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Kap VerdeDie Beziehungen Luxemburgs zu dem Inselstaat tragen zunehmend Früchte

Kap Verde / Die Beziehungen Luxemburgs zu dem Inselstaat tragen zunehmend Früchte
Impressionen aus Kap Verde: Die Demokratie in der Inselrepublik gilt unter den vielen afrikanischen Staaten als vorbildlich Fotos: Editpress-Archiv/Isabella Finzi

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Sechs Jahrzehnte kapverdische Immigration nach Luxemburg und drei Jahrzehnte Kooperationspolitik des Großherzogtums in dem zu Westafrika zählenden Land stehen weitgehend für eine Erfolgsgeschichte, die jedoch auch ihre Schattenseiten hat. Seit einigen Jahren setzt Kap Verde, dessen Präsident José Maria Neves vom 23. bis 25. Mai auf Staatsbesuch hier ist, verstärkt auf erneuerbare Energie.

Sonne und Wind spielen in Kap Verde eine besondere Rolle. Dies trifft nicht nur zu, weil der aus zehn Inseln – neun bewohnt – bestehende Staat in die nördlichen „Ilhas de Barlavento“ (über dem Wind) aus Santo Antão, São Vicente, São Nicolau, Sal und Boa Vista und die südlichen „Ilhas de Sotavento“ (unter dem Wind) Maio, Santiago, Fogo und Brava unterteilt ist und fast das ganze Jahr über die Sonne scheint. Auch nicht, weil Kite- und Windsurfer aus aller Welt vor allem in der ersten Jahreshälfte die guten Bedingungen benutzen und der Tourismus, mit 25 Prozent Anteil an der Wirtschaft, das ganze Jahr möglich ist. Es gilt nicht zuletzt, weil Kap Verde in den vergangenen Jahren die Nutzung der erneuerbaren Energien vorangetrieben hat.

Vor nunmehr acht Jahren konnte sich Großherzog Henri von der sowohl natürlichen als auch kulturellen Vielfalt der Inselrepublik überzeugen, als ihn seine Staatsvisite auf die Hauptinsel Santiago mit der Hauptstadt Praia sowie auf die Nordinseln Santo Antão und São Vicente führte. Gastgeber war damals Jorge Carlos Fonseca von der liberalen Mitte-rechts-Partei „Movimento para a Democracia“ (MpD), die 1991 die seit der Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1975 bestehende Einparteienherrschaft des früher sozialistischen und heute sozialdemokratischen „Partido Africano da Independencia de Cabo Verde“ (PAICV) beendete. Fonseca wurde im November 2021 von José Maria Neves (PAICV) abgelöst, der im Monat zuvor die Präsidentschaftswahl im ersten Wahlgang mit 51,8 Prozent gewonnen hatte und bereits von 2001 bis 2016 Premierminister gewesen war. Erwähnenswert ist außerdem die konservative „União Caboverdiana Independete e Democrática“ (UCID). Die Parlamentswahlen hatte im April 2021 die MpD von Premierminister Ulisses Correia e Silva mit absoluter Mehrheit gewonnen, die auch auf kommunaler Ebene dominiert.

Mit José Maria Neves hat Kap Verde nicht nur einen Verwaltungsfachmann, der einst in Brasilien studiert hatte, zum Staatschef, sondern auch einen Schöngeist. Der Präsident betätigt sich nebenbei als Dichter. Anfang 2022 erschien unter dem Titel „Alma“ ein Album seiner Gedichte, vertont von mehreren Künstlern des Landes. Im Jahr davor brachte er zudem das Buch „Nos Tempos de Pandemía“ heraus, das während der Covid-Krise entstanden war, mit Gedanken über verschiedene politische und andere Themen, über die Krise ebenso wie über den weltweit sich im Aufwind befindenden Populismus: „Wir leben in einer Zeit der Unsicherheit und der Fragezeichen (…) und wir wollen jemanden hören, der uns gegen unsere Zweifel hilft.“

Zusammenarbeit ist mittlerweile Routine

In einem anderen Zusammenhang wurde Neves im vergangenen Jahr von der portugiesischen Zeitung Diário de Notícias mit den folgenden Worten zitiert: „Wir können in Kap Verde unseren Sonangol des Windes haben.“ Er bezog sich dabei auf das staatliche angolanische Mineralölunternehmen „Sonangol E.P.“. Der Konzern verwaltet die gesamten Erdöl- und Gasreserven von Angola, dem achtgrößten Ölproduzenten der Welt. Kap Verde, das jahrzehntelang auf den Import fossiler Rohstoffe angewiesen war, hat mittlerweile einen Anteil von erneuerbaren Energien von 25 Prozent am gesamten Energieverbrauch. Es verfügt über mehrere Windparks und Solaranlagen.

Die Zusammenarbeit zwischen Luxemburg und Kap Verde ist mittlerweile zur Routine geworden. Anfang März war Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot anlässlich der 22. Partnerschaftskommission zwischen den beiden Ländern auf Arbeitsbesuch in dem Partnerstaat. Er traf sich dabei unter anderem mit dem kapverdischen Außenminister sowie den Ressortleitern für Industrie, Handel und Energie. Das Treffen fiel mit dem 30. Jahrestag der Unterzeichnung des ersten allgemeinen Kooperationsabkommens zwischen Luxemburg und Kap Verde zusammen. Dabei wurde auch eine Bestandsaufnahme des Programms „Développement-Climat-Energie“ (PIC DCE) und über die neuesten Entwicklungen in den Bereichen Beschäftigung, Energiewende, Wasser- und Sanitärversorgung sowie lokale Entwicklung und Klimaschutz gesprochen. Das PIC DCE 2020-2025 wird gemeinsam mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung sowie dem Ministerium für Energie und Raumplanung umgesetzt. Es wird aus den Fonds für Entwicklungszusammenarbeit sowie den Klima- und Energiefonds finanziert.

Schon das vorausgegangene PIC IV (2016-2020) war trotz der pandemiebedingt schwierigen Umstände ein Erfolg. Fayot traf in Praia auch auf José Maria Neves und auf Premierminister Ulisses Correia e Silva – und er beteiligte sich an dem Start des Projekts „Form@Empresa“, das von Luxemburg und von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) umgesetzt wird, um den Zugang zu menschenwürdigen und hochwertigen Arbeitsplatzen in Kap Verde zu fördern. Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte zudem Finanzministerin Yuriko Backes mit dem kapverdischen Außenminister Rui Alberto Figueiredo Soares ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Einkommens- und Vermögenssteuern zwischen den beiden Staaten unterzeichnet. Backes sagte dazu: „Dieses neue Steuerabkommen baut unsere vielfältigen und starken Beziehungen weiter aus, indem es Investitionen in beide Richtungen erleichtert.“

Seit 1963 anhaltende Immigration ins Großherzogtum

Beziehungen unterhält Luxemburg nicht zuletzt durch die von 1963 bis heute anhaltende Immigration von dem Archipel ins Großherzogtum. Seit jeher spielt die kapverdische Diaspora eine große Rolle für den Inselstaat. Mehr als die laut dem Statistikamt Instituto Nacional de Estatística Cabo Verde 500.000 Einwohner der Inseln leben Kapverdier im Ausland, vor allem in Portugal, Frankreich und den USA, dem wichtigsten politischen Partner. Ihre Überweisungen aus dem Ausland machen mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, mehr als die ausländischen Direktinvestitionen.

Die Inselrepublik, deren Verfassung 1992 verabschiedet wurde, pflegt besonders enge Beziehungen zu den anderen Ländern, in denen Portugiesisch gesprochen wird, aber auch zu afrikanischen Ländern. Sie hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung im wirtschaftlichen Bereich erfahren und ist mittlerweile zu den Ländern mit mittleren Einkommen aufgestiegen. Kap Verde erwirtschaftete, obwohl die ökonomischen Aktivitäten im Pandemiejahr 2020 um 14 Prozent schrumpften, im Jahr darauf ein BIP von 1,94 Milliarden Euro und erzielte ein Wachstum von sieben Prozent. Im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten ist die Rolle des tertiären Sektors – insbesondere Tourismus, Gastronomie und Handel – in der kapverdischen Wirtschaftsstruktur besonders ausgeprägt.

Der auf den Inseln, die keine nennenswerten mineralischen Ressourcen besitzen, verbrauchte Strom wird lokal erzeugt, allerdings noch immer aus Diesel und Schweröl. Das Land setzt jedoch die Hoffnungen zunehmend auf erneuerbare Energien und will ihren Anteil an der Stromproduktion weiter erhöhen. Der Masterplan für den Stromsektor sieht, neben den großen Solar- und Windparks, einen Ausbau der Mikroerzeugung, der isolierten Netze sowie der Erzeugung durch unabhängige, ans Netz gekoppelte Produzenten vor. Projekte der luxemburgischen Zusammenarbeit, umgesetzt von der Agentur Lux-Development, sehen daher auch viele Projekte im Bereich Energie vor, zum Beispiel das Ausbildungszentrum für erneuerbare Energien und der industriellen Instandhaltung. Ein traditionell großes Problem ist jedoch der Wassermangel. Die Inseln leiden unter dem extrem trockenen Sahel-Klima. Nur auf vier Inseln gibt es genügend Wasser für Bewässerungslandwirtschaft. Der Fischreichtum ist größtenteils durch die großen ausländischen Flotten verloren gegangen.

Deutlicher Vorteil ist politische Stabilität

Allerdings hat es Kap Verde geschafft, mit einem BIP pro Einwohner von 3.749 US-Dollar und einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 6.700 Dollar pro Jahr deutlich über dem afrikanischen Schnitt zu liegen und von einem wenig entwickelten Land zu einem Land mit mittleren Einkommen heraufgestuft zu werden, dessen Gewerkschaftsbund „União Nacional dos Trabalhadores de Cabo Verde – Central Sindical“ (UNTC – CS) schon 1992 eine Kooperation mit dem OGBL in der Form des „Syndicat Solidarité“ vereinbarte, um die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken. Dennoch hat das Land weiterhin große Defizite und gilt nach wie vor als Entwicklungsland, das zudem eine hohe Verschuldung aufweist.

Ein deutlicher Vorteil ist hingegen die politische Stabilität: Kap Verde lag 2022 im Demokratieindex des britischen Magazins The Economist von 167 Staaten weltweit auf Platz 35 und ist damit Nummer zwei unter den afrikanischen Staaten hinter Botswana, im Korruptionswahrnehmungsindex 2021 auf Platz 39 und in Sachen Pressefreiheit 2022 auf Rang 36. Auch in dieser Hinsicht ist das Land im afrikanischen Vergleich ein Musterstaat, dessen Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft ist. Und das alles, obwohl die Startbedingungen denkbar schlecht waren: Die Inselgruppe ist abgelegen und isoliert, die Anbindung an das afrikanische Festland eher schwach. Außerdem wurde kaum ein Land so spät unabhängig (1975). Trotzdem schafft es der junge Staat heutzutage, ein Viertel des Haushaltsbudgets in die Bildung zu stecken. Ebenso weit über dem afrikanischen Durchschnitt liegen die Ausgaben für den Gesundheitssektor. Dementsprechend hoch ist auch die Lebenserwartung mit 72 Jahren und niedrig die Kindersterblichkeit mit zwei Prozent.

Von rassistischen Vorurteilen betroffen

Mit Luxemburg verbunden ist der Inselstaat nicht zuletzt durch die Einwanderung, die 1963 einsetzte. Nach einer Untersuchung des „Centre d’étude et de formation interculturelles et sociales“ (Cefis) aus dem Jahr 2017 leben hierzulande mittlerweile mehr als 3.000 kapverdische Staatsbürger. Zählt man die Luxemburger kapverdischer Herkunft sowie die Kapverdier mit portugiesischer Nationalität hinzu, kommt man auf mittlerweile deutlich mehr als 10.000 Menschen mit kapverdischen Wurzeln. Nicht dazugerechnet sind jene, die sich in den zur Großregion gehörenden Gebieten in Belgien oder Frankreich niedergelassen haben. Die hier ansässigen Kapverdier sind indes ungleich im Land verteilt: mit geografischen Schwerpunkten im Süden des Landes, in der Hauptstadt sowie in einigen Städten im Norden wie Diekirch und Ettelbrück. Markant in der Studie, deren Ergebnisse sich nach Experteneinschätzung bis heute kaum verändert haben dürfen, ist etwa, dass die Lebensbedingungen dieser Gemeinschaft unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegen: „eine Wohnfläche von 32 Quadratmetern pro Person (der Durchschnitt beträgt 64 Quadratmeter), ein deutlich unter dem Schnitt liegender Stundenlohn –, aber eine Erwerbstätigkeitsquote von 65 Prozent (unter Luxemburgern: 35 Prozent)“, wie der Soziologe Frédéric Mertz in einem Artikel der Zeitschrift Forum 2018 konstatierte.

Abweichungen vom Bevölkerungsdurchschnitt gibt es auch im Bildungswesen: „Ein Drittel der Schulbevölkerung besucht den klassischen Sekundarschulunterricht, nur zwei bis drei Prozent sind es unter den Jugendlichen mit kapverdischer Nationalität.“ Im Zusammenhang mit der 2019 aufgekommenen Diskussion über Rassismus in Luxemburg kam eine Studie von Cefis und und dem Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (Liser) zu einigen aufschlussreichen Resultaten bezüglich „Le racisme et les discriminatiions ethno-raciales au Luxembourg“: Etwa die Hälfte aller Befragten, darunter auch viele Kapverdier, gab an, dass sie sich von den Stereotypen und rassistischen Vorurteilen betroffen fühlen. Die Einwanderung von mehreren Generationen von Kapverdiern hat diese Stereotypen bis heute nicht aufbrechen können.

Wenn José Maria Neves und seine Frau Déborah Katisa Carvalho an diesem Donnerstag zusammen mit dem großherzoglichen Paar und Bürgermeisterin Lydie Polfer in Bonneweg eine Statue zum Gedenken an 60 Jahre Freundschaft zwischen Luxemburg und Kap Verde einweihen, dann gilt zu bedenken, dass viele Menschen kapverdischen Ursprungs hierzulande sich nicht nur Luxemburg, sondern aus gutem Grund auch ihrem Herkunftsland verbunden fühlen.

Großherzog Henri bei seinem Besuch 2015 zusammen mit dem damaligen Präsidenten Jorge Carlos Fonseca
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Mehr als Landwirtschaft: Nach der Pandemie hat die kapverdische Wirtschaft einen erneuten Aufschwung erlebt
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Die Kapverdier gelten als besonders gastfreundlich. Der Tourismus gehört zu den Haupteinnahmequellen.
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Die Fischerei spielt nur noch eine untergeordnete Rolle
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Manu
23. Mai 2023 - 10.47

Darf man erfahren von welchen Früchten die Rede ist?
Es sieht mehr nach nach einer Einbahnstrasse aus.

Sam
22. Mai 2023 - 16.56

Welche luxemburgischen Firmen sind denn nun in Kap Verde aktiv? Womit macht Luxemburg Geld? Was sind unsere Vorteile? Muss man wieder Luc Caregari fragen?