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NigerPutschisten weiten Festnahmen aus

Niger / Putschisten weiten Festnahmen aus
Protestler halten Plakate und Fahnen, während sie an einem Marsch teilnehmen, zu dem Anhänger des Putschisten General Omar Tchiani aufgerufen haben Foto: Sam Mednick/AP/dpa

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Während die Putschisten gestern in Niger weitere Minister festnahmen, meldete sich auch der Kreml zu Wort. Und der russische Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin, der mit seinen Truppen seit einiger Zeit in der Region aktiv ist.

Die neuen Militärmachthaber im Niger haben nach Angaben der bisherigen Regierungspartei weitere Minister und hochrangige Politiker festgenommen. Darunter seien die Minister für Bergbau und Öl sowie der Parteivorsitzende der Nigrischen Partei für Demokratie und Sozialismus (PNDS-Tarayya), wie diese am Montag mitteilte. Zuvor seien der Innenminister, der Verkehrsminister und ein Stellvertreter inhaftiert worden. Insidern zufolge wurde parallel zu den Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) nun Nigers Zugang zum Finanzmarkt gekappt: Die geplante Ausgabe von Staatsanleihen mit einem Wert von 30 Milliarden CFA-Franc (etwa 46 Millionen Euro) sei von der regionalen Zentralbank gestoppt worden, hieß es in Finanzmarkt-Kreisen.

Die Europäische Union (EU) unterstützt die von den Ecowas-Staaten beschlossenen Wirtschaftssanktionen gegen die selbsterklärten neuen Machthaber im Niger. Die EU werde die Entscheidung der Ecowas „schnell und entschlossen“ umsetzen, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Brüssel mit. Die EU erklärte zudem, sie mache die Putschisten im Niger für die Angriffe auf Zivilisten, Diplomaten und Botschaften verantwortlich. Pro-Junta-Demonstranten hatten zuvor vor der französischen Botschaft in dem westafrikanischen Land protestiert.

In dem westafrikanischen Land hatte die Präsidentengarde am Mittwoch vergangener Woche die Macht übernommen, das Militär schloss sich ihr an. Die Streitkräfte haben die Verfassung ausgesetzt und den Chef der Garde, General Abdourahamane Tiani, zum Staatsoberhaupt an der Spitze eines Militärrates erklärt. Im Niger sind im Rahmen internationaler Einsätze auch Soldaten aus Europa stationiert.

Die 15 Staaten umfassende Ecowas hat Gewalt nicht ausgeschlossen, sollte der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Bazoum nicht wieder eingesetzt werden. Tschads Staatsoberhaupt Mahamat Idriss Deby versucht seit dem Wochenende zu vermitteln. In sozialen Netzwerken lud er Bilder hoch, die ihn bei getrennten Treffen mit Bazoum und Tiani zeigen. Seit der Unabhängigkeit 1960 hat das Militär im Niger fünfmal geputscht, die neue Machtübernahme eingerechnet. Die Wahl Bazoums im Jahr 2021 war der erste demokratische Machtwechsel in dem bitterarmen Land mit gut 25 Millionen Einwohnern. Auch in Mali und Burkina Faso hat in den vergangenen zwei Jahren die Armee die Kontrolle übernommen.

Niger gehört zum System der Westafrikanischen Zentralbank (BCEAO). Einem Emissionskalender zufolge soll das auf externe Hilfe angewiesene Land eigentlich am 7. und 17. August weitere Anleihen begeben. Niger ist zudem der siebtgrößte Uran-Produzent der Welt, mit etwa fünf Prozent der globalen Förderung. Die Vorkommen dieser Minen haben den höchsten Reinheitsgrad in Afrika. Zu den Betreibern gehört das staatliche französische Unternehmen Orano. Dessen Angaben zufolge ist Niger für weniger als zehn Prozent des in Frankreich verbrauchten Urans verantwortlich.

Prigoschin begrüßt Staatsstreich

Nach dem Putsch in Niger gerät der westafrikanische Staat auch verstärkt in Russlands Blickfeld. Regierungssprecher Dmitri Peskow rief am Montag alle Seiten zur Zurückhaltung auf, um eine schnelle Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zu ermöglichen. Was dort geschehe, sei eine Angelegenheit von ernster Besorgnis, sagte Peskow zu der Lage nach dem Staatsstreich, der von vielen Ländern verurteilt, aber vom Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, vorige Woche ausdrücklich begrüßt wurde. Prigoschin hat mit seiner Wagner-Gruppe umfangreiche politische und wirtschaftliche Interessen in Afrika, seine Kämpfer sind dort in mehreren Ländern aktiv. So auch in Nigers Nachbarstaat Mali, wo sie die Militärregierung unterstützen, die sich 2021 an die Macht putschte. Malis Militärmachthaber haben schrittweise mit Frankreich und anderen westlichen Staaten gebrochen, die bislang bei dem Kampf gegen Islamisten und der Stabilisierung des Landes halfen.

In einer Sprachnachricht, die vorige Woche online veröffentlicht wurde, erweckte Prigoschin den Eindruck, Nigers neuen Militärmachthabern die Dienste seiner Kämpfer anzubieten. Er behauptete nicht, an dem Staatsstreich beteiligt gewesen zu sein, bezeichnete ihn aber als einen Moment der längst überfälligen Befreiung von den westlichen Kolonialherren. Bei Kundgebungen von Anhängern des Militärs wurden russische Fahnen geschwenkt. Wie in Mali und im ebenfalls benachbarten Burkina Faso ging auch dem Aufstand der Armee in Niger eine Welle von Ressentiments gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich voraus. Frankreich hat seit einem Jahrzehnt Truppen in der Region stationiert, um islamistische Extremisten zu bekämpfen. Dies wird jedoch vielfach als Einmischung in innere Angelegenheiten kritisiert.

Wagner-Söldner in der Region aktiv

Wagner ist ebenfalls in der Region aktiv und hat nach russischen Angaben Militär- und Bergbauverträge in Afrika. So sind die Söldner etwa auch in der Zentralafrikanischen Republik und in Libyen präsent. Die russische Führung wiederum hat ein großes Interesse an engeren Beziehungen zu rohstoffreichen Ländern Afrikas, auch um den Einfluss der USA und deren westlicher Verbündeten dort zurückzudrängen. Dies zeigte auch der Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg in der vergangenen Woche. Präsident Wladimir Putin erhoffte sich dort Rückendeckung für seinen Kurs im Ukraine-Krieg und versprach Getreide-Lieferungen sowie eine Intensivierung des Handels und der Investitionen in Afrika.

Die Lage Prigoschins und seiner Wagner-Gruppe, die in der Ukraine eine sehr wichtige Stütze der regulären russischen Armee waren, ist seit der gescheiterten Meuterei im Juni zwar unklar. Der Söldner-Chef nahm aber bereits wieder an einem Treffen mit Putin teil und wurde vorige Woche auch in St. Petersburg gesehen. Am Montag kündigte er in einer Audiobotschaft an, dass Wagner sich auf neue Aufgaben vorbereite. „Heute legen wir unsere nächsten Aufgaben fest, deren Umrisse immer klarer werden. Zweifellos handelt es sich um Aufgaben, die im Namen der Größe Russlands erfüllt werden“, hieß es in der Sprachnachricht, die auf dem mit der Wagner-Gruppe verbundenen Telegramkanal Grey Zone veröffentlicht wurde. (Reuters/AFP/Red.)