Headlines

InterviewPeter Maffay über Luxemburg, Meinungsfreiheit und soziales Engagement

Interview / Peter Maffay über Luxemburg, Meinungsfreiheit und soziales Engagement
Am kommenden Freitag spielt Peter Maffay mit seiner Band in der Rockhal (C) Laura Besch

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am 7. Juli wird Kultrocker Peter Maffay mit seiner Band in Luxemburg auftreten. Im Rahmen seiner Open-Air-Tour 2023 mit Konzerten an Orten, die er liebt, aber schon lange nicht mehr besucht hat, wird Maffay sein Publikum in der Rockhal begeistern, einziger Veranstaltungsort, der nicht im Freien ist.

Maffay ist bekanntlich ein vielseitig interessierter und sozial engagierter Mensch und Künstler. Er ist seit mehr als 50 Jahren erfolgreich im deutschen Musikgeschäft, wirkte kürzlich auch als Juror bei „The Voice of Germany“, ist Mitschöpfer von „Tabaluga“, dem kleinen grünen Drachen, von dem das siebte Album zum 40. Geburtstag veröffentlicht wurde, hat eine Stiftung gegründet, die traumatisierten Kindern schöne Momente im Einklang mit der Natur beschaffen soll, und noch viel mehr. Das Tageblatt hat im Vorfeld seines Konzertes in Luxemburg ein Gespräch mit ihm führen können.

Tageblatt: Was bedeutet Luxemburg für Sie, vor allem, wenn Sie an Ihr Debüt denken?

Peter Maffay: Sehr viel, und ich denke besonders an einen ganz lieben Freund, an Frank Elstner. Ich habe Frank wahnsinnig viel zu verdanken. Ich glaube, wenn es Frank nicht gegeben hätte, dann würden wir jetzt hier nicht miteinander reden. Er hat mir sehr viele Türen geöffnet, gerade in der Anfangszeit, das hat uns sehr nahegebracht.

Wir sehen uns in letzter Zeit etwas weniger, seine Gesundheit lässt es nicht zu, aber ich finde, dass er trotzdem nach wie vor ein positiver, hochintelligenter Mensch ist, mit dem es jedes Mal eine Freude ist, sich zu unterhalten. Ich ging zu ihm mit meinen ersten Scheiben. Und plötzlich kam der Durchbruch, weil Radio Luxemburg mich rauf und runter gespielt hat! Im Laufe der Zeit ergaben sich dann mit Luxemburg immer mehr Querverbindungen, so z.B. auch jetzt mit unserer Stiftung. Es geht um vitale freundschaftliche Beziehungen mit Leuten, die unsere Projekte im kleinen Dorf in Rumänien unterstützen, vor allem das Ärztehaus, das wir ins Leben gerufen haben.

Ich muss aber gestehen, dass ich in Luxemburg schon lange nicht live gespielt habe, und bin wirklich froh, dass es jetzt endlich klappt.

Wie kam es zu Ihrer Entwicklung vom Schlagersänger zum Rockmusiker? Waren es die Umstände, die dazu geführt haben, oder Ihr persönlicher Geschmack?

Eigentlich beides, und die Evolution war noch erheblich vielschichtiger. Als Schüler habe ich in einer Beatband gespielt, mit der Stilistik, die man in den 60er Jahren gespielt hat. Da haben wir alle gängigen angloamerikanischen Hits gecovert. Dann traf ich Liedtexter und Musikproduzent Michael Kunze, der mir sagte: „Solche Songs kann ich dir nicht anbieten, aber Schlager kannst du haben! Willst du, ja oder nein?“ Ich antwortete prompt: „Mir egal, mach ich auch. Hauptsache ich habe einen Schallplattenvertrag!“, denn ich wollte in diesem doch ziemlich komplexen Beruf Fuß fassen. Ich bekam den Vertrag und mit „Du“ hatte ich meinen Durchbruch. Das war 1970 und die ZDF-Hitparade war mein erster Fernsehauftritt. Er war aber auch imageprägend, ich war auf einmal Schlagersänger! Ich habe mich in dieser Rolle nicht sonderlich wohl gefühlt. Irgendwann habe ich gedacht: „Alles schön und gut, aber ich spiele mit Bands zusammen, die andere Musik machen, und da will ich auch wieder hin!“ Dann dauerte es eine Zeit, bis ich mich von der ganzen Struktur, die entstanden war, abnabeln konnte. In den 80er Jahren war es dann so weit und mit dem rockigeren „Steppenwolf“ hatten wir unser erstes Nummer-eins-Album.

Ab dann passierte Folgendes: Mitte der 80er Jahre umgab ich mich mit sehr guten Freunden mit Kompetenzen in vielen Bereichen, darunter Marketing & Promo. Wir haben eine Firma gegründet, die Red Rooster heißt, ein Studio gebaut und von da an unsere Geschicke selbst bestimmt. Wir haben uns nach und nach alles selbst erarbeitet. Im Grunde genommen war die Metamorphose vorbei. In diesem Zusammenhang möchte ich aber noch etwas hinzufügen: Es ist immer so, dass man von jedem Musiker oder Künstler, dem man begegnet, irgendetwas mitnimmt, manchmal auch ohne es wirklich zu bemerken. Musiker, die beeindruckend sind, prägen einen und aus diesen vielen Hinterlassenschaften entsteht eine eigene Vision, eine eigene Ausrichtung. So haben sich die Dinge musikalisch bei mir entwickelt. Ich habe irgendwann verstanden, welche meine stilistischen Schwerpunkte sind: Rhythm & Blues und Rock ’n‘ Roll und diesen Genres bin ich und meine Band bis heute treu geblieben.

War es auch Michael Kunze, der Ihren Namen Makkay in Maffay umgewandelt hat?

Ja, Makkay ist ein ungarischer Name und mein Produzent fand ihn zu kompliziert. Er hat
vorgeschlagen, zwei /f/ an Stelle der zwei /k/ zu wählen, was ich zwar als nicht weniger kompliziert empfand, aber ich war damit einverstanden. Es war ein schneller Entschluss.

In einem Interview mit Ihren Eltern aus dem Jahr 1988 sagt Ihr Vater Wilhelm, dass er über Ihren Entschluss, Musik zu machen, nicht erfreut war, Sie aber quasi um Verzeihung gebeten hat, als die ersten Erfolge kamen. Wie empfanden Sie das?

Herzlich. Ich bin froh, dass ich ihn nicht enttäuscht habe, denn ich habe meinen Vater sehr geehrt und geliebt. Er war Ungar und hat es nicht immer einfach im Leben gehabt. Er war natürlich besorgt um mich, da so eine Künstlerlaufbahn sehr kurz sein kann. Steine hat er mir nie in den Weg gelegt. Er hatte wohl gemerkt, wie ernsthaft ich drangegangen war, hatte aber Bedenken. Die haben sich dann im Laufe der Jahre gelegt, da die Umstände es mir möglich gemacht haben, sehr lange dabei zu sein. Dasselbe galt für meine Mutter Augustine. Sie war siebenbürgisch-sächsisch. Ich war ihr einziges Kind und sie hat sich natürlich, vor allem in der Anfangsphase, Sorgen um mich gemacht.

Apropos Ihre Mutter: Im eben genannten Video des Interviews erzählt sie eine Episode aus Ihrer Schulzeit. Dadurch, dass Sie Theater gespielt hatten, bekamen Sie eine schlechte Note in Mathematik. Sie warfen das Zeugnis in den Bach, weil Sie das nämlich als ungerecht empfanden. War das schon ein Zeichen Ihres ausgeprägten Gerechtigkeitssinns?

Ja, das mag sein. Eine gewisse Renitenz habe ich mir schon bewahrt. Ich bin mit dieser Haltung gelegentlich auch an meine Grenzen gestoßen, aber ich finde es wichtig, dass man Dingen und Menschen gegenüber versuchen muss, eine bestimmte Haltung einzunehmen und die dann auch zu vertreten. Vor allem soll man den Dingen positiv gegenüberstehen. Und was meine Schulzeit anbelangt, die machte mir am Anfang schon Spaß, aber dann kam die Musik dazwischen, vor allem als wir 1963 aus Rumänien nach Deutschland rüber siedelten. Das war ein gravierender Einschnitt in meinem Leben: aus einer kommunistischen Diktatur innerhalb von zwei Flugstunden in einer Demokratie zu landen, wo alle Dinge anders sind! Die Option, mit Musik sein Leben zu verdienen, hat mich so sehr fasziniert, dass mich dann alle anderen Sachen, inklusive Schulaspekte, überhaupt nicht mehr interessiert haben.

 (C) Jennifer Tobben

Nicht nur für Ihre musikalischen Erfolge bekamen Sie viele Preise und Auszeichnungen, sondern auch für Ihr soziales Engagement. Gibt es einen Preis, auf den Sie besonders stolz sind?

Darauf antworte ich mit einer lustigen Geschichte. Also mein erster Preis, den ich bekommen habe, das war ein Gartenzwerg (lacht). Ich hatte in einem Kindertheaterstück mitgemacht. Ich finde die Assoziation immer ganz lustig. Außerdem finde ich, dass alle Preise, die ich bekommen habe, nicht nur mein Verdienst sind, sondern unser. Ich hole meistens die Preise nur ab, aber sie gelten einer Gemeinschaft von Leuten, die dafür gearbeitet haben, so z.B. diejenigen, die in unserer Stiftung für traumatisierte Kinder tätig sind. Preise sind Aufmerksamkeiten, die ich sehr schätze, aber man darf sich nicht zu sehr in sie verlieben, sonst vergisst man, die Richtung einzuhalten, die man gehen muss. Die haben schon ihren schönen Platz zu Hause bekommen, ich gehe da manchmal vorbei und verbinde auch gewisse Erinnerungen damit, aber das was gilt, ist weiter tätig zu sein. Ich bin gerade auf dem Weg nach Dietlhofen in Oberbayern, da ist eine unserer Einrichtungen. Ich bin lange nicht mehr da gewesen, weil ich in den letzten Wochen viel gereist bin. Ich bin immer gespannt, zu sehen, was sich da alles tut. Das Wohlergehen der Kinder ist unser Ziel, von mir und meinen Freunden, Mitarbeitern und Partnern, die ja freiwillig vor vielen Jahren zusammengekommen sind, um das alles zu machen. Die empfinden das auch so und da wird sich in Zukunft auch nicht viel verändern.

Der kleine Drache Tabaluga steht für Werte wie Freundschaft und Toleranz. Mit dem neuen Album zum 40. Jubiläum der beliebten Figur „Tabaluga – Die Welt ist wunderbar“ kommt noch ein weiteres Anliegen hinzu: Sein Bestes geben, um den Klimawandel aufzuhalten. Inwiefern ist der Titel des Albums eine Provokation?

Natürlich sollte es keine Provokation sein, denn die Welt ist wirklich wunderbar. Ihre Beschaffenheit, die Wunder der Natur, das Leben auf der Erde, aber leider ist der Umgang mit ihr zu hinterfragen. Wir haben ein unglaubliches Glück, in einer Demokratie zu leben, wir haben eine Welt, die schöner nicht sein kann. Aber wir Menschen respektieren sie nicht und überall entstehen neue Konflikte. Die Reibungen, um die Weltordnung neu zu bestimmen, gehen nicht ohne Verluste, ohne Leid, ohne Tragik.

In unserer Stiftung haben wir seit Anfang März vergangenen Jahres ukrainische Flüchtlinge, immer noch. Wir erleben deren Schicksal hautnah. Das Album ist politisch geworden wie kein anderes zuvor, weil es diesen Konflikt in Europa gibt, und wir an diesem Konflikt nicht vorbeikommen. Kinder auch nicht. Sie kommen mit Fragen auf uns zu, die wir manchmal nicht beantworten können. Meine kleine Tochter fragt mich: „Was ist Krieg, was passiert denn da?“, wenn ich mir Nachrichten im Fernseher anschaue. Die ersten Lebensjahre der Kinder sollten voller schöner Entdeckungen sein, stattdessen stolpern sie über solche Konfliktsituationen. Auf dem Coverbild des Albums ist die Erde abgebildet, die sich spaltet. Der Riss hat die Form des Friedenszeichens. Das symbolisiert die größte Bedrohung, der unser Planet und somit die Menschheit im Moment ausgesetzt sind. Die Figuren halten diese Kugel zusammen, damit sie nicht auseinanderbricht. Und alle kommen am Ende zu der Erkenntnis, dass wir uns gemeinsam anstrengen müssen, um eine Chance zu haben, die Kugel zu retten.

Wie würden Sie einem Kind erklären, was Meinungsfreiheit ist?

Das ist eine sehr interessante Frage. Ich versuche es mal: Die Möglichkeit, das eigene Leben selbstbestimmt zu führen, ist wahrscheinlich der größte Luxus und das größte Privileg, das man haben kann. Sein Schicksal selbst bestimmen können, ohne von anderen beeinflusst zu werden. Den Kindern das spielerisch beizubringen, ihnen Mut zuzusprechen, eine eigene Position zu beziehen und diese Position auch zu vertreten, sich dafür einzusetzen und, wenn nötig, auch dafür zu kämpfen, das ist ein langwieriger Prozess. Das kann man einem Kind nicht von einem Tag zum anderen beibringen und vor allem soll man es ihm auch vorleben.

Erwachsene sollen als Beispiel gelten, damit Kinder diese Argumentationskette, die sich ergibt, auch nachvollziehen können. Mein Vater z.B. war ein unglaublich gutes Beispiel. Meine Mutter sicherlich auch, aber in dieser Hinsicht war ich mehr vaterbezogen, weil ich mitbekommen habe, wie er sich in einem totalitären Regime, unter Lebensgefahr, durchgesetzt hat.

Nach dem Krieg waren die Minoritäten in Rumänien stark diskriminiert, vor allem wenn sie auf der Gegenseite gestanden haben. Viele wurden auch deportiert, total enteignet, gefoltert oder ermordet. Die Siebenbürger Sachsen haben ja fast ausnahmslos auf der Seite der Deutschen gestanden, nicht wissend, was da alles an Gräueltaten verübt wurden, das kam später alles raus. Rumänien war so weit weg von den ersten Entwicklungen, dass die jungen Leute rübergelaufen sind, in der Annahme, dass das in Ordnung und korrekt sei. Sie wurden dann schamlos ausgenutzt, so wie natürlich auch in Deutschland.

Als Heimkehrer, nach dem Krieg, nachdem man in der deutschen Armee gedient hatte, war es schrecklich. Mein Vater kriegte das von der Securitate, dem Geheimdienst, und weiteren Kontrollorganen richtig zu spüren, so wie die meisten Siebenbürger Sachsen eben. Eine eigene Meinung äußern zu wollen war mit hohem Risiko verbunden und war also umso eindrucksvoller. Als wir dann als Familie nach Deutschland kamen und plötzlich, ganz ohne Gefahr, zu unserer Meinung stehen konnten, z.B. bei Wahlen, war für uns wie ein Leuchtturm. Zusammenfassend: Meinungsfreiheit ist ein unglaublich hohes Gut, verbunden mit der Option der Selbstbestimmbarkeit im eigenen Leben.

Sie sprachen von Ihrer kleinen Tochter. Für sie ist Ihr Buch „Anouk, die nachts auf Reisen geht“ entstanden. Sind Sie durch Ihre pädagogischen Projekte und Interessen folglich auch zum Kinderbuchautor geworden?

Das muss man ein bisschen relativieren, wenn Sie erlauben. Ich habe zu diesem Kinderbuch so gut wie nichts beigetragen. Ich war der erste Zuhörer, aber natürlich gibt es Parallelen zu meinem Leben in der Entwicklung des Buches und der Werte, die es vermitteln will. Aber erfunden und niedergeschrieben hat Hendrikje Balsmeyer es, meine Lebensgefährtin. Hendrikje ist Lehrerin und ist akribisch vorgegangen, sei es in der Wahl ihres Teams, vor allem der Illustratorin, als auch in der Auswahl der Themen, der Gestaltung des Buches, bis hin zu anderen Details. Ich bin nur der Sideman, der gelegentlich Kommentare von sich gegeben hat. Wie viele davon im Buch Niederschlag gefunden haben, kann ich Ihnen nicht einmal sagen. Eigentlich wollten wir am Anfang nur ein Exemplar des Buches machen. Nur für den Hausgebrauch, sozusagen. Damit unsere Anouk, die abends nicht gerne ins Bett geht, sich auf die Nacht freut, weil sie dann auf Reisen geht. Wir haben im Freundeskreis daraus vorgelesen und schnell war klar, dass auch andere Kinder davon profitieren sollten. Somit haben wir es auch für andere Familien veröffentlicht.

Zurück jetzt zu Ihrer Musik und Ihrem Konzert in der Rockhal am 7. Juli: Worauf können sich Ihre Fans einstellen?

Wir werden einen Streifzug durch unser ganzes Repertoire machen, inklusive Songs aus meinem neuen Album „So weit“, und die Vergangenheit natürlich nicht ausklammern. Etliche Stücke sind zwar nicht mehr sinnvoll, noch gespielt zu werden, einige andere schon und die sind dann neu verkleidet, sprich arrangiert. Wir sind eine Rock’n‘Roll-Truppe geworden, seit langem, und lieben das natürlich auch. Wir spielen laute Musik, aber auch Balladen. Die Leute können sich auf härtere Stücke einstellen, aber nichtsdestotrotz werden wir auch unsere alten Hits herauskramen. Ich mag es, live zu spielen, der Kontakt zum Publikum ist euphorisierend. Durch Musik findet man immer Zugang zu Menschen, sogar wenn man deren Sprache nicht spricht.