die Kreditzinsen in die Höhe getrieben hat. In einem Land, in dem 71 Prozent der Bevölkerung in einem eigenen Haus oder einer eigenen Wohnung leben, kein zu vernachlässigender Faktor. Denn viele der Hausbesitzer müssen noch Jahre lang Hypotheken bedienen. Und die Zahl derer, die dies nicht mehr schaffen, steigt. Sie ist in den Immobilienanzeigen ablesbar, bei denen immer mehr Angebote aus Zwangsversteigerungen sichtbar werden.
Übergewinnsteuer für Banken
Da wird auch die plötzlich ergriffene Maßnahme der Meloni-Regierung, die Übergewinne der Banken zu besteuern, um die bedürftigen Kreditnehmer zu unterstützen, nicht viel bringen. Noch im ersten Quartal hatte Lega-Minister Giorgetti eine solche Besteuerung ausgeschlossen, nun kündigte sie Parteichef und Vizepremier Matteo Salvini vollmundig an: Die Übergewinnsteuer soll für dieses Jahr 40 Prozent betragen. Eine Zahl, die sich zunächst gewaltig anhört, in ihrem Effekt aber nur drei Milliarden Euro in die Staatskasse bringt. Dies dürfte angesichts der Vielzahl derjenigen, die Unterstützung brauchen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein und die gesamte Maßnahme eher ein populistisches Feuerwerk. Die Wirtschaft und den Tourismus werden solche Schritte jedenfalls nicht ankurbeln.
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