Die Stimmung am Cheynes Beach war am späten Mittwochabend gedrückt: Zwei Verantwortliche hatten die traurige Aufgabe, mit rosafarbenen Schleifen zwischen den großen Körpern der Wale und den Dutzenden Freiwilligen hindurchzuwaten. Wale, die eine Schleife bekamen, waren in zu schlechter Verfassung und wurden eingeschläfert. Nach und nach traf es jedes der Tiere, das nach der Strandung am Dienstag noch am Leben war. Zuletzt blieb kein Überlebender übrig – weder die ausgewachsenen, teils über vier Meter großen Tiere noch die kleinen Kälber, die herzzerreißende Pfeiftöne von sich gaben.
„Leider musste die Entscheidung getroffen werden, die verbleibenden Wale einzuschläfern, um ihr Leiden nicht zu verlängern“, hieß es in einem Facebook-Beitrag des westaustralischen „Parks and Wildlife Service“. Es sei eine schwierige Entscheidung für alle Beteiligten gewesen, „aber das Wohlergehen der Wale musste Vorrang haben“.
Extrem schwierige Bedingungen
Die Gruppe Wale war am späten Dienstag am Cheynes Beach, knapp eine Autostunde östlich von Albany in Westaustralien, gestrandet. Über Nacht waren bereits 51 Tiere gestorben. Am Mittwoch versuchten die australischen Behörden dann in einem Wettlauf gegen die Zeit, mehr als 45 weitere Wale wieder ins Meer zurückzuführen. Doch die Bedingungen waren schwierig, das Wasser ist in den Wintermonaten in Australien eisig kalt. Einige der Helfer mussten wegen Unterkühlung behandelt werden.
Bei den gestrandeten Walen handelte es sich um Grindwale, die auch als Pilotwale bekannt sind. Sie gehören zur Familie der Delfine und werden im Durchschnitt zwischen drei und sechs Meter lang und bis zu drei Tonnen schwer. „Grindwale leben in sozialen Verbänden“, sagte Olaf Meynecke, ein deutscher Walforscher an der Griffith University in Australien. Diese Verbände könnten Hunderte Tiere umfassen, seien aber in Untergruppen aufgeteilt. Grindwale pflegen enge familiäre Bindungen und folgen im Normalfall einem einzigen Anführer.
Wale vor Strandung „in panischem Zustand“
Normalerweise würden die Tiere nicht entlang der Küste, sondern in tiefen Gewässern leben, wo sie sich von Tintenfischen ernähren, erklärte der Experte. Die gesamte Orientierung der Säugetiere sei dabei auf Sonar und Akkustik ausgelegt. Irgendetwas muss die Tiere dabei aus ihrem gewohnten Muster herausgerissen haben: Die Aufnahmen einen Tag bevor die Tiere an Land gespült wurden, hätten „eindrucksvoll“ gezeigt, „in welch panischem Zustand die Wale waren“, so Meynecke.
Was die Wale letztendlich zu der Strandung veranlasst hat, können aber auch Forscher wie Meynecke nicht eindeutig sagen. Laut dem Wissenschaftler könnten die Tiere entweder ein oder zwei Kranke dabei gehabt haben, die sie aufgrund der starken emotionalen Bindung nicht von der Gruppe lösen wollten. Eine andere Möglichkeit könnte sein, dass sie zuvor von Orcas gejagt wurden und deshalb in die Bucht geflüchtet seien. Aufnahmen kurz vor der Strandung zeigten, wie sich die Tiere in einer Gruppe eng aneinander drückten.
Auch in Schottland strandeten zuletzt Wale
In Westaustralien kommt es, wie auch in anderen australischen Bundesstaaten, in Neuseeland oder zuletzt auch in Schottland immer wieder vor, dass teils mehrere Hundert Wale zugleich stranden. 2020 waren beispielsweise mehrere Hundert Wale an Tasmaniens Westküste gestrandet. Damals gelang es Rettern, 108 zurück ins Meer zu befördern. Mindestens 380 Tiere starben. Die Strandung war die bisher größte in Australien gewesen.
Die größte Strandung in Westaustralien ereignete sich 1996, als 320 Wale bis zur Küste schwammen. Damals konnten 20 Tiere gerettet werden. Der weltweit bisher schlimmste bekannte Vorfall ereignete sich 1918 auf der neuseeländischen Insel Chatham, als etwa Tausend Wale betroffen waren. Die Insel gilt inzwischen als eine Art „Hotspot für Strandungen“.
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