Stolz präsentierte Serbiens Landesvater Aleksandar Vucic am Wochenende in einem Polizeidepot das von den illegalen Besitzern freiwillig abgegebene Waffenarsenal. Er danke seinen Landsleuten für das „Engagement“, freute sich der allgewaltige Staatschef über das bisherige Ergebnis der nach zwei blutigen Amokläufen zu Monatsbeginn von ihm initiierten Entwaffnungsaktion: „Sie sehen selbst, um wie viel wir nun sicherer sind.“
Tatsächlich sind in der ersten Woche der noch bis zum 8. Juni laufenden Kampagne 13.500 illegale Schusswaffen und 2.000 Granaten bei Serbiens Polizeidienststellen abgegeben worden: Einen Monat lang haben reuige Besitzer keine strafrechtlichen Konsequenzen zu fürchten. Doch in einem Land, in dem sich laut einer Studie von 2018 außer den 700.000 registrierten auch noch zwei Millionen illegale Schusswaffen im Privatbesitz befinden, ist die von viel PR-Getöse begleitete Entwaffnungsaktion zwar im Prinzip begrüßenswert, aber nicht mehr als ein hilfloser Tropfen auf dem sehr heißen Gewaltstein.
Gemessen an der Bevölkerung ist Serbien mit 39 Handfeuerwaffen pro 100 Einwohner neben Montenegro in Europa das Land mit der höchsten Zahl von privaten Schusswaffen: Weltweit weisen nur die USA und Jemen einen höheren Wert auf. Die Welle von Gewaltverbrechen reißt im Balkanstaat auch nach den die Nation schockierenden Amokläufen in Belgrad und bei Mladenovac nicht ab: Vor allem Frauen werden zu Opfern von Serbiens alltäglichem Amok und der zunehmenden Familiengewalt.
Vergangene Woche wurden in Krusevac und Novi Sad erneut zwei Frauen ermordet. Die zuletzt stark steigende Zahl der Femizide ist damit seit Jahresbeginn auf 18 und im letzten Jahrzehnt auf 266 geklettert: In fast allen Fällen wurden die Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet.
Launig verhöhnte Serbiens Patriarch Porfirije bei einem Festmahl letzte Woche die Frauen, die behaupten würden, dass sich die Serbisch-Orthodoxe Kirche nicht um Frauenanliegen kümmere, in sehr groben Worten als „armselige Elende“. Später versuchte er über seinen Pressedienst seine Schmähungen abzuschwächen: Diese seien keineswegs an alle Frauen gerichtet gewesen, sondern der Patriarch habe an „eine bestimmte Amtsträgerin gedacht“: Serbiens Gleichstellungsbeauftragte Brankica Jankovic bestreite der Kirche das Recht, sich „zu irgendeiner gesellschaftlichen Frage zu äußern“.
Als „unermessliche Schande“ bezeichnet indes die Ex-Ministerin Zorana Mihajlovic die Entgleisungen des Kirchenoberhaupts und fragt sich empört, ob „mit solchen Hassreden Gewalttäter unterstützt werden sollen, die den Frauen das Leben nehmen“. Schockiert über die „erniedrigenden“ Auslassungen zeigt sich auch die beschimpfte Gleichstellungsbeauftragte: „In den Tagen der Trauer“, in denen erneut die Schwächsten in der Gesellschaft zu Opfern von Gewalt geworden seien, sei das Mindeste, was man erwarten könne, „das Bewusstsein für die Verantwortung und die Schwere der eigenen Worte“.
Flucht nach vorn
Zu Wochenbeginn erlag eine weitere, bei dem Amoklauf in Belgrad schwer verwundete Schülerin ihren Verletzungen. Staatschef Vucic zeigt sich derweil zunehmend genervt von Journalistenfragen, warum er sich nicht in das Kondolenzbuch für die Todesopfer eingetragen oder deren von seinem Amtssitz nur wenige hundert Meter entfernte Schule besucht habe. Oppositionspolitiker, die die Serben in der letzten Woche zu Demonstrationen gegen die Gewalt aufgerufen hatten, beschimpft der dünnhäutige Präsident als „Hyänen und Aasgeier“, die die Tragödie politisch zu missbrauchen suchten.
Forderungen nach einem Lizenzentzug von gewaltverherrlichenden, aber mit Staatsgeldern subventionierten TV-Sendern im Dunstkreis seiner SNS weist Vucic genauso zurück wie die nach dem Abtritt seiner Gefolgsleute an der Spitze der Polizei und des Geheimdienstes. Stattdessen setzt Serbiens Dominator mit der Ankündigung eines Großaufmarschs seiner Anhänger und von Neuwahlen wieder einmal auf die Flucht nach vorn: „Kein Problem, ich bin bereit. Wir ziehen in die Wahlen, spätestens im September.“
Von seiner Wahlankündigung zeigt sich die Opposition in ersten Reaktionen allerdings kaum elektrisiert. Vucic tue alles, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf etwaige Neuwahlen zu lenken, ätzt die Oppositionspolitikerin Marinka Tepic (SSP): Während der Präsident sich selbst wieder einmal „zum größten Opfer“ zu stilisieren versuche, fordere das Land „Gerechtigkeit für 18 getötete Kinder und Jugendliche“. Die Menschen, die gegen die Gewalt demonstrierten, wollten „grundsätzliche Veränderungen“ und „nicht, dass wir mit Vucic über ein Wahldatum feilschen“, sagt auch Pavle Grbovic, Chef der oppositionellen PSG.
Zu Demaart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können