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MontenegroPolitische Dauerkrise dürfte sich nach Parlamentswahl fortsetzen

Montenegro / Politische Dauerkrise dürfte sich nach Parlamentswahl fortsetzen
Dem Wahlsieger Milojko Spajic (Mitte) stehen in Podgorica schwere Koalitionsverhandlungen bevor Foto: Savo Prelevic/AFP

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Montenegros erste Parlamentswahl nach dem Ende der Ära von Ex-Dauerregent Milo Djukanovic hat dem bürgerlichen Parteineuling PES den erwarteten Sieg, aber keine klare Mehrheit beschert. In Podgorica wird ein mühsamer Koalitionspoker erwartet: Die Fortsetzung der Dauerkrise zeichnet sich ab.

Weder hupende Autokolonnen noch ausgelassene Siegesfeiern störten die Ruhe in Montenegros ungewohnt stiller Wahlnacht. Nur die Helfer des mit 25,6 Prozent der Stimmen siegreichen Parteineulings „Europa Jetzt“ (PES) fackelten vor dessen Wahlstab in Podgorica pflichtschuldig ein kurzes Feuerwerk ab. „Niemals ruhigere und weniger Wähler“, vermeldete zu Wochenbeginn das Webportal der Zeitung Vijesti.

Tatsächlich schien der bei der Präsidentschaftswahl im April abgewählte Ex-Dauerregent Milo Djukanovic beim ersten Urnengang nach seiner Ära sowohl seinen Gegnern als auch Anhängern als Wahlmotivator zu fehlen: Die Beteiligung beim vierten Urnengang in neun Monaten sackte mit 56,4 Prozent (2020: 75,8 Prozent) auf ein neues Rekordtief.

Ermattete Wähler, ratlose Sieger. Die bürgerliche PES von Ex-Finanzminister Milojko Spajic fuhr nach ihrem Erfolg bei der von dem stellvertretenden Parteichef Jakov Milatovic gewonnenen Präsidentenkür zwar den erwarteten Wahlsieg ein. Doch obwohl die PES die von 35,1 auf 23,2 Prozent geschrumpfte DPS von Ex-Präsident Djukanovic auf den zweiten Platz verdrängen konnte, sind klare Mehrheiten nicht in Sicht. Im Adriastaat wird ein mühsamer Koalitionspoker erwartet: Die Fortsetzung der Dauerkrise zeichnet sich ab.

Eine große Koalition mit der wegen unzähliger Korruptionsskandale diskreditierten DPS schloss PES-Chef Spajic in der Wahlnacht erneut aus. Der logische Partner für eine pro-europäische Reformkoalition wäre neben den kleineren Minderheitenparteien eigentlich das liberale Bündnis der Demokraten (DCG) mit der URA, das auf 12,5 Prozent der Stimmen kam. Doch im Wahlkampffinale hat sich ES-Chef Spajic mit dem geschäftsführenden Premier und URA-Chef Dritan Abazovic kräftig verkracht. Der Grund: Noch-Premier Abazovic hatte seinen mutmaßlichen Nachfolger Spajic öffentlich in die Nähe des verhafteten, mutmaßlichen Kriptobetrügers Hyeong Do Kwon gebracht.

Den Verdacht, von dem koreanischen Finanzjongleur gesponsert zu sein, wies der entrüstete PES-Chef im Stimmenstreit zwar entschieden zurück. Doch möglicherweise hatte der Medienwirbel um den Skandal manche seiner potenziellen Wähler vor dem Gang zu den Wahlkabinen abgeschreckt.

Regierung mit serbischen Nationalisten?

Er schließe jede Koalition mit der URA aus, bekräftigte der angesäuerte Spajic in der Wahlnacht. Das DCG-URA-Bündnis sei das „Hauptrückgrat“ der künftigen Koalition, zeigte sich hingegen URA-Chef Abazovic überzeugt: „Wir sehen keine stabile Regierung, an der wir nicht beteiligt sind.“

Tatsächlich scheint es eher unwahrscheinlich, dass die Demokraten sich für eine Regierungsbeteiligung von ihrem Bündnispartner URA trennen könnten. Beharrt Spajic aber auf einer Koalition ohne die URA und ohne die DPS, käme als möglicher Partner nur das proserbische Parteienbündnis „Für die Zukunft Montenegros“ (ZBCG) infrage, das über die Hälfte seines Anhangs verlor und nur noch auf 15,1 Prozent der Stimmen kam.

Doch ein Regierungseintritt der serbischen Nationalisten dürfte den Westen nachhaltig verstimmen: Wegen der Ablehnung der Russland-Sanktionen und der Forderung nach einem Rückzug der Anerkennung des Kosovo stößt das Belgrad-hörige Nachfolgebündnis der zerfallenen Demokratischen Front (DF) bei den EU- und NATO-Partnern auf tiefe Skepsis.

Wer auch immer regieren wird: Auf ein baldiges Ende der politischen Dauerturbulenzen können die krisenerprobten Bewohner im Küstenstaat kaum hoffen. Das Wahlergebnis gebe zwar ein „gutes Bild der derzeitigen Lage in Montenegro“, doch eine stabile Regierung sei nicht zu erwarten, so der Analyst Milos Besic: Er rechnet spätestens in zwei Jahren mit erneuten Neuwahlen.