Die Live-Debatte galt als wichtige Runde im politischen Ringen, das Spanien bereits seit Wochen in Atem hält. Die Protagonisten dieses Machtkampfes sind der sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez (51) und sein Herausforderer Alberto Núñez Feijóo (61) von der konservativen Volkspartei.
Am 23. Juli steht das politische Finale an: Dann müssen die Spanier über eine neue Regierung abstimmen. Und dabei könnte auch der Termin eine Rolle spielen. Viele Bürger sind bereits am Strand. Der Ärger darüber, dass Premier Sánchez die Parlamentswahl vorzog und mitten in die Urlaubszeit legte, ist nicht gering. „Er wollte uns die Ferien versauen“, heizt die konservative Politikerin Marta Rivera de la Cruz den Frust der Bürger an.
Feijóo liegt in allen Umfragen vorne – aber ohne eine absolute Mehrheit für seine Volkspartei erwarten zu können. Doch das Rennen ist noch nicht entschieden. Das spiegelte sich auch im TV-Duell, in dem es keinen klaren Sieger gab. Und in dem sich die beiden Kandidaten immer wieder gegenseitig bezichtigten, die Unwahrheit zu sagen.
Den Wahlerhebungen zufolge gelang es Sánchez‘ Sozialistischer Arbeiterpartei (PSOE), in den letzten Tagen den Abstand zur Volkspartei (PP) Feijóos etwas zu verkürzen. Nach den mittleren Werten, die von Spaniens öffentlichem Rundfunksender RTVE aus zahlreichen Meinungsumfragen errechnet wurden, kann der konservative Kandidat Feijóo derzeit mit 33 Prozent rechnen. Der sozialdemokratische Premier Sánchez kommt auf 28 Prozent.
Konservative Volkspartei setzt auf rechtsextreme Vox
Die Zeiten absoluter Mehrheiten sind anscheinend auch für die beiden großen spanischen Traditionsparteien, die Konservativen und die Sozialdemokraten, vorbei. Seit 2015 wechseln sich in Spanien wenig stabile Minderheitsregierungen konservativer oder progressiver Ausrichtung ab.
Dem konservativen Spitzenkandidaten Feijóo bietet sich als Partner derzeit nur die Rechtspartei Vox an. Diese liegt laut RTVE-Stimmungsbarometer momentan bei 13 Prozent. In vielen Rathäusern und mehreren spanischen Regionen regieren Konservative und Vox bereits gemeinsam. Eine rote Linie gibt es in Spanien nicht. Die Rechtspartei gilt als europaskeptisch, will den Einfluss der EU auf die nationale Politik beschneiden und lehnt den europäischen Asylpakt ab. Vox-Chef Santiago Abascal leugnet den Klimawandel, er will aus den Klimaabkommen aussteigen.
Eine Regierung aus Volkspartei und der rechtsextremen Vox-Partei wäre ein schlimmer Rückschritt für das Land
Die Rechtspopulisten wollen zudem Spaniens liberales Abtreibungsgesetz und die weit fortgeschrittenen Gleichstellungsregeln für Frauen sowie LGBTQ-Menschen kippen. Macho-Gewalt gegen Frauen existiert nach Meinung der Rechtsnationalen nicht. Feijóo, der sich selbst als gemäßigten Konservativen beschreibt, zeigt sich bereit, all diese Vox-Kröten zu schlucken, um die nationale Macht zu erobern. Er verteidigt die Zusammenarbeit mit Vox: „Überall dort, wo die Stimmen von Vox notwendig sind, ist es logisch, dass Vox auch in der Regierung sitzt“, sagt er.
Sánchez hofft hingegen, dass ihm die Angst der Bürger vor einem Rechtsruck zugutekommt: „Eine Regierung aus Volkspartei und der rechtsextremen Vox-Partei wäre ein schlimmer Rückschritt für das Land“, sagt Sánchez. Aber auch der Sozialdemokrat müsste sich, wie bisher schon, auf ein schwieriges Machtbündnis stützen. Ein Bündnis, das von Feijóo auf den Namen „Regierung Frankenstein“ getauft wurde.
Sánchez auf Hilfe linker Wahlliste angewiesen
Sánchez, der seit fünf Jahren als Ministerpräsident im Amt ist, bräuchte zum Regieren die Hilfe der neuen linken Wahlliste Sumar (Summieren). In dieser Plattform vereinen sich 15 Parteien, darunter Sánchez‘ bisheriger Juniorpartner Podemos (Wir können). Diese Allianz könnte laut RTVE-Wahlbarometer auf 14 Prozent kommen. Die Plattform wird von der charismatischen Yolanda Díaz angeführt, die unter Sánchez Arbeitsministerin und Vize-Regierungschefin war.
Zudem kann Sánchez wie bisher auf die Stimmen der einflussreichen Unabhängigkeitsparteien aus dem Baskenland und aus Katalonien zählen. Sie können mit Sánchez eher auf Zugeständnisse hoffen. Sánchez‘ Dialogpolitik trug in den letzten Jahren vor allem in Katalonien zur Entschärfung des Unabhängigkeitskonfliktes bei.
Allerdings gingen Sánchez‘ Zugeständnisse, wie etwa die Begnadigung verurteilter Separatistenführer, vielen Spaniern zu weit. Auch die Zusammenarbeit mit seinem bisherigen linken Koalitionspartner Podemos endete im tiefen Streit und kostete Wählersympathien. Dies zeigte sich Ende Mai, als Sánchez‘ Sozialdemokraten die Kommunal- und Regionalwahlen deutlich verloren. In einer Flucht nach vorne zog Sánchez daraufhin die Parlaments- und Regierungswahlen um ein halbes Jahr auf den 23. Juli vor. Ganz nach dem Motto: Alles oder nichts.
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