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GroßbritannienRegierung und Opposition weichen ihre Umweltpolitik auf

Großbritannien / Regierung und Opposition weichen ihre Umweltpolitik auf
Protestler vor einem britischen Gericht wollen keine Maßnahmen für eine bessere Luftqualität Foto: AFP/Henry Nicholls

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Unter dem Eindruck einer Nachwahl, bei der die Umweltpolitik eine gewichtige Rolle spielte, rücken beide große Parteien Großbritanniens von ehrgeizigen Zielen beim Klimaschutz ab.

Seine Labour-Party hat jetzt der Ex-Premier Tony Blair davor gewarnt, mit Energie-Preiserhöhungen und Auto-Maut „die Bevölkerung zu überfordern“. Die konservative Regierung von Premierminister Rishi Sunak legt ein umfangreiches Recycling-Programm auf Eis, genehmigt aber eine neue Kohlengrube und mehr Ölförderung in der Nordsee. Schon drohen Umweltverbände mit massiven Protesten für den Fall, dass der gesetzlich vorgeschriebene Abbau von klimaschädlichen Emissionen ins Stocken gerät.

Blair sprach zwar in einem Interview mit dem Magazin New Statesman von der Klimakrise als „größten globalen Herausforderung“ und räumte ein, das Königreich müsse zur Lösung „seinen Teil beitragen“. Er verwies aber darauf, dass Chinas Emissionen 2021 deutlich stärker angestiegen seien (um 510 Mio. Tonnen Kohlendioxid auf insgesamt 11,5 Mrd.) als Großbritanniens Gesamtbilanz (350 Mio.). Statt die eigene Bevölkerung stärker in die Pflicht zu nehmen, solle sich sein Land mit dem wichtigen Finanzplatz London auf die Finanzierung zukünftiger „grüner Wirtschaft“ in Entwicklungsländern konzentrieren.

Der 70-jährige frühere Regierungschef (1997-2007) genießt beim Labour-Vorsitzenden Keir Starmer hohes Ansehen. Diesen sehen Klima- und Umweltaktivisten nicht als Verbündeten. Der 60-jährige Starmer lässt sich mit dem Satz zitieren, er sei „kein Baum-Knutscher“ (not a tree-hugger).

Vielleicht hat es deshalb Starmers Vor-Vorgänger als Oppositionsführer, der überzeugte Umweltpolitiker Edward Miliband, schwer mit seinen ehrgeizigen Plänen. Der vorläufig letzte Labour-Klimaschutzminister (2008-10) wünscht sich im Fall eines Wahlsiegs seiner Partei ein nach amerikanischem Vorbild geschneidertes Paket staatlicher Investitionen in erneuerbare Energien und bessere Häuserisolierung. Die dafür jährlich vorgesehene Summe von 28 Mrd. Pfund (32,7 Mrd. Euro) sei wegen der angespannten Staatsfinanzen in der ersten Hälfte der Legislatur nicht zu bewältigen, hat kürzlich die Finanzpolitikerin Rachel Reeves ihrem Kollegen im Schattenkabinett signalisiert.

Aufruhr gegen Ausweitung von Abgasgebühr

Die alte Arbeiterpartei liegt seit Monaten in den Umfragen um bis zu 20 Prozent vor den regierenden Torys. Vergangene Woche konnte Labour bei einer Nachwahl in einem ländlich geprägten Distrikt ein konservatives Unterhaus-Mandat erobern; hingegen reichte es im Londoner Distrikt Uxbridge, seit 50 Jahren fest in konservativer Hand und zuletzt Wahlkreis des gescheiterten Ex-Premiers Boris Johnson, auch diesmal nicht ganz. Die Enttäuschung darüber sitzt tief.

In dem Stadtviertel an der äußersten westlichen Stadtgrenze hatten die Konservativen geschickt von Ex-Premier Johnson abgelenkt. Stattdessen funktionierten sie die Nachwahl zu einer Art Mini-Referendum gegen die Umweltpolitik des Londoner Labour-Bürgermeisters Sadiq Khan um. Dieser hat vor vier Jahren in den inneren Stadtbezirken eine „Ultra Low Emission Zone“, kurz Ulez, eingeführt. Seither dürfen dort alte Autos und Lieferwagen mit schlechten Abgaswerten (vor neun oder mehr Jahren gebaute Diesel-Modelle, älter als 18-jährige Benziner) nur noch gegen Entrichtung einer Tagesgebühr von 12,50 Pfund (14,58 Euro) gefahren werden. Weil dieses Gebührensystem Ende August auf Gesamt-London mit seinen neun Millionen Einwohnern ausgedehnt werden soll, befinden sich die Außenbezirke seit Monaten in Aufruhr.

Fakten spielten im Wahlkampf keine Rolle

Ausschließlich der Widerstand gegen Ulez habe ihnen den Sieg eingebracht, behaupten die Torys. Die enttäuschte Labour-Führung hat sich diese Sichtweise zu eigen gemacht – vorschnell, wie einflussreiche Stimmen glauben. Diese machen die schlechte Kampagne vor Ort mit einem farblosen Kandidaten verantwortlich, der sich zudem auf Geheiß der Parteizentrale von Khans Ulez-Plänen distanzierte, anstatt diese zu erklären.

Auch Khan selbst machte keinerlei Anstrengung, die Einzelheiten zu erläutern. Dabei entsprechen nach Angaben der Londoner Verkehrsbehörde TfL schon heute „90 Prozent aller Vehikel in Londons Außenbezirken“ den geforderten Emissionswerten. Zudem gebe es großzügige Übergangsfristen für Arme und Behinderte sowie für bestimmte Gruppen auch eine Abwrackprämie. Solche Fakten spielten im Wahlkampf keine Rolle. Aber Fachleute haben grundsätzliche Einwände. Die Ulez-Ausdehnung sei „schlecht konstruiert“ und komme zum falschen Zeitpunkt, glaubt Tim Leunig von der London School of Economics (LSE), hält aber am Prinzip der Auto-Maut fest: Diese sei „von kritischer Bedeutung für die Verbesserung der Luftqualität“.

Die Atemluft in der Hauptstadt zu verbessern, ist Bürgermeister Khans erklärtes Ziel. „Schmutziges Trinkwasser akzeptieren wir ja auch nicht, warum also schmutzige Luft“, argumentiert der 52-jährige Sozialdemokrat. Am Freitag erhielt seine Ulez gerichtlichen Aufwind: Der High Court verwarf eine Klage mehrerer äußerer Stadtbezirke gegen die geplante Ausweitung der Maut.

Umwelt nicht unter wichtigsten Zielen

Aufwind verspüren auch all jene Torys, denen der vergleichsweise konsequente Emissionsabbau auf der Insel zu weit geht. Premier Sunak hat von seinen Vorgängern zwei wichtige Klimaziele geerbt: das Verbot neuer Benziner und Dieselautos von 2030 an sowie die Umrüstung der weit verbreiteten Gasboiler auf Wärmepumpen bis 2035. An beidem hält der rechtskonservative Regierungschef offiziell fest, sagt aber: „Wir wollen in pragmatischer Weise vorgehen und den Menschen keine höheren Kosten aufbürden.“ Weil sich das eine mit dem anderen kaum verbinden lässt, befürchten Fachleute ein Aufweichen der gesetzlich vorgeschriebenen Ziele.

Erst kürzlich musste sich Sunak von prominenten Klimaschützern wie dem früheren CEO von Unilever, Paul Polman, und dem Ökonomen Lord Nicholas Stern vorhalten lassen, das Königreich falle seit dem UN-Klimagipfel von Paris 2015 hinter vergleichbar große Industrienationen zurück. Der prominente Umweltpolitiker Zacharias Goldsmith trat mit der Begründung von seinem Amt als Staatssekretär im Oberhaus zurück, der Premier „interessiere sich nicht genug“ für die Klimakrise. Tatsächlich enthält die Liste der fünf wichtigsten Ziele, an deren Erfolg sich Sunak messen lassen will, mehrere wirtschafts- und finanzpolitische Vorgaben sowie die Reduzierung der Einwanderung, aber kein einziges umweltpolitisches Thema.

Grober J-P.
1. August 2023 - 10.13

Gott sei Dank, sagt Freund Gregory aus Manchester, sie deckeln die Preise für meine Torf Briketts. Ich kann mir wieder ein Ticket für ein ManU Spiel leisten, und hustet vor sich hin. Was ist los Gregory, habe was mit den Lungen, der Brikettofen qualmt manchmal, ist nicht besonders dicht. Kauf dir einen neuen Ofen, geht nicht, meint Gregory, habe all meine Ersparnisse für neue Dichtungen an den Fenstern ausgegeben. Also doch kein Ticket? Sch…drauf mach es wie Sunak, auch wenn ich drauf ge.ge.geggg. Hat aufgelegt.