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Festiv’EllSongs of the Wild West: Ell feiert zweite Auflage seiner „Fête de la musique“

Festiv’Ell / Songs of the Wild West: Ell feiert zweite Auflage seiner „Fête de la musique“
Die Stimmung war den ganzen Tag über ausgezeichnet  Foto: Editpress/Claude Lenert

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Auch wenn es, rein kalendarisch gesehen, im zweiten Jahr seiner Existenz keine „Fête de la musique“ sein konnte, so dürfte das „Festiv’Ell“ dennoch in den kommenden Jahren Teil der populären, dezentral organisierten Veranstaltungen zum Tag der Musik werden. In der kleinen West-Gemeinde Ell hatte sich das „Syndicat d’initiative“ monatelang auf das Fest vorbereitet.

Es waren wohl keine tibetischen Gebetsfahnen, die da rund um das Lounge-Zelt auf dem Parkplatz neben der Kirche im Zentrum von Ell hingen, sondern aus Altkleidung im Do-it-yourself-Verfahren hergestellte Wimpel. Meditationstechnisch erfüllten sie aber einen verwandten Zweck  – das Gefühl des Loslassens auszulösen und so dabei zu helfen, den Alltagsballast abzustreifen (jüngere Zeitgenossen würden hierbei wohl vom Chill-Faktor sprechen). Ob es einem der Gäste auf dem Festiv’Ell am Samstag gelang, auf diesem Weg bis ins Nirwana vorzudringen, sei dahingestellt. Zumindest war die Absicht nicht zu verkennen, dem Publikum mit allerlei liebevoll hergestelltem Upcycling-Mobiliar – ausrangierte Kabeltrommeln und Europaletten als Konstruktionselemente – den Tag unter der Sonne so angenehm wie möglich zu machen. Wer eher traditionell unterwegs war oder etwas Abstand vom Geschiebe brauchte, konnte sich gegenüber vom „Festivalgelände“ auf der gesperrten Straße an einen der Tische „beim Margot“ setzen, der einzig verbliebenen Dorfkneipe der Gemeinde Ell. 

Die ersten vier Stunden des Nachmittagsprogramms waren den lokalen Vereinen, Musikprojekten und Jungperformern aus Ell, Redingen usw. reserviert, bis dann kurz vor 20 Uhr die Hiphopper von Freshdax um Julien Primout mit Zaza & Shmo als Guest auftraten und mit Songtexten gegen Faschismus und Rechtspopulismus aufhorchen ließen. Natürlich durften auch die bekannten Lieder „Gutt drop, besser drënner“ vom Album „Alles beim Alen, Alen“ sowie das maskulinismuskritische „Fragil Männlechkeet“ („Sou leed et mer deet, deng fragil Männlechkeet ass obsolet“) nicht fehlen.

„Fresh“ wie eh und je: Julien Primout (r.) und Jacques Rasic (l.) vom Luxemburger Hip-Hop-Duo Freshdax
„Fresh“ wie eh und je: Julien Primout (r.) und Jacques Rasic (l.) vom Luxemburger Hip-Hop-Duo Freshdax Foto: Editpress/Alex Stamerra

Mit dem siebenköpfigen Luxemburger Ensemble Le Vibe, das sich in relativ kurzer Zeit den Status einer absoluten, erstaunlich gut geölten (aber nicht routiniert wirkenden) Live-Band erspielt hat, hatte der Eller Festival-Besucher wohl an dem Abend ein Glückslos gezogen: Jung, pfiffig, ausgelassen, vermischten die Musiker (sechs Männer, eine Frau – die stoisch und cool am Keyboard den Jungs am vorderen Rand der Bühne das Interagieren mit dem Publikum überließ) in ihrer Musik Elemente des Reggae, Funk, Rap, Afrobeat und Latin Jazz – ein Saxofon, das mitunter an Gato Barbieri erinnerte, fiel auf. Auch der charmant-nonchalante Retro-Look der sympathischen Combo hatte etwas Ansteckendes. 

Entspanntes Pärchen

Stiller Headliner des Abends war aber wohl das deutsche Krach-Pop-Duo Ell (sic!) aus dem südhessischen Lindenfels. Lisa-Anna und Lennart vereinen, so ein Branchenportal, „mit weiblicher Stimme und wenigen Instrumenten die Schönheit einer Schlagbohrmaschine mit der Power einer duftenden Kirschblüte“. Brachiale Tools und filigrane Naturwunder hin oder her – das entspannte Pärchen ließ sich jedenfalls von einem technischen Defekt zu Anfang seines Sets nicht aufhalten und entwickelte in der Tat einen druckvollen Sound, der garantiert mehr war als die Summe seiner (überschaubaren) Einzelteile. 

Stimme, Bass und Power: Lisa-Anna von Ell (die nicht aus Ell stammt, aber dort spielte) 
Stimme, Bass und Power: Lisa-Anna von Ell (die nicht aus Ell stammt, aber dort spielte)  Foto: Editpress/Claude Lenert
Lennart von Ell am Schlagzeug
Lennart von Ell am Schlagzeug Foto: Editpress/Claude Lenert

Den Abschluss des Festiv’Ell machte das luxemburgische Bluesrock-Quartett um den brasilianischen Gitarristen und Sänger Fred Barreto. 

Für Rick Schlesser, Mitglied des lokalen S.I. und mit Paul Wilmes einer der beiden Moderatoren des Abends, haben sich die vielen Stunden Vorbereitung auf jeden Fall gelohnt. Es sei alles wie geplant abgelaufen, verriet er uns anderntags. Wenn das Festiv’Ell im nächsten Jahr wieder zum Zeitpunkt der „Fête de la musique“ stattfindet und nicht, wie in diesem Jahr aus Gründen des lokalen Veranstaltungskalenders zeitversetzt, braucht man wohl nicht mehr viel am Konzept zu ändern. Der Platz im Zentrum ist klein, größer wird er nicht werden – auch wenn die Straßensperrung etwas Raumpotenzial bereithält, das in diesem Jahr noch nicht vollständig ausgeschöpft wurde. Die „Fête de la musique“ in Ell wird auf jeden Fall eine „Fête du village“ bleiben, so Schlesser.