Mit dem Signal einer erweiterten und geeinten westlichen Militärallianz an die Adresse des russischen Präsidenten Wladimir Putin tut sich die NATO bei ihrem besonderen Gipfel in einer Woche im litauischen Vilnius immer noch schwer. Zwar hatte die NATO bereits vor einem Jahr eine einstimmige Einladung an Finnland und Schweden ausgesprochen. Doch noch sieht es nicht danach aus, als könne das Bündnis in Vilnius auf 32 Mitglieder wachsen. Die Türkei und Ungarn legen sich beim Beitritt Schwedens weiter quer.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte wiederholt bekundet, dass Schweden alle Bedingungen erfüllt habe, die die Türkei vor einer Ratifizierung des Beitritts benannt hatte. Doch das Zögern in Ankara hielt an. An diesem Donnerstag soll es ein weiteres hochrangiges Treffen mit Vertretern Schwedens, Finnlands und der Türkei geben. Doch eine von den schwedischen Behörden erlaubte öffentliche Koran-Verbrennung schlug in der Türkei und in vielen islamischen Staaten hohe Wellen. Auch Papst Franziskus verurteilte den Vorgang. „Die Redefreiheit sollte niemals als Mittel benutzt werden, um andere zu verschmähen“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche.
Selbst wenn es mit der Türkei dennoch zu einer Übereinkunft quasi in letzter Minute vor dem Gipfel kommt, steht die Ratifizierung durch das ungarische Parlament weiter offen. Dem Vernehmen nach war sie ursprünglich für diese Woche vorgesehen, soll nun im Vorfeld des Gipfels jedoch auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben worden sein. Hinter den Kulissen dürften die Versuche jedoch intensiviert werden, Ungarn zu einer anderen Terminierung zu bringen.
In Litauen wird über Geld gesprochen
Die NATO -Mitglieder stellen sich darauf ein, in Litauen die Selbstverpflichtungen für die Verteidigungsanstrengungen nach oben zu schrauben. Noch immer hängt auch Luxemburg dem Ziel deutlich hinterher, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu investieren. Die NATO-Botschafterin der Vereinigten Staaten, Julianne Smith, erklärt im Tageblatt-Interview hierzu: „Die Vereinigten Staaten und alle Verbündeten wissen die Erhöhung der Verteidigungsausgaben Luxemburgs zu schätzen. Wir wollen aber wirklich an den Punkt gelangen, an dem wir mit Stolz sagen können, dass jeder Bündnispartner – unabhängig von seiner innenpolitischen Situation und seinem Platz in der Welt – eine feste Verpflichtung eingegangen ist, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.“ Litauen präsentiert zum Gipfel einen Anstieg von 2 auf 2,5 Prozent. In Vilnius soll beschlossen werden, dass die zwei Prozent nicht mehr Ziel, sondern künftig Basis sein sollen.
Die deutsche Bundeswehr verlegt zum Schutz des Gipfels in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Russland und Belarus auch Patriot-Flugabwehrsysteme. Spanien bringt zu diesem Zweck ebenfalls vorübergehend Boden-Luft-Raketen von Lettland nach Litauen. Rund 12.000 Einsatzkräfte sollen das Treffen von 48 ausländischen Delegationen mit fast 200 hochrangigen Politikern absichern. Dabei werden auch Aufklärungsjets über Litauen Bewegungen im Luftraum überwachen.
Bereits beim Gipfel in Madrid hatte das Bündnis beschlossen, die Zahl der in Alarmbereitschaft für eine schnelle Verlegung bereitstehenden Soldaten von 40.000 auf 300.000 zu erhöhen. Die konkrete Ausplanung der NATO-Verteidigung für den Fall eines russischen Angriffs auf das Bündnisgebiet soll in Vilnius weiter vorangebracht werden. Das Territorium der NATO-Staaten wird dazu in drei Zonen unterteilt: den nördlichen Teil mit dem Atlantik, Zentraleuropa und den Süden.
Wiederholt war in russischen Staatsmedien über Angriffe auf NATO-Staaten spekuliert worden. Aktuell sieht das Bündnis jedoch keine konkreten Vorbereitungen darauf. Nach Angaben von Admiral Rob Bauer, dem Chef des NATO-Militärausschusses, sind über 90 Prozent von Russlands Bodentruppen mit dem Krieg gegen die Ukraine beschäftigt. Zu Land sei das russische Militär offensichtlich nicht in der Lage, „irgendjemand anderem irgendetwas“ zu tun. Niemand solle jedoch die russischen Fähigkeiten unterschätzen, „wieder auf die Beine zu kommen“.
Die NATO selbst beliefert die Ukraine nicht mit Waffen, um eine direkte Konfrontation zu vermeiden. Es wird jedoch erwartet, dass die Mitgliedstaaten für ihre bilaterale Unterstützung in Vilnius eine neue Versicherung abgeben. Zudem soll der Ukraine eine Zukunft in der NATO vorausgesagt werden – allerdings ohne Zeitplan und Einladung.
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