Nach Verkündung des Urteils, das weitreichende Auswirkungen auf die Musikbranche hat, umarmte Sheeran sein Anwaltsteam, wie eine AFP-Reporterin im Gerichtssaal berichtete. Der Sänger sagte anschließend vor dem Gerichtsgebäude, er sei „glücklich“ über das Urteil. Die Geschworenen des Bundesgerichts in Manhattan hätten „den kreativen Prozess“ von Musikern in aller Welt „geschützt“. Er zeigte sich zugleich „unglaublich frustriert über unbegründete Behauptungen“ wie in diesem Verfahren.
Gegen den britischen Sänger hatten die Erben von Ed Townsend geklagt, der „Let’s Get It On“ mit Marvin Gaye geschrieben hatte. Townsends Erben sprachen von „frappierenden Ähnlichkeiten und offenkundig gemeinsamen Elementen“ zwischen „Let’s Get It On“ und Sheerans „Thinking Out Loud“. Als Beleg führten sie unter anderem an, dass die Band Boyz II Men schon Medleys der beiden Songs aufgeführt hat – und Sheeran die beiden Stücke ebenfalls schon bei Auftritten gemixt hat. Sheerans Anwälte hielten dagegen, es gebe „dutzende oder sogar hunderte Songs“ aus der Zeit vor oder nach „Let’s Get It On“, die eine „gleiche oder ähnliche Akkordfolge“ verwendeten. Ein Musikwissenschaftler, den die Verteidigung als Zeugen aufrief, bestätigte dies und sagte, die fragliche Sequenz aus vier Akkorden sei schon vor Gayes Hit im Jahr 1973 wiederholt in Songs verwendet worden.
Während des Zivilprozesses sagte auch Sheeran selbst aus – und griff dabei zur Gitarre, um die entscheidenden vier Akkorde zu spielen. Die Ballade „Thinking Out Loud“ war 2014 veröffentlicht worden und auf den zweiten Platz der US-Charts Billboard Hot 100 gestürmt. 2016 gewann der Hit einen Grammy als bester Song des Jahres. Sheeran hatte das Stück zusammen mit der Singer-Songwriterin Amy Wadge geschrieben. Der Zivilprozess in New York war von Vertretern der Musikbranche mit großem Interesse verfolgt worden. In dem Verfahren ging es um die grundsätzliche Frage, welche musikalischen Elemente eines Songs urheberrechtlich geschützt sind und ob beispielsweise bestimmte Akkordfolgen von verschiedenen Musikern verwendet werden können. Branchenvertreter hatten befürchtet, dass ein Urteil gegen Sheeran zu einer neuen Flut von Klagen hätte führen können – und dass dies eine abschreckende Wirkung für Songwriter hätte haben können.
In den vergangenen Jahren haben Gerichte verschiedene Urteile zum Urheberrecht in der Musik gefällt. 2015 wurden die beiden US-Musiker Pharrell Williams und Robin Thicke wegen Plagiatsvorwürfen im Zusammenhang mit ihrem Song „Blurred Lines“ zu einer Zahlung in Millionenhöhe an die Erben von Marvin Gaye verurteilt, weil sie sich beim Hit „Got to Give It Up“ aus dem Jahr 1977 bedient haben sollen. Die britische Rockband Led Zeppelin wurde hingegen 2016 vom Vorwurf freigesprochen, das Intro ihres legendären Songs „Stairway to Heaven“ bei der US-Formation Spirit geklaut zu haben.
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