Aufrichtige Anteilnahme sieht anders aus. „Wir verstehen ihren Schmerz. Aber sie verstehen unseren nicht“, klagt Mladen Grujic, der serbische Bürgermeister der ostbosnischen Provinzstadt Srebrenica, vor der jährlichen Gedenkfeier für die Opfer des 1995 in seiner Stadt begangenen Völkermords an über 8.000 Muslims: Vor allem der Opferverband „Die Mütter von Srebrenica“ sei ein „Motor des Hasses“.
Aufgeschüttete Erdhügel künden auf dem Gedenkfriedhof Potocari von dem nahenden Jahrestag. Auch 28 Jahre nach dem Bosnienkrieg (1992-1995) werden bei der Trauerfeier am Dienstag auf dem Gedenkfriedhof von Potocari die Überreste von 30 weiteren identifizierten Opfern des schlimmsten Kriegsverbrechens der Jugoslawien-Kriege begraben: Eine Aussöhnung ist in dem zerrissenen Vielvölkerstaat noch stets nicht in Sicht.
Während Grujic über die fehlende Anteilnahme der muslimischen Bosniaken an dem Tod von 3.500 serbischen Kriegsopfern in der Region Srebrenica zwischen 1992 und 1995 klagt, werfen bosniakische Opferverbände dem Bürgermeister gezielte Ablenkungsmanöver alljährlich zum Jahrestag des Genozids vor.
Neue Konflikte, weniger Interesse
In einer Erklärung fragen die „Mütter von Srebrenica“ den Bürgermeister, warum er sie ausgerechnet an dem Tag beleidigen müsse, „an dem wir die Knochen unserer Kinder verabschieden“. Alljährlich vor der Gedenkfeier für die Opfer von Srebrenica versuche die „großserbische Politik“, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von dem Völkermord abzulenken, den sie „verursacht und begangen“ habe, empört sich Damir Pestalic, der Imam von Srebrenica.
Ukraine, Syrien, Afghanistan: Neue Kriege und Konflikte haben das Interesse der Weltöffentlichkeit an einem der furchtbarsten Massaker seit Ende des Zweiten Weltkriegs zunehmend verblassen lassen. Doch nicht nur in Bosnien, sondern auch in den Nachbarstaaten sind die Kriegsnarben nicht verheilt: Selbst bei hartnäckigen Leugnern bleibt der Völkermord von Srebrenica unvergessen.
Als am 11. Juli 1995 die bosnisch-serbische Armee (VRS) unter Führung von General Ratko Mladic nach zweijähriger Belagerung in die unter dem Schutz der UN stehende Muslimenklave einmarschierte, gab das UN-Bataillon „Dutchbat“ das von Flüchtlingen überfüllte Srebrenica kampflos preis. Nur Frauen und Kinder durften die Stadt in von UN-Soldaten eskortierten Buskonvois verlassen. Ihre Männer, Söhne, Väter und Brüder blieben zurück: Bei systematischen Massenhinrichtungen wurden auch minderjährige Jugendliche und Greise ermordet – und in den umliegenden Wäldern verscharrt.
„8372 …“ erinnert ein Gedenkstein an die Opfer des größten Massenmords der Jugoslawienkriege. Insgesamt sind bisher 6.752 Opfer identifiziert und begraben worden. Die Angehörigen von über 1.500 vermissten Opfern hoffen auf den Fund weiterer Massengräber, um deren Überreste endlich beerdigen zu können.
Die seit 2021 eigentlich unter Strafe gestellte Leugnung des Genozids von Srebrenica ist Teil der offiziellen Politik von Serbien – und des bosnischen Teilstaats der Republika Srpska. Doch während bosnische Serben nur selten die Gedenkstätte in Potocari besuchen, werden zumindest im benachbarten Serbien auch versöhnliche Stimmen laut. Srebrenica sollte zum „Zentrum des Dialogs und des Friedens“ werden, so der serbische Oppositionspolitiker Dobrica Veselinovic bei seinem Besuch der Gedenkstätte am Wochenende.
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