Die Neuwahl war notwendig geworden, weil sich die Parteien nach dem Wahlgang vor fünf Wochen nicht auf eine Koalition einigen wollten. Die letzten Tage des Wahlkampfs wurden vom Untergang eines mit Hunderten Menschen besetzten Flüchtlingsboots vor der griechischen Küste geprägt.
Aus der Abstimmung am 21. Mai war Mitsotakis’ Partei Nea Dimokratia (ND) mit 40,8 Prozent der Stimmen als klare Siegerin hervorgegangen. Sie lag 20 Prozentpunkte vor der größten Oppositionspartei, der linken Syriza des ehemaligen Regierungschefs Alexis Tsipras. Mit 146 der 300 Sitze im Parlament verfehlte die ND jedoch die absolute Mehrheit, die sie für die angestrebte Alleinregierung gebraucht hätte.
Die vier anderen gewählten Parteien – neben Syriza die sozialdemokratische Pasok, die Kommunisten und die rechtspopulistische Elliniki Lysi – wollten ebenfalls keine Koalition eingehen. Deshalb wurde eine Übergangsregierung ernannt und der Wahltermin für den 25. Juni angesetzt.
Mitsotakis will nicht nur Regierungschef sein, er will ein Souverän sein
Der 55-jährige Mitsotakis setzt darauf, diesmal eine absolute Mehrheit zu erhalten, denn für die Abstimmung am Sonntag gilt eine neue Wahlregelung, die der stärksten Partei einen Bonus von bis zu 50 Sitzen gewährt. Die meisten Umfragen sagen einen komfortablen Sieg der Konservativen voraus mit einer Zustimmung von zuletzt zwischen 40 und 45 Prozent. Syriza kann demnach mit einem Anteil von 16,8 bis 20 Prozent rechnen.
Neben den fünf Parteien, die am 21. Mai gewählt wurden, könnten den Meinungsforschern zufolge nun zwei weitere Parteien ins Parlament einziehen: die linksnationalistische Partei Plefsi Eleftherias („Kurs der Freiheit“) und die fremdenfeindliche Gruppierung Niki. Trotz verheerender Waldbrände und Hitzewellen im vergangenen Jahr spielte die Klimakrise im Wahlkampf kaum eine Rolle und das Umweltbündnis Grün-Lila scheint wenig Aussichten zu haben, die Drei-Prozent-Hürde zu überspringen.
Warnung vor „Blankoscheck“
Ob die ND die absolute Mehrheit gewinnt, hängt nicht nur von ihrem Ergebnis, sondern auch von der Anzahl der im Parlament vertretenen Parteien ab. „Wenn die ND zum Beispiel 39 Prozent der Stimmen erhält und es sieben Parteien im Parlament gibt, wird die Rechte kaum die absolute Mehrheit erreichen“, sagt Pinelopi Fountedaki, Professorin für Verfassungsrecht an der Panteion-Universität in Athen. Sollte die Regierungsbildung erneut scheitern, könnte das Mandat der Übergangsregierung verlängert und eine dritte Wahl, voraussichtlich mitten in der touristischen Hochsaison, nötig werden.
Mitsotakis appellierte diese Woche in Thessaloniki, wo die Rechtspopulisten sehr stark sind, an die Griechen, nicht für extreme Parteien zu stimmen. „Viele extreme Stimmen im Parlament bedeuten nicht unbedingt Pluralität, sondern vielleicht das Gegenteil, nämlich demokratische Kakophonie“, sagte er.
Oppositionsführer Tsipras, der bereits vier Wahlgänge gegen Mitsotakis verloren hat, warnte seinerseits vor einer absoluten Mehrheit für die Konservativen. Dies käme einem „Blankoscheck“ für eine „versteckte Agenda“ antisozialer Politik gleich. „Mitsotakis will nicht nur Regierungschef sein, er will ein Souverän sein“, sagte Tsipras im griechischen Fernsehen.
Mitsotakis stammt aus einer der politisch einflussreichsten Familien Griechenlands. Der 55 Jahre alte Harvard-Absolvent verspricht weitere Steuersenkungen, höhere Löhne und ein besseres öffentliches Gesundheitswesen. (AFP)
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