Headlines

Ukraine-KriegSelenskyj: Gegenoffensive kommt „langsamer als gewünscht“ voran

Ukraine-Krieg / Selenskyj: Gegenoffensive kommt „langsamer als gewünscht“ voran
Ukrainische Marinesoldaten gönnen sich im jüngst zurückeroberten Dorf Storozheve in der Region Donezk eine Pause Foto: Genya Savilov/AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Schwierigkeiten bei der Gegenoffensive gegen die russischen Invasionstruppen eingeräumt. Die Fortschritte auf dem Schlachtfeld seien „langsamer als gewünscht“, sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten BBC-Interview.

„Einige Leute meinen, dies sei ein Hollywood-Film und erwarten jetzt Ergebnisse. Das ist es aber nicht“, sagte Selenskyj. Der militärische Vorstoß sei nicht einfach, da 200.000 Quadratkilometer ukrainisches Territorium von den russischen Streitkräften vermint worden seien. Die ukrainischen Streitkräfte setzten laut Regierungsangaben ihre Gegenoffensive mit Angriffen auf russische Stellungen im Süden fort. In anderen Frontabschnitten hätten sie jüngste Geländegewinne gesichert, teilte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar mit. Im Osten würden die Truppen einem russischen Großangriff standhalten.

Russland meldete erneut einen ukrainischen Drohnenangriff in der Nähe von Moskau. Die Luftabwehr habe alle drei Drohnen abgefangen, die sich Militärdepots genähert hätten. Es habe keine Opfer oder Schäden gegeben.

Selenskyj sagte, die Ukraine werde sich bei ihrer Gegenoffensive nicht unter Druck setzen lassen. „Bei allem Respekt, wir werden auf dem Schlachtfeld so vorrücken, wie wir es für richtig halten.“ Vize-Verteidigungsministerin Maljar erklärte über den Kurznachrichtendienst Telegram, die ukrainischen Streitkräfte setzten ihre Offensiveinsätze in Richtung der Stadt Melitopol tief im besetzten Gebiet im Süden und in Richtung Berdjansk am Asowschen Meer fort. Sie sprach von schweren Kämpfen im Osten, insbesondere in der Nähe der Stadt Lyman, die ukrainische Truppen im Oktober von den russischen Streitkräften zurückerobert hatten. „Im Osten halten die Verteidiger weiterhin einen großangelegten Angriff der russischen Streitkräfte in Richtung Lyman und Bachmut zurück“, so Maljar. Der Osten bleibe der Schwerpunkt der russischen Angriffe. Russland versuche dort weiterhin, die Regionen Donezk und Luhansk vollständig zu erobern. Donezk und Luhansk bilden die Industrieregion Donbass.

Schwere Verluste auf beiden Seiten

Die Ukraine hatte nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Wochen acht Dörfer im Süden zurückerobert. Die Vorstöße in die stark befestigten und verminten Gebiete unter russischer Kontrolle sind zwar klein, aber die größten seit November. Die Führung in Kiew hat seit Monaten eine Gegenoffensive vorbereitet, von der sie sich einen Wendepunkt in dem Krieg erhofft. Sie hat allerdings eine Nachrichtensperre verhängt, und unabhängige Berichte sind rar. Experten zufolge steht der Einsatz des Großteils der ukrainischen Streitkräfte noch aus, von denen ein Teil vom Westen ausgebildet und ausgerüstet wurde. Daher sei es zu früh, um Schlüsse über den Erfolg der Offensive zu ziehen. Auf beiden Seiten soll es aber schwere Verluste geben. Reuters-Reporter, die vorige Woche in zwei zurückeroberte Dörfer kamen, sahen die Leichen toter russischer Soldaten auf dem Boden sowie ausgebrannte Panzerfahrzeuge.

Die UNO hat die bevorstehende Minenräumung in der Ukraine mit der Räumung von Sprengstoffen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg verglichen. „Womit wir in der Ukraine konfrontiert sind, gleicht dem, womit Europa am Ende des Zweiten Weltkriegs konfrontiert war“, sagte der Leiter des UN-Programms für Minenräumung, Paul Heslop, am Mittwoch in Genf. Heslop verwies darauf, dass Europa 15 Jahre gebraucht habe, um das Problem zu lösen.

Minen räumen senkt Lebensmittelpreise

Um die Landminen zu räumen, die die ukrainische Wirtschaft am meisten bremsen, veranschlagte Heslop für die kommenden fünf Jahre bis zu 300 Millionen Dollar (275 Millionen Euro) pro Jahr an Kosten. Die UNO will Kiew bei der Bewältigung dieser Aufgabe helfen. „Was wir in den kommenden drei bis fünf Jahren tun können, ist, uns mit den 75 bis 80 Prozent des Problems zu befassen, das die wirtschaftliche Notlage verursacht“, sagte der Minenexperte. Die restlichen Minen sollen zu einem späteren Zeitpunkt geräumt werden.

Heslop rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, bei der Finanzierung der Minenräumung zu helfen. Die Ukraine könne so „ihren Platz als landwirtschaftliches Zentrum wieder einnehmen“ und die „Lebensmittelpreise für alle senken“. Bisher wurden rund 35 Millionen Dollar für die Minenräumung zusammengetragen.