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Vor den WahlenOGBL stellt Forderungskatalog vor

Vor den Wahlen / OGBL stellt Forderungskatalog vor
Präsidentin Nora Back, hier zwischen Jean-Luc De Matteis und Frédéric Krier, vom geschäftsführenden Vorstand des OGBL Foto: Editpress/Julien Garroy

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Der OGBL hat einen umfassenden Forderungskatalog an die einzelnen Parteien und an die künftige Regierung in Bezug auf die Parlamentswahlen vom 8. Oktober vorgestellt. Dieser betrifft fast alle großen Bereiche der Politik. Für manche politischen Akteure dürfte er nicht besonders leicht zu goutieren sein.

Luxemburg steuert schnurstracks auf die nächsten Wahlen zu. Nachdem am Vortag CSV-Spitzenkandidat Luc Frieden die zehn Prioritäten seiner Partei für den Wahlkampf vorgestellt und die LSAP im Bezirk Osten über ihre Kandidatenliste abgestimmt hatte, wartete der OGBL gestern mit einer Reihe von Forderungen auf, die er an die künftige Regierung stellt. Die größte Gewerkschaft ist damit einer der ersten Akteure aus dem Bereich der Zivilgesellschaft, der seine Wunschliste für die Zeit nach den Wahlen am 8. Oktober präsentiert (gestern ging auch der „Lëtzebuerger Flüchtlingsrot“ mit seinem Forderungskatalog an die Öffentlichkeit). „Wir erwarten eine moderne, fortschrittliche und sozial gerechte Politik“, sagte Nora Back am Hauptsitz der Gewerkschaft in Esch. Die OGBL-Präsidentin trug die einzelnen Punkte des Forderungskatalogs vor, der an die Parteien geschickt wird. Das Plagiat sei diesmal ausnahmsweise dringend empfohlen, so Back. Ins Detail ging sie dabei nicht so sehr, denn die Liste ist lang. Der OGBL will noch die Wahlprogramme der einzelnen Parteien abwarten.

Im Koalitionsabkommen von 2018 hatte die Regierung angekündigt, wichtige Reformen im Bereich der Beschäftigungspolitik und der Entwicklung der Kompetenzen vorzunehmen und das Arbeitsrecht zu modernisieren, „um die Herausforderungen von morgen zu meistern“. Diese Übereinkunft des Dreierbündnisses sah außerdem vor, dass diese Reformen im Rahmen eines Sozialdialogs diskutiert werden müssten. Doch den Ankündigungen folgten keine Taten. Sehr wenige angekündigte Reformen seien umgesetzt worden, bedauern die Gewerkschafter. Für sie ist die versprochene Reform des Kollektivvertragsgesetzes mit am wichtigsten. Doch bis heute ist sie noch nicht verwirklicht. Zu den weiteren Forderungen des OGBL gehören eine Reform der Pläne zur Arbeitsplatzerhaltung und der Sozialpläne, eine strukturelle Erhöhung des sozialen Mindestlohns, eine Reduzierung der Arbeitszeit, ein Recht auf Teilzeitarbeit, eine Verstärkung der Arbeitnehmerrechte im Insolvenzfall, eine Reglementierung der sogenannten Plattformarbeit sowie eine Anpassung der Bestimmungen zum Arbeitsschutz.

Neues Arbeitsgesetz!

„Wir brauchen ein neues Arbeitsgesetz, das an die neuen Formen der Arbeit angepasst ist“, so Nora Back. Zu den neuen Herausforderungen zählen die oftmals zitierten Probleme, die mit der Künstlichen Intelligenz (KI) verbunden sind – der zunehmende Einsatz von KI-Systemen beeinflusst die Arbeitswelt drastisch –, ebenso die sogenannte Gig-Ökonomie. Damit sind die EU-weit mehr als 28 Millionen Menschen gemeint, die im Bereich der Plattformarbeit tätig sind, bei der Organisationen oder Einzelpersonen über eine Online-Plattform mit anderen Organisationen oder Einzelpersonen in Kontakt treten, um gegen Bezahlung spezifische Dienstleistungen zu erbringen. In der Europäischen Union gibt es etwa 500 digitale Arbeitsplattformen. Deren Einnahmen sind in den Jahren von 2016 bis 2020 um fast das Fünffache von rund drei Milliarden auf 14 Milliarden Euro gestiegen – vor allem in den Bereichen Zustellung und Taxidienstleistungen. Die EU will die Arbeitsbedingungen und sozialen Rechte in diesem Bereich verbessern. Als ein Schlüsselelement bezeichnet die Gewerkschaftschefin die berufliche Weiterbildung.

Ein ums andere Mal war in den vergangenen Monaten auf die sozialen Ungleichheiten und die wachsende Armut im Land aufmerksam gemacht worden, nicht zuletzt in dem im April veröffentlichten Sozialpanorama der „Chambre des Salariés“ (CSL). Demnach ist jeder fünfte Einwohner Luxemburgs einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt, besonders betroffen sind Alleinerziehende, Mieter und Teilzeitbeschäftigte. Besonders monoparentale Haushalte sind auch von der Steuerklasse 1a tangiert. Der OGBL verlangt nicht zuletzt mehr Gerechtigkeit im Steuersystem. Das heißt, so Nora Back, „weniger Besteuerung bei unteren Löhnen und mehr bei den oberen“. Hohes Vermögen müsse konsequent besteuert werden. Also die entgegengesetzte Variante von dem, was Luc Frieden am Vortag aus der Prioritätenliste der CSV genannt hat: „weniger Steuern für alle“. Zur sozialen Realität und eben auch zu den Hauptsorgenkindern gehört ebenfalls Luxemburgs hoher Anteil an Working Poor, der höchste in der Eurozone, worauf die OGBL-Präsidentin hinwies. Ein weiterer Punkt, auf den sie kurz einging, ist die im internationalen Vergleich zwar niedrige Arbeitslosigkeit (die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit lag im Mai bei 5,0 Prozent), allerdings bleibe besonders die hohe Langzeitarbeitslosigkeit weiter ein Problem.

Nora Back wünscht sich einen besseren Sozialdialog, sieht aber beim Index auch eine „rote Linie“
Nora Back wünscht sich einen besseren Sozialdialog, sieht aber beim Index auch eine „rote Linie“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Der Indexmechanismus ist und bleibt nach wie vor „eine rote Linie“ für den OGBL, betont dessen Präsidentin. Dieses Instrument erlaube es, die Kaufkraft der Arbeitnehmer und Pensionäre zu sichern, während die Preise steigen. Es sei ein Eckpfeiler der Lohnpolitik und einer der Garanten des sozialen Friedens im Land sowie der ökonomischen Entwicklung Luxemburgs. Der Index dürfe weder manipuliert noch verschoben, weder modifiziert noch gedeckelt werden. Der OGBL fordert daher alle politischen Parteien auf, sich in ihren Wahlprogrammen ausdrücklich für den Beibehalt des Indexes und gegen eine etwaige Manipulation desselben auszusprechen.

Rentenklau statt Rentenmauer

Ein weiterer Punkt, den Nora Back ansprach, war die Sozialversicherung. An dem System, das sicher auch verbesserungswürdig sei, gelte es festzuhalten. Auch dazu hat der OGBL eine Liste von Forderungen aufgeführt. Was das Pensionssystem betrifft, werde immer wieder vor einer herannahenden „Rentenmauer“ gewarnt. Die OGBL-Chefin weist allerdings auf die „noch großen Reserven von 24 Milliarden Euro“ hin. Kürzlich hat die Arbeitnehmerkammer vorgerechnet, wie viel die Pensionäre durch die Rentenreform 2012 verloren haben: 314.000 Euro pro Person. Das nennt man dann Rentenklau.

Das Thema Wohnungsbau bringt die OGBL-Präsidentin mit einem Begriff auf den Nenner: Der Notstand im Logement bestehe weiter, die Lage drohe sich sogar zu verschlimmern. Während der Zugang zu Wohneigentum immer schwieriger werde, stiegen die Mieten in „schwindelerregende“ Höhen. Die vergangenen Regierungen seien auf der Suche nach Lösungen allesamt gescheitert. Der OGBL fordert daher unter anderem eine wirkliche Deckelung der Mieten, indem den gestiegenen Lebenshaltungskosten Rechnung getragen wird; ein wirklicher Kampf gegen die Spekulation, indem eine progressive Grundsteuer eingeführt wird; und die Schaffung von 30.000 Wohnungen zum erschwinglichen Preis.

Transversale Themen

Zurück zum Thema Ungleichheit: Das hiesige Schulsystem schaffe diese nicht etwa aus der Welt, sondern fördere sie sogar. Daher gelte es unter anderem die öffentliche Schule zu verteidigen, welche die Schüler aufnimmt, ohne sie entsprechend ihres sozialen Status, ihrer kulturellen Herkunft oder des Glaubens oder der Überzeugungen ihrer Eltern zu separieren. Außerdem sollte die aktuelle Tendenz, welche die Schulen in Konkurrenz zueinander setzt und so Parallelsysteme schafft, konterkariert werden.

Dass Forderungskataloge wie dieser des OGBL allumfassend sind und fast alle gesellschaftlichen Aspekte betreffen, zeigt sich auch darin, dass ein Thema wie der Klimawandel keinen Extrapunkt bildet, sondern dass es sich um ein transversales Kapitel handelt: Der Klimaschutz betrifft jeden Bereich. So wie eine moderne Gewerkschaft alle Aspekte der modernen Gesellschaft – so auch den der Gleichheit zwischen Frauen und Männern, auch ein transversales Thema – und nicht nur den der Arbeitswelt aufgreift. Darum gelte es, so Nora Back, die Gewerkschaftsrechte und den Sozialdialog zu stärken.