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Europawahlen in DeutschlandAfD wählt Spitzenkandidaten

Europawahlen in Deutschland / AfD wählt Spitzenkandidaten
Maximilian Krah jubelt nach der Verkündung des Ergebnisses der Wahl zum AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl bei der Europawahlversammlung in der Messe Magdeburg Foto: dpa/Carsten Koall

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Es zieht sich an diesem Samstagvormittag. Wie so oft bei der AfD. Muss ein Kandidat für Europa Englisch können, wenn ja, auf welchem Sprachniveau? Und wie lange war er beruflich außerhalb der Politik tätig?

Das sind die Fragen, über die die Partei am zweiten Tag ihrer Zusammenkunft in Magdeburg bei ihrer Europaversammlung intensiv ringt. Nachdem die wichtigere Debatte zuvor dann doch zügig abgeräumt worden ist – erst die Kandidatenbestimmung, dann möglichst eine Woche später wieder in Magdeburg das Programm. Gewählt wird zum Spitzenkandidaten für die Europawahl im kommenden Jahr Maximilian Krah (46).

Gleichwohl ist es nicht frei von einer gewissen Ironie, dass die AfD Kandidaten für die Wahl zum Europäischen Parlament aufstellt, wo sie doch eigentlich die EU abschaffen, auflösen, zurück- oder dann doch komplett umbauen will. So genau weiß das irgendwie noch keiner. Nur eines glaubt man zu wissen: „Die EU ist zutiefst undemokratisch und übergriffig“, brüllt die Co-Parteichefin Alice Weidel am frühen Morgen bei der Eröffnung des Konvents.

Es brauche ein „Europa der Vaterländer“, ein Kompetenzrückbau und eine Verlagerung dorthin, „wo die gewählten Volksvertreter in den Parlamenten sitzen“. Ihr Kompagnon, Tino Chrupalla, geht freilich noch einen Schritt weiter: „Es muss die Möglichkeit eines Austritts, eines geordneten EU-Austritts geben. Das ist meine Meinung.“ Wie sich die Partei das am Ende mehrheitlich vorstelle, „das werden wir sehen“, so Chrupalla zu unserer Redaktion. „Aber so lange es eine EU gibt, müssen wir versuchen, das Schlimmste zu verhindern.“ Die letzten Umfragen zeigen freilich, dass die Rechten mit ihren Europa-Positionen nicht punkten können.

Schluss mit der EU

Im 92-seitigen Entwurf des Wahlprogramms spricht sich die AfD jedenfalls für eine radikale Umgestaltung der europäischen Politik aus. Die Forderung nach einer „geordneten Auflösung der EU“ wurde allerdings vonseiten der Parteispitze bereits im Vorfeld relativiert. Dies sei durch ein „redaktionelles Versehen“ in den Text geraten, lautete die Absprache der Führung. Angestrebt wird aber in jedem Fall eine Art Neugründung der EU. Wie auch immer die dann aussieht – der „Dexit“ wurde jedoch schon vor der letzten Bundestagswahl beschlossen.

Fakt ist: Europa elektrisiert die AfD. Europa im Allgemeinen und die Europäische Union im Besonderen entzweit sie auch immer wieder – obwohl man in der Ablehnung dessen, was es gibt, doch einig ist. Das zeigt sich auch schon am Vortag, als lang und hart darüber gestritten wird, ob die AfD auf europäischer Ebene der Partei Identität und Demokratie (ID) beitreten soll, in der Fraktion ist die AfD bereits. Der gehören etwa die FPÖ und der französische Rassemblement national unter Marine Le Pen an. Am Ende holt Weidel brüllend die Kohlen aus dem Feuer – und man sagt Ja.

Umstrittener Spitzenkandidat

Ein anderer Streit wabert auch schon seit Beginn des zweitägigen Konvents durch die Magdeburger Messehallen. Der um Maximilian Krah, Bundesvorstandsmitglied und EU-Abgeordneter aus Sachsen. Es gab Zweifel, ob er der richtige Spitzenkandidat ist wegen extremer Aussagen, dubioser Kontakte und persönlicher Fehltritte – zweimal schon wurde er von der ID-Fraktion suspendiert. Kann die AfD sich einen solchen Mann im Wahlkampf leisen? Ja, „kann sie“, heißt es unisono aus der Spitze. Der AfD ist schon immer egal gewesen, was über sie geredet oder geschrieben wird. Ihren Wählern offenbar ja auch.

Krah wird mit 65,7 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt. Andreas Otti aus dem Landesverband Berlin, ein unbekannter Berufsoffizier, unterliegt klar nach einer blumigen Ansprache. In seiner Bewerbungsrede ruft Krah: „Wir wollen ganz Deutschland zu einem großen Sonneberg machen.“ Dort gewann die AfD erstmals eine Landratswahl. „Wir sind mittlerweile die spannendste Rechtspartei in Europa“, betont er weiter. Hinsichtlich der Vorwürfe gegen ihn sagt der Jurist, er sei Opfer von „monatelangen Schmutzkampagnen“ gewesen. Es sei an der Zeit, „den Dreckwerfern die Rote Karte zu zeigen“. Zimperlich ist man noch nie miteinander umgegangen in der AfD. Krah weiter: „Wir gehen stolz und mit erhobenen Hauptes nach Brüssel.“ Standing Ovations gibt es für ihn. Die Spitzenkandidatur ist geritzt.

Streit ums Personal gehört allerdings zum Programm der AfD. Auch Björn Höcke, zu dessen extrem rechten Lager Krah gehört, ist endlich angekommen. Der mächtige Thüringer Landesvorsitzende, dessen Getreuen die Partei im Griff haben, festigt mit Krah weiter seine Macht. Am Rande macht Höcke klare Ansagen: „Im Osten kann uns der Durchbruch gelingen im nächsten Jahr“, sagt er mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Derzeit sei er „sehr zufrieden mit der Arbeit des Bundesvorstands“ und stehe hinter den Vorsitzenden Weidel und Chrupalla. Dass er sich im kommenden Jahr als AfD-Chef bewerbe, sei aber „sicherlich eine Möglichkeit“. Typisch Höcke, er lässt sich alle Optionen offen. Die Frage der Kanzlerkandidatur ist ebenfalls noch ungeklärt. Aber erst einmal will man mit Krah bei der Europawahl siegen – und das, obwohl Höcke ebenso sagt: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.“

Über 2.000 Akteure verschiedener Initiativen protestieren gegen den Bundesparteitag der AfD
Über 2.000 Akteure verschiedener Initiativen protestieren gegen den Bundesparteitag der AfD Foto: dpa/Sebastian Willnow

Proteste vor dem Parteikongress

In Magdeburg wurden mehrere Protestaktionen gegen den AfD-Parteitag angekündigt. Zu Protesten gegen die Rechtsaußen-Partei haben mehrere Bündnisse aufgerufen. Unter den Veranstaltern der Gegenproteste sind das lokale Bündnis Solidarisches Magdeburg, das deutschlandweite Bündnis Aufstehen gegen Rassismus, die Gruppe Omas gegen Rechts, der Nazi-Opferverband VVN-BdA, der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie Vertreter von SPD, Linken und Grünen.

JJ
31. Juli 2023 - 18.13

Falsche Uniform.