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Reportage„Bloody everywhere“: Australien erlebt einen regelrechten Dinosaurier-Boom

Reportage / „Bloody everywhere“: Australien erlebt einen regelrechten Dinosaurier-Boom
Mittlerweile zieht es hunderte Paläontologen nach Australien Foto: Australian Age of Dinosaurs Museum

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Eine Reihe von Fossilienfunden hat eine abgelegene Region im australischen Outback zum Mekka für Paläontologen werden lassen. Inzwischen kehren australische Forscher aus dem Ausland zurück, um die Geschichte im eigenen Land aufzuarbeiten. Der Dinosaurier-Boom hat auch einer einsam gelegenen Kleinstadt neues Leben eingehaucht.

Wer nach einer stundenlangen Fahrt durch Australiens Outback in Winton ankommt, der wird von einem Schild begrüßt, auf dem in großen Lettern steht: „Winton – Way Out West“. Tatsächlich sind nur wenige Orte in Australien abgelegener als die Kleinstadt Winton im Westen von Queensland. 1.300 Kilometer sind es von hier bis nach Brisbane, in die Hauptstadt des Bundesstaates. Rund 15 Stunden ist man mit dem Auto unterwegs. Obwohl Winton vor über 100 Jahren sogar der Geburtsort der australischen Fluglinie Qantas war, leben inzwischen nur noch rund 1.000 Menschen dort.

Bis vor wenigen Jahren verirrten sich auch nur wenige Touristen in die einsame Region, in der das Thermometer im Sommer auf 40 Grad und mehr klettert. Doch Winton war nicht immer heiß und trocken. Dort, wo heute roter Sand und karges Buschland die Landschaft beherrschen, war in der Kreidezeit – vor rund 95 Millionen Jahren – ein riesiges Binnenmeer, umgeben von Sumpflandschaft. In dieser Landschaft tummelten sich verschiedene Dinosaurierarten, wie 1999 ans Licht kam. Denn damals stieß ein Farmer bei der Viehmusterung auf einen massiven Beinkochen, der nur einem der riesigen Reptilien gehören konnte. Trotz der Größe des Knochens muss man sich dies ein wenig so vorstellen, wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden. Denn allein aufgrund der schieren Größe Australiens und den zahlreichen abgelegenen und unwirtlichen Regionen des fünften Kontinents ist solch ein Fund ein wahrer Glückstreffer.

„Wissenslücke“ für Paläontologen

Bis ins 21. Jahrhundert hinein sei man äußerst selten auf Dinosaurierfossilien in Australien gestoßen, bestätigte Matt Hearne, Kurator am Australian Age of Dinosaurs Museum in Winton, dem Nachrichtenmedium news.com.au. Der Inselkontinent galt lange Zeit als eine Art „Wissenslücke“ für Paläontologen. Australische Paläontologen zog es deswegen für die Forschung oftmals ins Ausland. Doch inzwischen werden immer mehr Fossilien gefunden. Einige Medien sprachen bereits von einem „Dinosaurier-Boom“. Der Kurator Hearne meinte gar, Fossilien würden jetzt einfach „überall“ gefunden werden, oder – wie er dies im australischen Slang ausdrückte – „bloody everywhere“. Selbst die New York Times hat inzwischen an die Tür geklopft, um sich diesen „Boom“ näher anzuschauen – ein Besuch, der den „Run“ auf den beschaulichen Ort im Outback nur noch weiter verstärken dürfte.

Dabei war David Elliott, jener Farmer, der 1999 mit seinem Fund die Anfänge dieses Booms legte, zunächst unsicher, wie er mit dem versteinerten Riesenknochen umgehen sollte, wie er der New York Times sagte. Denn die anderen Bauern in der Umgebung reagierten eher nervös auf seine Entdeckung. Viele hatten Bedenken, dass ihr Eigentum beschlagnahmt werden könnte, wenn noch mehr Dinosaurierknochen auftauchen würden. Doch Elliott ließ sich davon nicht beirren. Er kontaktierte einen Paläontologen und es stellte sich heraus, dass der riesige Knochen der versteinerte Oberschenkelknochen eines Sauropoden war, der vor etwa 95 Millionen Jahren in Australien umherwanderte. „Wir waren in gewisser Weise ein Testfall für die Region – niemand sonst hatte sich bisher gemeldet“, sagte der 66-jährige Elliott der US-amerikanischen Zeitung.

„Ann“ hatte einen ziemlich beeindruckenden harten Kopf
„Ann“ hatte einen ziemlich beeindruckenden harten Kopf Foto: Australian Age of Dinosaurs Museum

„Cooper“ und „Ann“

Seitdem Elliott das Interesse für die kolossalen Kreaturen geweckt hat und in seinem Heimatort Winton mit dem Australian Age of Dinosaurs Museum eine Art Pilgerstätte für Hobby-Paläontologen wie auch für echte Wissenschaftler geschaffen hat, sind etliche andere spannende Fossilien aufgetaucht. Darunter ist das Skelett des bisher größten australischen Dinosauriers – Australotitan cooperensis, auch bekannt als „Southern Titan“ – der 2007 in Coopers Creek entdeckt wurde. „Cooper“, wie die Australier ihn liebevoll nennen, ist 2006 von Einheimischen auf ihrem Grundstück westlich von Eromanga entdeckt worden, das rund sieben Autostunden südlich von Winton liegt.

Erst im April wurde bekannt, dass Forscher auch auf einen Sauropodenschädel gestoßen sind. Der nahezu vollständige Schädel eines Dinosauriers mit dem Spitznamen „Ann“ wurde 2018 an der Elderslie Station in der Nähe von Winton ausgegraben. Diamantinasaurus ist ein Mitglied der Dinosauriergruppe Sauropoda, die für ihre kleinen Köpfe, langen Hälse und Schwänze, tonnenförmigen Körper und vier säulenförmige Beine bekannt ist. Die versteinerten Schädelfragmente sind 98 bis 95 Millionen Jahren alt. Ähnlichkeiten zwischen dem ausgegrabenen Schädel und einem in Südamerika lebenden Titanosaurier stützten zudem die Theorie, dass Sauropoden die Antarktis als Weg nach Australien nutzten. Zuvor war man in der gleichen Umgebung auf Sauropodenzähne und einen neuen Flugsaurier gestoßen. Die versteinerten Knochen dieses fliegenden Reptils wurden auf Viehfarmen in Boulia und Winton geborgen, die etwa 355 Kilometer voneinander entfernt liegen.

Die Knochen müssen vor dem Abtransport gesichert werden. Eine ganz schön klebrige Arbeit. 
Die Knochen müssen vor dem Abtransport gesichert werden. Eine ganz schön klebrige Arbeit.  Foto: Australian Age of Dinosaurs Museum

3.700 Dollar für die Dinosaurier-Suche

Der Dinosaurier-Boom lockt inzwischen Tausende Besucher in die Region, die sich heute einer florierenden Tourismusbranche erfreut. Inzwischen zahlen Dinosaurier-Fans und Hobby-Paläontologen bis zu 3.700 Australische Dollar pro Person (umgerechnet über 2.300 Euro), um an einwöchigen paläontologischen Ausgrabungen teilnehmen zu dürfen. Zahlreiche Urlauber stoppen in Winton, um das Australian Age of Dinosaurs Museum von Farmer Elliott zu besuchen. 2021 soll das Museum 60.000 Besucher nach Winton gelockt haben.

„Es ist absolut verrückt geworden“, sagte Kev Fawcett, der Besitzer des Winton Hotels, der New York Times. In der Wintersaison sei es jetzt so voll, dass Touristen in ihren Autos schlafen und in keinem der drei Caravan-Parks und vier Motels von Winton freie Plätze oder Zimmer zu finden seien. Inzwischen kehren sogar einige australische Paläontologen, die zuvor in andere Länder ausgewandert waren, wo mehr Dinosaurierfossilien entdeckt worden waren, zurück, um ihre Karriere in der Heimat fortzusetzen.

In den Laboren werden die Knochen intensiv untersucht
In den Laboren werden die Knochen intensiv untersucht Foto: Australian Age of Dinosaurs Museum