Fake News sind erstens nicht immer einfach als solche zu durchschauen; zweitens eignet sich diese Form der Falschmeldung, die mit manipulativer Absicht verbreitet wird, besonders gut, um gezielt schwierige politische und gesellschaftliche Debatten zu befeuern, Fronten zu verhärten und Politiker sowie Institutionen zu diffamieren. In den sozialen Medien gesellt sich die Gefahr der Filterblase dazu: Nutzer*innen, denen durch die Filterblase fast ausschließlich die gleichen Themen und Meinungen aufgezeigt werden, laufen Gefahr, bei kontroversen, kritischen Themen oder für die Gesellschaft und Politik herausfordernden Themen viele Fake News zu erhalten und sich so im schlimmsten Fall in eine sich selbst bestätigende Alternativrealität abzurutschen. Dieser ungesunde Cocktail kann dazu führen, dass „Lügen und Falschinformationen über politische Akteure oder Institutionen die Vertrauensbasis der Demokratie untergraben und eine Polarisierung der Gesellschaft sowie eine Stärkung von Freund-Feind-Schema entsteht“.1)
Der Begriff „Fake News“ an sich erlangte vor allem mit Donald Trump an großer Bekanntheit. Zum einen, weil er selbst, sowohl während seines Wahlkampfs als auch in seiner gesamten Amtszeit als US-Präsident bestimmte Medien als Fake News verunglimpfte. Zum anderen aber, weil er selbst scharenweise Fake News während seiner Amtszeit verbreitete. So zog die Washington Post im Jahr 2021 die Bilanz, dass Trump 30.573 falsche oder irreführende Aussagen binnen vier Jahren in die Welt setzte.2)
Doch auch etablierte luxemburgische Politiker der demokratischen Mitte, wie beispielsweise die Bürgermeisterin der Hauptstadt Luxemburgs, unterstellen, aus Wut oder Entrüstung, der Presse öfters leichtfertig Fake News3). Dies stellt eine besorgniserregende Entwicklung dar und könnte dazu führen, dass die missbräuchliche Verwendung des Begriffes Fake News salonfähig wird und das Misstrauen in die Presse verstärkt wird. Das allgemeine Vertrauen in die Presse und damit auch in die Demokratie kann so nachhaltig geschadet werden.
Doch gerade in Zeiten von Informationsüberflutung, den allgegenwärtigen sozialen Medien, Falschmeldungen und ungeprüften Fakten muss das Vertrauen in die Presse gestärkt werden. Die Freiheit des Internets und der grenzenlose Zugang zu Informationen bieten viele Vorteile, doch sich zwischen der Masse an Informationen, zwischen Fake News und geprüften Fakten zurechtzufinden wird immer schwieriger. Die bisherige politische Reaktion auf diese Gefahren ist es, die großen sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. zu zwingen, die auf ihren Plattformen verbreiteten Inhalte selbst zu regulieren – mit mäßigem Erfolg.
Was sind „die Medien“?
Im schlimmsten Fall kann diese „Selbstregulierung“ sogar eine Gefahr für die demokratischen Prinzipien darstellen, wenn Einzelpersonen wie Elon Musk oder multinationale Konzerne selbst entscheiden können, verschiedene Personen zu „canceln“. Die Entscheidung, Personen zu „canceln“, sie also nicht mehr in verschiedenen sozialen Medien „stattfinden“ zu lassen und ihnen damit ein wichtiges Sprachrohr zu entziehen, scheint auf den ersten Blick bei manchen Personen durchaus die richtige Entscheidung zu sein. Diese Macht sollte jedoch niemals einem einzelnen multinationalen Unternehmen, und schon gar nicht einer einzigen Person, obliegen, sondern nach demokratischen Regeln beschlossen werden und von demokratischen Organen überprüft werden.
Wenn die Meinungsbildung zukünftig nicht exklusiv den sozialen Medien überlassen werden soll und der Zugang zu faktenbasierten Informationen gesichert werden soll, muss die Politik dafür sorgen, dass es eine Alternative gibt, die Bestand hat. Doch hierfür braucht man das Rad nicht neu zu erfinden, da die Medien diese Aufgabe bereits seit dem 18. Jahrhundert erfüllen. Doch die Medien sind durch die Digitalisierung selbst mit großen Veränderungen konfrontiert. Ihren Status in der Gesellschaft und ihre Arbeit haben sich verändert. Um diese Veränderungen und vor allem ihre Folgen zu verstehen, muss man sich zunächst fragen: Was sind „die Medien“?
Eine passende Bezeichnung für „die Medien“ ist die der vierten Gewalt. „Vierte Gewalt“ bedeutet hierbei, dass es neben der klassischen Gewaltentrennung von Exekutive, Legislative und Judikative, also der Fundamente des Rechtsstaats, die durch die Verfassung gesichert sind, eine weitere, vierte Säule gibt. Diese Bezeichnung ist heutzutage weit verbreitet und wird nicht nur von den Medien selbst, sondern auch von der Zivilgesellschaft und vor allem der Politik gerne genutzt. Außerdem wird der Begriff der vierten Gewalt in den meisten Fällen in einem durchaus positiven und respektvollen Zusammenhang genutzt.
Der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel betitelte erst im Januar dieses Jahres die Presse, auf dem zu ihren Ehren gegebenen Neujahrsempfang, immer wieder als vierte Gewalt. Er nutzte diese Bezeichnung sowohl im Zusammenhang der Attacken gegen die Presse, die er scharf verurteilte, als auch um hervorzuheben, welch besonders wichtige Aufgabe die Presse in ihrer Kontrollfunktion hatte, als die Regierung 2020 den Notstand ausrufen musste und die erste Gewalt zeitweise „außer Kraft“ gesetzt wurde. Wenngleich das Benutzen dieses „Titels“ heute als Beweis einer positiven Einstellung gegenüber der Presse vernommen werden kann und somit neuer, progressiver und vor allem anerkennender Natur ist, so ist dessen Ursprung keineswegs positiv.
Digitaler Wandel
Zum ersten Mal wurde das Konzept einer vierten Gewalt vom britischen Politiker und Schriftsteller Edmund Burke 1790 erwähnt, um die Französische Revolution zu verurteilen. 1840 nahm sich Balzac des Konzeptes von Burke an, um seinen Unmut über die Presse in einem Artikel in der „Revue parisienne“ kundzutun.4) In diesem Artikel erklärte er seine Sicht auf die Presse folgendermaßen: „Wenn es die Presse nicht gäbe, müsste man sie nicht erfinden … Die Presse ist in Frankreich eine vierte Gewalt im Staat: Sie greift alles an, und niemand greift sie an. Sie beschuldigt zu Unrecht. Sie behauptet, dass die Politiker und literarischen Männer ihr gehören und will nicht, dass es eine Gegenseitigkeit gibt.“5) 15 Jahre später, im Jahr 1855, wurde das Konzept der Presse als vierte Gewalt zum ersten Mal vom Times-Redakteur Henry Reeve in einem positiven Zusammenhang erwähnt, da er die Meinung vertrat, dass die Presse die Gesellschaft demokratischer mache. Zu einer Zeit, in der es das allgemeine Wahlrecht noch nicht gab und demnach nicht alle Bürger*innen durch das Parlament vertreten waren, gab die Presse seiner Meinung nach allen Bürger*innen den Zugang zu Informationen, dies wiederum führte zu mehr Transparenz der politischen Entscheidungen und machte die öffentlichen Debatten in der Gesellschaft möglich.6)
Dass sich der Begriff der vierten Gewalt durchgesetzt hat, ist Beweis dafür, dass die Medien der Aufgabe als Kontroll- und Informationsorgan gegenüber den anderen drei Gewalten gerecht wurden. Da die Hauptaufgaben der vierten Gewalt, die Menschen darüber zu informieren, was in der Welt passiert, ihre Kontrollfunktion und ihre Stimme im politischen Diskurs jedoch auch in den sozialen Medien stattfinden, wird die Stellung der vierten Gewalt in Frage gestellt. Der digitale Wandel zwingt die vierte Gewalt, sich zu verändern und anzupassen.
Diese Anpassung erfolgte unterschiedlich und gelang einigen Medienhäusern besser als anderen. Das generelle Problem allerdings bleibt weiterhin bestehen. Denn die Veränderungen aufgrund der zunehmenden Bedeutsamkeit des Internets waren oft nur verzweifelte Reaktionen oder Rettungsversuche auf jene Entwicklung und führten nicht unbedingt zur wahrhaften Stärkung der vierten Gewalt.
Die teilweise nötigen Anpassungen und die zunehmend dominante Stellung der sozialen Medien haben Spuren bei den traditionellen Medien hinterlassen. Seit geraumer Zeit benutzen auch einflussreiche Personen des öffentlichen Lebens – wie schon erwähnt – den Begriff der „Fake News“ missbräuchlich, mit dem Ziel, nicht nur einzelne Berichterstattungen, sondern die gesamte Institution der Presse und ihre gesellschaftliche Stellung zu destabilisieren. Dieses gezielt manipulative Vorgehen kann in Zeiten von Krisen und gesellschaftsspaltenden Debatten manche Menschen dazu bringen, ihr Vertrauen in die Presse zu überdenken, oder dieses sogar zu mindern. Die Tatsache, dass einige Menschen das Vertrauen in die Presse verlieren, ist jedoch nicht das einzige Problem der Presse.
Ein weiteres, sehr ernst zu nehmendes Problem betrifft die wichtigste Garantie für die Arbeit der Presse und ist eine der Grundlagen einer Demokratie: die Pressefreiheit! Wenngleich Europa weiterhin, laut Rangliste der Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“, die meiste Freiheit für journalistische Arbeit bietet, so hat sich die allgemeine Lage der Pressefreiheit in den vergangenen Jahren trotzdem zunehmend verschlechtert.7)
Informationszugang
Luxemburg belegt Platz 21 in der Rangliste zur Medienfreiheit, die „Reporter ohne Grenzen“ alljährlich herausgibt. Der „befriedigende“ 21. Platz ist das Resultat einiger positiver Aspekte, wie beispielsweise des Medienpluralismus, geprägt durch die Mehrsprachigkeit der Medienlandschaft, und der staatlichen Beihilfen in Millionenhöhe. Luft nach oben gibt es wiederum allemal: „Problematisch sind die zögerliche Herausgabe von Informationen durch Gerichte und Ministerien sowie die Tatsache, dass die Interessen der Medien und die von Wirtschaft und Politik in dem kleinen Land häufig aufeinanderprallen.“8)
Diesen teilweise problematischen Zugang zu Informationen stellen nicht nur die Reporter ohne Grenzen fest, sondern er wird bereits seit Jahren vom Luxemburger Journalistenverband beklagt. Der Verband kämpft schon lange „für ein Informationszugangsgesetz, damit Journalisten und Journalistinnen bei Anfragen an ein Ministerium auch eine Antwort erhalten“.9) Doch obwohl dieser Informationszugang kein „Nice to have“10) ist, haben die politischen Verantwortlichen recht dürftig auf diesen Mangel reagiert. Statt eines Gesetzes, welches die Pressefreiheit und damit die Kontrollfunktion der Presse hätte aufwerten können, gibt es nun die „Circulaire Bettel 2.0“. Diese Verfügung sieht vor, dass die Ministerien der Presse auf ihre Anfrage binnen 24 Stunden eine Eingangsbestätigung zulassen kommen müssen, die tatsächliche Antwort auf die Presseanfrage hingegen kann länger auf sich warten lassen. Dieser Umgang mit der Presse hindert diese nicht nur daran, ihrer Arbeit effektiv nachzugehen, sondern könnte auch dazu beitragen, dass die Ansicht seitens der Ministerien und Politik entsteht, dass es in Ordnung sei, die Presse als „Serviceprovider“ zu nutzen, um nur noch Informationen nach außen zu tragen, wann und wie sie es für nötig halten. Doch genau diese Evolution wäre der Anfang vom Ende und würde schlussendlich auch der Regierung selbst schaden. Die Kontrollfunktion der Presse, die nur mit kritischer und transparenter Berichterstattung möglich ist, ist wichtiger Bestandteil jeder Demokratie und kann nur mit dem Zugang zu Informationen ermöglicht werden.
Ein weiteres Problem betrifft die Unvereinbarkeit der sekundenschnellen Verbreitungskraft der neuen Medien mit dem essenziellen Qualitätsanspruch der traditionellen Medien. Die Arbeit der traditionellen Medien benötigt oftmals viel Recherchearbeit, Aufwand und Professionalismus, kurzum diese Form der Medienarbeit braucht Zeit. Also eine Komponente, die im genauen Gegensatz zur Schnelllebigkeit der sozialen Medien steht. Dazu kommt, dass die Presse nicht nur viel mehr Zeit benötigt, um qualitative und faktenbasierte Informationen zu liefern, sondern die Arbeit der Presse ebenfalls dem Pluralismus verschrieben ist. Das bedeutet, dass die Presse im besten Fall eine große Bandbreite an Themen abdecken sollte, da das oberste Ziel ihrer Arbeit darin bestehen soll, den Bürger*innen den Zugang zu Informationen und eine auf Fakten basierte Meinungsbildung zu ermöglichen. Das wiederum bedeutet auch, dass nicht jede Berichterstattung den Sensationsdrang der Menschen stillen kann, dem die sozialen Medien hingegen hervorragend Rechnung tragen.
Kampf um Klicks
Die Konsequenz der dominanten Stellung der sozialen Medien ist, dass diese mit ihrer sekundenschnellen und flächendeckenden Verbreitungskraft oftmals den Takt vorgeben, dem die Presse und die Politik folgen. Die Aufmerksamkeit stellt für die Medien eine Währung in sich dar. Auch die Presse lebt in den allermeisten Fällen von den Abonnements ihrer Nutzer*innen und ist von der Werbung abhängig. Die Presseorgane konkurrieren aber mit den sozialen Medien um letztgenannte Einnahmequelle. Aufgrund der wachsenden Attraktivität der sozialen Medien für die Werbebranche zählt jeder Klick nicht mehr nur für die sozialen Medien, sondern auch für die Presse. Denn heute werden Werbeverträge auf der Grundlage von Klicks, d.h. der Aufmerksamkeit der Nutzer, ausgehandelt. Dementsprechend versucht auch die Presse, möglichst viele Klicks zu erhalten, und läuft dabei Gefahr, dass die Leser per Knopfdruck zum Chef der Redakteur*innen und Reporter*innen werden.11) Dies führt nicht zur Umkehrung des alten Hierarchieverhältnisses, sondern birgt das Risiko, dass die Presse sich den Klick-Raten so anpasst, dass sie immer mehr Aufmerksamkeit durch reißerische Titel oder Sensationen zu erlangen versucht.
Man könnte so weit gehen und behaupten, dass eine Verschiebung in der Gewaltentrennung stattgefunden hat. Durch ihren enormen Einfluss auf die öffentliche Debatte und die Art, wie Informationen verbreitet werden, sind die sozialen Medien zu einer Art fünfte Gewalt geworden. Denn die technische Revolution ermöglicht einen Einfluss auf die Politik und bietet allen Bürger*innen die Möglichkeit, direkter Teil der Öffentlichkeit zu sein, was die vierte Gewalt weitgehend überflüssig machen könnte.12) Eine sehr interessante These, da es im eigentlichen verfassungsrechtlichen Sinne noch immer nur drei Gewalten gibt und die vierte Gewalt nur informeller Natur ist.
Wenn jedoch ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber herrscht, dass die Presse die Rolle der vierten Gewalt längst erfüllt; dass die Politik, die Gesellschaft und die Presse selbst die Wichtigkeit einer starken, unabhängigen Presse als Kontroll- und Informationsorgan in einer Demokratie anerkennen; und schließlich, dass der ausschließliche Einfluss der sozialen Medien auf die Meinungsbildung der Menschen eine echte Gefahr darstellen kann, wäre es dann nicht an der Zeit, die Presse tatsächlich als vierte Gewalt anzuerkennen? Wäre es nicht sinnvoll und wichtig, eine Instanz in der Gewaltentrennung zu verankern, die ohnehin bereits informell besteht, anstatt einer fünften unkontrollierbaren Gewalt das Feld zu überlassen?
1) Van der Pütten Lea/Przybilla-Voss Marika: op. cit.
2) Kessler Glenn: Trump made 30,573 false or misleading claims as president. Nearly half came in his final year, in The Washington Post, 23. Januar 2021.
3) Frank Jean-Claude: Virwërf vu Fake News: Verdeedegungslinn vu Lydie Polfer ass net an der Rei, Radio 100,7, 9. Dezember 2022
4) Balle Francis: Les médias (2017). S. 88
5) Balzac, Honoré: La Revue parisienne (1840), S. 243.
6) Precht Richard David/Welzer Harald: Die vierte Gewalt (2022), S. 47 u.f.
7) Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2022 (2022).
8) Reporter ohne Grenzen: op. cit.
9) Forum: Medienlandschaft Luxemburg/Anfrage an Radio Luxemburg (2022). S. 3
10) Caregari Luc: Informationszugang in Luxemburg, in Forum Juli 2016 S. 23.
11) Precht Richard David/Welzer, Harald: op. cit., S. 179.
12) Precht Richard David/Welzer, Harald: op. cit., S. 61
Next Generation: Nos idées pour les défis de demain!
Der an dieser Stelle publizierte Text ist – in einer längeren, detaillierteren Version – Teil der jüngsten Publikation der Fondation Robert Krieps. In „Next Generation: Nos idées pour les défis de demain!“ hat die Stiftung vor allem jungen Autoren und Autorinnen die Möglichkeit geboten, ihre Gedanken zu einem bestimmten Thema niederzuschreiben.
"In der Zeitung da kannst lesen woas is gwesen."so sang einst Hubert von Goisern.Nur in der Zeitung sollten eigentlich gut recherchierte Fakten stehen,von ausgebildeten Journalisten erstellt.Was auf unseren Smartphones und Tablets durch den Äther (heute als fake entlarvt) fliegt ist ungeheuerlich. Da kann jeder Hirni sein Pfefferkorn beitragen ohne Verantwortung für das was er behauptet. Es bleibt dem normalen Nutzer ( user )das Hinterfragen. Wer nichts weiß muss alles glauben und das ist gefährlich.Was Fakenews anrichten können sehen wir in der Geschichte.Von Kriegen bis Hexenverbrennung,alles dabei. Also : Nachfragen! An der richtigen Stelle.