Schauspieler Kevin Spacey steht seit rund einem Monat wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe in London vor Gericht. Nun nähert sich das Verfahren dem Ende. Der 63-Jährige erschien am Montag erneut vor dem Southwark Crown Court, einem Gebäude in der Nähe des Bahnhofs London Bridge, bevor sich die Geschworenen zu ihren Beratungen zurückzogen. Sie müssen nun entscheiden, in welchen Punkten sie den US-Schauspieler für schuldig oder unschuldig befinden. Wie lange das dauert, ist unklar.
Spacey hörte ruhig zu, als er auf der mit Glas eingefassten Anklagebank im schmucklosen Court Room 1 verfolgte, wie der Richter die bisherigen Verhandlungstage in einem zweistündigen Vortrag noch einmal zusammenfasste. Er trug einen dunklen Anzug und Krawattennadel, die Haare etwas ungekämmt. Ab und an schaute er sich im Saal um, oft guckte er nach vorne und hörte dem Richter zu.
Sexuelle Übergriffe
Ihm werden in mehreren Fällen sexuelle Übergriffe gegen vier Männer vorgeworfen, etwa ungewollte Berührungen und Nötigung zum Geschlechtsverkehr. Die Fälle sollen sich laut der anfangs vorgelegten Anklageschrift zwischen 2001 und 2013 in London und der Grafschaft Gloucestershire ereignet haben. Spacey war von 2004 bis 2015 künstlerischer Direktor am Londoner Theater Old Vic und lebte zeitweise in der britischen Hauptstadt. Die mutmaßlichen Opfer sagten im Prozess gegen Spacey aus. Sie warfen ihm unter anderem vor, er sei ein „sexueller Bully“. Ein Zeuge sagte aus, Spacey habe ihm „wie eine Kobra“ in den Schritt gepackt.
Spacey streitet die Anschuldigungen ab. Er räumte im Prozess etwa Berührungen eines Mannes in der Leistengegend sowie einen sexuellen Akt mit einem weiteren ein. Spacey betonte aber, es habe sich um „romantische“ Berührungen beziehungsweise einvernehmlichen Sex gehandelt. Spacey bestritt auch, seinen Ruhm für sexuelle Übergriffe gegen mehrere Männer ausgenutzt zu haben.
Auf die Frage, ob er sich einsam gefühlt und dann sexuelle Kontakte gesucht habe, sagte Spacey der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge: „Willkommen im Leben. Ja. Ja, habe ich.“ Er sei „sehr offen“ gewesen, wenn es um zeitweise zwanglose sexuelle Begegnungen gegangen sei. „Das macht mich nicht zu einem schlechten Menschen.“
Spacey räumte ein, er habe in einem Fall Signale eines Mannes, dass dieser keine sexuellen Kontakte wolle, missgedeutet. Auf Vorwürfe, er habe einem Mann „wie eine Kobra“ in den Schritt gegriffen, sagte Spacey, die Vorwürfe seien frei erfunden.
Haftstrafe droht
Bei einem Schuldspruch könnte ihm eine Haftstrafe drohen. Im britischen Rechtssystem gibt es aber zwei Schritte. Erst wird darüber entschieden, ob jemand für schuldig befunden wird oder nicht. Wie lange die Jury für ihre Beratungen braucht, ist ungewiss. Es könnte sich um Stunden, Tage oder sogar Wochen handeln.
Der Richter betonte am Montag, die Jury solle sich die Zeit lassen, die sie brauche. Das zwölfköpfige Gremium, dem bei dieser Verhandlung mehr Männer als Frauen angehören, muss seine Entscheidung einstimmig fällen. Das Strafmaß wird im Falle eines Schuldspruchs später vom Richter festgelegt und zu einem separaten Termin verkündet.
Im vergangenen Jahr musste er sich bereits einem Zivilprozess in den USA stellen, setzte sich damals aber durch. Der Schauspieler Anthony Rapp warf Spacey vor, 1986 bei einer Party sexuell übergriffig geworden zu sein und ihn verletzt zu haben. Er forderte 40 Millionen Dollar Schadenersatz. Doch Spacey gewann den Prozess. Zwei weitere Zivilklagen in den USA wurden zurückgezogen.
Die 2017 im Zuge der #MeToo-Debatte erstmals mit Nachdruck öffentlich gemachten Vorwürfe Rapps zogen viele weitere Anschuldigungen nach sich und brachten Spaceys damals erfolgreiche Karriere ins Wanken.
Netflix beendete die Zusammenarbeit zur Erfolgsserie „House of Cards“ und verklagte ihn auf Schadenersatz, nachdem Beschwerden von Mitarbeitern am Set über ihn aufgekommen waren. Das Old Vic distanzierte sich ebenfalls von ihm – auch dort waren Vorwürfe laut geworden. Szenen mit ihm in dem Thriller „All The Money in the World“ (Alles Geld der Welt) wurden sogar nachträglich entfernt.
Spaceys Verteidiger beklagte im aktuellen Prozess, über Spacey sei in sozialen Netzwerken gerichtet und er sei in der Folge „gecancelt“ worden. Vor Gericht hätten sich die Vorwürfe gegen ihn aber stets als auf wackeligen Beinen dargestellt.
Vor Prozessbeginn hatte Spacey dem Zeit-Magazin ein Interview gegeben. Spacey zeigte sich darin nachdenklich wegen seines Auftretens gegenüber anderen in der Vergangenheit: „Ich glaube, ich habe wirklich sehr versucht, kein Arschloch zu sein. Aber ich denke, in einem gewissen Maße war ich ein Arschloch.“ In Bezug auf den Prozess in London zeigte er sich damals zuversichtlich, dass die Vorwürfe in sich zusammenfallen würden.
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