Headlines

BuchbesprechungKonkurrenz unter Freunden: „Die Picasso-Bande der Pariser Avantgarde“ von Gertraude Clemenz-Kirsch

Buchbesprechung / Konkurrenz unter Freunden: „Die Picasso-Bande der Pariser Avantgarde“ von Gertraude Clemenz-Kirsch
In ihrem Buch „Die Picasso-Bande der Pariser Avantgarde“ zeichnet Gertraude Clemenz-Kirsch die Lebenswege von Guillaume Apollinaire, Max Jacob und Jean Cocteau nach (C) Privat

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Vor gut hundert Jahren schickte sich eine Gruppe junger Künstler im Pariser Stadtteil Montmartre an, die Welt Schlag auf Schlag zu verändern. Sie nannten sich „Bande à Picasso“ – Die Picasso-Bande – und Gertraude Clemenz-Kirsch nutzte diese Bezeichnung als Titel für ihr schönes Buch, das die Lebenswege von Guillaume Apollinaire, Max Jacob und Jean Cocteau nachzeichnet. Dass ein Kapitel über Pablo Picasso fehlt, hat zum einen damit zu tun, dass er von den Vieren bis heute der Namhafteste geblieben ist und man allenthalben über Picasso-Publikationen stolpert (gerade jetzt, zum fünfzigsten Todestag). Zum anderen ist in den drei Kapiteln über seine Freunde derart viel von ihm die Rede, dass man sich nicht darüber beklagen kann, er käme zu kurz in der Darstellung der Autorin.

Clemenz-Kirsch beginnt mit Guillaume Apollinaire, obschon Picasso Max Jacob drei Jahre früher kennengelernt hatte. Beide wohnten eine Zeit lang sogar in bitterster Armut zusammen, aber Apollinaire sollte als Dichter und Propagandist weitaus bedeutsamer werden. Vor allem sein umstrittenes Manifest „Esprit nouveau et les poètes“ (1917) verschaffte ihm den Ruf, eine Art „Signalrakete“ (André Breton) der künstlerischen Avantgarde gewesen zu sein.

Anzumerken sei, dass vor dem 1. Weltkrieg in schneller Abfolge der Stile oder Ismen – Fauvismus, Kubismus, Futurismus (den Apollinaire als Abklatsch abtat) – die dann „klassisch“ genannte Moderne in der Kunst eingeläutet wurde. Die Picasso-Bande bildete sozusagen deren Nukleus. Und nicht Wenige mutmaßen, wäre Apollinaire, durch eine schwere Kriegsverletzung bereits geschwächt, 1919 nicht an der Spanischen Grippe gestorben, sähe die Moderne heute anders aus.

 
   

Während Picasso in den 1920er und ’30ern berühmt wurde, konvertierte sein jüdischer Dichter- und Malerfreund Max Jacob zum Katholizismus, was ihn nicht davor bewahrte, ein Opfer der Nazis im 2. Weltkrieg zu werden.

Bliebe noch Jean Cocteau als letzter der Viererbande, wobei Gertraude Clemenz-Kirsch die aufgeworfene Frage, inwieweit dieser wirklich mit Picasso befreundet gewesen sei, nicht beantwortet. Cocteau, dieser Hansdampf in allen Gassen, war nach dem 2. Weltkrieg derart berühmt geworden, dass er durch Picasso, der maximal Henri Matisse auf einer Stufe neben sich dulden wollte, nicht länger als eine Art Clown angesehen werden konnte. Sein Fernbleiben von Cocteaus Beerdigung 1963 ist ein beredtes Zeugnis dafür, wie angespannt das Konkurrenzverhältnis Picassos zum letzten Überlebenden seiner „Bande“ gewesen sein muss.

Info

Gertraude Clemenz-Kirsch: „Die Picasso-Bande der Pariser Avantgarde. Guillaume Apollinaire, Max Jacob und Jean Cocteau.“, Morio Verlag, Halle 2023, 480 S., 30,00 Euro