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GroßbritannienPremier Sunak verbindet Lohnangebot im öffentlichen Dienst mit feindseliger Rhetorik

Großbritannien / Premier Sunak verbindet Lohnangebot im öffentlichen Dienst mit feindseliger Rhetorik
Junge Ärztinnen während einem der letzten Streiktage in London Foto: AFP/Henry Nicholls

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Nach wochenlangem Zögern hat die britische Regierung den Bediensteten in Polizei, Schulen und Gesundheitswesen Lohn- und Gehaltserhöhungen zwischen fünf und sieben Prozent angeboten. Das Königreich wird seit langen Monaten von einer Streikwelle erschüttert, die auch die Eisenbahn, Flughäfen und Universitäten umfasst. Der konservative Premier Rishi Sunak verband das „letzte“ Angebot mit kompromissloser Rhetorik: „Weitere Verhandlungen wird es nicht geben, ganz egal wie viel gestreikt wird.“

Sunak und sein Finanzminister Jeremy Hunt folgten mit den Angeboten den Berechnungen einer unabhängigen Kommission, die jedes Jahr die Tarifparteien für den öffentlichen Sektor anhört und anschließend ihre Vorschläge vorlegt. Die Torys standen unter Druck, weil sie im vergangenen Jahr alle Forderungen nach deutlich mehr Lohn und Gehalt mit dem Hinweis auf die Empfehlungen des Gremiums abgeschmettert hatte. In diesem Jahr konnten sie nun schlecht ihrerseits das Votum ignorieren.

So sollen im laufenden Steuerjahr (bis Anfang April 2024) Polizei-Angehörige sieben Prozent mehr erhalten, Lehrerinnen 6,5 Prozent sowie höhere Angestellte im Gesundheitswesen NHS sechs Prozent. Bei Krankenhaus-Ärzten (sechs Prozent) sowie den Angehörigen der Streitkräfte (5) würden jeweils beträchtliche Einmal-Beträge hinzukommen. Das Angebot gilt nur für England und Wales, die Regionalregierungen von Schottland und Nordirland verfahren nach eigenem System.

Sunak kann Versprechen nicht halten

Während die Lehrer-Gewerkschaften umgehend alle geplanten Warnstreiks absagten und das Regierungsangebot annahmen, äußerte sich die Ärzte-Vertretung BMA ablehnend. In Krankenhäusern wird seit Donnerstag und noch bis Montag gestreikt, lediglich eine Notversorgung ist gewährleistet. Deshalb mussten zum wiederholten Mal – dies ist der vierte Ärztestreik in fünf Monaten – viele kleine Eingriffe sowie Untersuchungen mit Röntgen oder MRT-Geräten abgesagt werden. Auf der NHS-Warteliste stehen derzeit 7,4 Millionen Patienten. Den niedrigeren Dienstgraden, sogenannten junior Doctors, folgen kommende Woche nach zweitägiger Pause die älteren Fachärzte, sogenannte Consultants, in einen Streik für 48 Stunden. Ende des Monats wollen außerdem die Radiologen die Arbeit niederlegen. Hingegen sind die Streiks des Pflegepersonals durch Aufbesserungen um bis zu acht Prozent beendet worden.

Sunaks konfrontative Rhetorik dürfte dem zunehmenden Gefühl geschuldet sein, die zu Jahresbeginn gegebenen Versprechen würden sich nicht einhalten lassen. Damals hatte der fünfte Tory-Premier binnen sieben Jahren die Halbierung der Inflation bis Ende des Jahres, keine neuen Staatsschulden sowie eine deutliche Reduzierung der Wartelisten im NHS zugesagt. Die Teuerung verharrt bei 8,7 Prozent, die Staatsschuld lag zuletzt zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten höher als 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes BIP. Und je länger die Streiks im NHS andauern, desto unruhiger werden die britischen Patienten. Am Freitag erschien zudem eine neue Studie, wonach viele Briten für einen Zahnarzt-Termin Hunderte von Kilometern zurücklegen müssen. Zehn Prozent der Befragten gaben an, sie hätten in ihrer Not sich selbst von Zahnschmerzen zu befreien versucht.

Gewerkschaftler besser ausgebildet

Die Torys stehen den Gewerkschaften traditionell eher feindselig gegenüber; das Ansehen der legendären Premierministerin Margaret Thatcher (1979-90) beruhte zu großen Teilen darauf, sie habe die damals tatsächlich übergroße Macht der Arbeitnehmer-Vertretungen gebrochen. Mit dem Niedergang traditioneller Industriezweige wie Kohle und Stahl ging ein starker Rückgang der Mitgliederzahl einher. Dem Nationalen Statistikbüro ONS zufolge waren 2022 noch 22,3 Prozent der Arbeiter und Angestellten Gewerkschaftsmitglieder; in der Privatwirtschaft lag ihr Anteil sogar nur bei 12 Prozent, hingegen im öffentlichen Dienst bei 48,6 Prozent. Gewerkschaftler sind durchschnittlich besser ausgebildet als ihre nicht-organisierten Kolleginnen.

Eine neue Eskalation der konservativen Anti-Gewerkschaftsgesetzgebung hat am Donnerstag der Londoner High Court kassiert. Die neue Regelung hätte es Arbeitgebern leichter gemacht, Streikende durch Leiharbeiter zu ersetzen. Dagegen waren die Repräsentanten von Arbeitnehmern im Transport- und Gesundheitswesen mit der Begründung vor Gericht gezogen, die Regierung hätte zunächst eine Konsultation durchführen müssen. Tatsächlich seien die neuen Regeln „so unfair, dass sie als illegal und sogar irrational gelten müssen“, urteilte das Gericht. Das Gesetz gehöre „auf den Müllhaufen der Geschichte“, freute sich Sharon Graham von der mächtigen Gewerkschaft Unite.