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Nach PutschDas Rote Kreuz hilft weiter vor Ort in Niger

Nach Putsch / Das Rote Kreuz hilft weiter vor Ort in Niger
Rémi Fabbri, Direktor der internationalen Hilfe des luxemburgischen Roten Kreuzes, zeigt eine Notunterkunft für Vertriebene in Niger Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Nach dem Militärputsch in Niger hat Luxemburg seine Staatsbürger ausfliegen lassen. Das luxemburgische Rote Kreuz ist noch vor Ort. Und will weiterarbeiten, solange es geht.

Rémi Fabbri zögert nicht: „Heute, jetzt, in diesem Moment, arbeiten wir weiter. So wie zuvor.“ Als am Mittwochabend drei luxemburgische Staatsbürger eine französische Maschine besteigen, um Niger in Richtung Paris zu verlassen, hat Fabbris Team gerade ein weiteres Lehmhaus fertiggestellt.

Fabbri ist Direktor der internationalen Hilfe des luxemburgischen Roten Kreuzes. Seit elf Jahren arbeitet die Hilfsorganisation in Niger. Fabbri selbst war 2019 das erste Mal vor Ort, allein in diesem Jahr ist er schon drei Mal nach Niger gereist. „Wir haben laufende Projekte und die laufen auch noch für ein paar Jahre“, sagt Fabbri. 40 Personen arbeiten in seinem Team, in der Ukraine, in Nepal. Aber vor allem in Afrika, in den Staaten der Sahel-Zone. Niger ist einer der zentralen Orte für das luxemburgische Rote Kreuz. Aktuell hat die Organisation dort vier Mitarbeiter beschäftigt. Drei stammen aus Burkina Faso, einer aus der Demokratischen Republik Kongo.

Seit Beginn der Krise in Niger, seit dem Militärputsch in der vergangenen Woche, kommuniziert Fabbri jeden Tag mit seinen Mitarbeitern in der nigrischen Hauptstadt Niamey. „Aktuell arbeitet mein Team weiter vor Ort“, sagt Fabbri. „Wir telefonieren jeden Morgen, jeden Mittag und jeden Abend, wir fragen, was gerade passiert. Und dann passen wir unseren Plan an.“

Der Plan steht. Auch und vor allem für den Notfall. Fabbri ist in ständigem Kontakt mit dem Internationalen Roten Kreuz in Genf und anderen Länderorganisationen. Sollte sich die Situation in Niger plötzlich verschlechtern, kann es innerhalb von wenigen Minuten losgehen. Satellitentelefone stehen ebenso bereit wie Fahrzeuge, um seine Mitarbeiter im Ernstfall außer Landes bringen zu können.

Doch noch sieht Fabbri keinen Grund zur Panik. Das ist ganz im Sinne des Selbstbilds seiner Organisation: das Rote Kreuz, die Ersten vor Ort. Und die Letzten, die gehen. Aber was genau machen Fabbri und seine Leute eigentlich?

Das luxemburgische Rote Kreuz leiste in Niger keine Entwicklungsarbeit. „Unsere Aktivitäten sind Notfallhilfe“, sagt Fabbri. Man arbeite vor allem mit Vertriebenen. Menschen, die nach Konflikten, nach Überschwemmungen oder anderen Naturkatastrophen, ihr Haus und ihre Heimat verloren haben. Man kümmere sich dann zum Beispiel um den Zugang zu sauberem Wasser. „Aber unsere Spezialität“, sagt Fabbri, „das sind die Unterkünfte.“

Hilfe zur Selbsthilfe

Fabbri steht auf und zieht ein kleines Modell aus dem Regal. Eine breite, flache Hütte. Geflochtene Matten bilden die Wände, obendrauf eine graue Plane als Dach. Vor dem Eingang hängt ein kleiner bunter Teppich. Links und rechts daneben: zwei rote Kreuze. Einmal für das luxemburgische Rote Kreuz, einmal für das nigrische. Eine Notunterkunft, die in Originalgröße Platz für bis zu neun Personen bietet. Gebaut fast ausschließlich aus lokalen Materialien. Pflanzenmatten vom Markt, Teppiche, Holz- und PVC-Rohre.
Das Rote Kreuz baut diese Notunterkünfte nicht selbst. Das betont Fabbri. „Wir geben den Leuten die Materialien, wir bilden sie aus. Aber es sind die Leute selbst, die das am Ende aufbauen.“ Unterstützt wird das luxemburgische Rote Kreuz dabei von den Kollegen aus Niger. „Wir arbeiten immer mit dem lokalen Roten Kreuz zusammen“, sagt Fabbri.

Um schneller und effektiver auf humanitäre Krisen reagieren zu können, hat das luxemburgische Rote Kreuz in der Hauptstadt ein Logistikzentrum gebaut, wo Materialien für die Notunterkünfte lagern. Finanziert von der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten. Minister Franz Fayot (LSAP) war im vergangenen Jahr für den ersten Spatenstich vor Ort. Eingeweiht wurde das Zentrum im Februar. „Für unsere Projekte in Niger haben wir verschiedene Geldgeber“, sagt Fabbri. Und auch die Finanzierung laufe unterschiedlich: jährlich, typischerweise für humanitäre Krisen, aber auch langfristige Projekte – wie die Lehmhütten.

Die Klimakrise bedroht auch Niger

Für das luxemburgische Rote Kreuz hat sich die Situation nach dem Putsch bislang nicht verändert. Zwar hat die luxemburgische Regierung die Zahlungen an die Regierung von Niger eingestellt, die Gelder für langfristige Projekte mit den luxemburgischen NGOs laufen aber weiter – für den Moment.

Nachdem Niger viele Jahre als Stabilitätsanker in der Region galt, ziehen sich die Europäer nun aus dem Land zurück. Fabbris Leute aber bleiben. Sie werden vor Ort nicht als Vertreter Luxemburgs oder Europas wahrgenommen, sondern als Rotes Kreuz. Das Rote Kreuz, das den Menschen hilft, egal zu welcher Seite, welcher Konfliktpartei sie gehören. Politische Einstellungen müssten dabei in den Hintergrund treten. Parteinahme gebe es nicht. „Es ist diese Neutralität, die unser Team schützt“, sagt Fabbri.

Am Ende des Gesprächs ringt sich Fabbri doch noch zu einer deutlichen Einschätzung durch: In den vergangenen Jahren habe sich die Situation im Niger verschärft. In Hinblick auf das Klima. Die Regenzeit habe früher vier bis sechs Monate gedauert. Seit etwa zwei Jahren habe sie sich aber auf zwei oder drei Monate verkürzt. Mit sehr viel intensiveren Regengüssen.

„Die Bevölkerung in Niger wächst, aber die Zeit, in der Landwirtschaft betrieben werden kann, um diese Bevölkerung zu ernähren, schrumpft“, sagt Fabbri. Außerdem nehme durch den Starkregen das Risiko für Überschwemmungen zu. Mehr Arbeit für das Rote Kreuz in Niger. Solange es geht.