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UkraineKiew will ohne Russland Getreide exportieren

Ukraine / Kiew will ohne Russland Getreide exportieren
Ein mit ukrainischem Getreide beladenes Schiff durchquert den Bosporus in Richtung Marmarameer Foto: AFP/Ozan Kose

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Nach dem russischen Ausstieg aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine macht sich die Regierung in Kiew für eine Fortsetzung der Transporte über das Schwarze Meer stark.

Ein Regierungssprecher erklärte am Montag, man sei von Firmen und Schiffseignern angesprochen worden, die zu weiteren Lieferungen bereit seien. Jedoch stellten Versicherer und Reeder den Einsatz von Schiffen im Schwarzen Meer auf den Prüfstand.

Die Nachrichtenagentur Reuters erhielt Einblick in einen Brief Russlands an die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO), wonach Russland auch seine Garantien für sichere Fahrten auf dem Schwarzen Meer zurückziehe. Der Abbruch des Getreideabkommens wurde von zahlreichen Staaten kritisiert. Der weltweite Weizenpreis stieg zunächst.

Der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow hatte am Mittag ein Auslaufen des Abkommens angekündigt. „Leider ist der Russland betreffende Teil der Vereinbarungen nicht umgesetzt worden“, sagte er. „Sobald der russische Teil der Vereinbarungen erfüllt ist, wird die russische Seite zur Umsetzung dieses Abkommens zurückkehren.“ Das von den UN und der Türkei im Juli 2022 vermittelte Abkommen ermöglichte bislang die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer, das Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs kontrolliert. Die Vereinbarung wurde wiederholt verlängert. Die Türkei kündigte umgehend Initiativen zur Wiederbelebung an. Die Ukraine gehört zu den weltweit größten Getreideexporteuren.

UN: Schlag für alle Menschen in Not

Zahlreiche Staaten verurteilten den russischen Schritt, darunter auch Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einer „schlechten Botschaft“ für die übrige Welt. „Es werden aber alle verstehen, was dahinter steckt, nämlich eine Handlung, die sehr damit zu tun hat, dass Russland sich nicht verantwortlich fühlt für ein gutes Miteinander in der Welt.“ Auch die USA, die EU, Großbritannien und Frankreich kritisierten die Regierung in Moskau. Mehrfach kam der Vorwurf auf, Russland nutze Lebensmittel oder Hunger als Waffe. UN-Generalsekretär António Guterres nannte die russische Entscheidung einen Schlag für alle Menschen in Not. Seinen Angaben zufolge ist damit auch eine begleitende Vereinbarung hinfällig, die das Ziel hatte, russische Getreide- und Dünger-Exporte zu erleichtern.

Die Regierung in Moskau hat beklagt, dass genau derartige Ausfuhren behindert worden seien. Diese seien jedoch im Gegenzug für die ukrainischen Exporte zugesagt worden. Russland kritisierte vor allem, dass Bezahlungen für die eigenen Exporte wegen westlicher Sanktionen nicht abgewickelt werden könnten. Unter anderem müsse die Russische Landwirtschaftsbank wieder in das internationale Swift-Zahlungssystem aufgenommen werden. Zu den Forderungen gehört auch, dass eine Pipeline für den Transport von Ammoniak wieder in Betrieb genommen und der Dünger über den ukrainischen Hafen Odessa exportiert wird.

Schritt könnte Inflationsdruck erhöhen

Im Rahmen des Abkommens exportierte die Ukraine mehr als 27 Millionen Tonnen Getreide. Die Frachter verließen dabei das Schwarze Meer über einen Korridor, um dann im Bosporus kontrolliert zu werden. Damit sollte sich Russland sicher sein können, dass nur vereinbarte Agrarprodukte an Bord waren. Vor allem ärmere Länder sind durch die gestiegenen Importpreise nach Ausbruch des Ukraine-Krieges in Schwierigkeiten geraten. Die UN hatten für eine Verlängerung des Abkommens unter anderem mit dem Hinweis geworben, dieses habe zu einem weltweiten Rückgang der Lebensmittelpreise um ein Fünftel beigetragen.

Experten warnten nun vor potenziellen Folgen für die Inflation, was auch die Notenbanken auf den Plan rufen könnte. Der leitende Ökonom von Equiti Capital, Stuart Cole, erklärte: „Dies könnte den weltweiten Inflationsdruck wieder erhöhen und die Zentralbanken dazu veranlassen, ihre restriktive Haltung zu überdenken.“ Ähnliche Überlegungen stellte der Analyst Piotr Matys von In Touch Capital Markets an: „Die Inflation hat in ganz Europa ihren Höhepunkt erreicht, aber sie könnte sich nicht so schnell abschwächen wie erwartet, wenn die Lebensmittelpreise stark ansteigen.“ (Reuters)