Ein etwas wolkiger Tag in der ersten Woche der Osterferien in Luxemburg. Gemeinsam mit seinen beiden Kindern schlendert Luis Ferrer über den Shared Space beim Rathaus in Strassen. Vogelgezwitscher ist zu hören. Etwas weiter, in der rue des Romains, blühen in einem kleinen Straßenbeet gegenüber der Apotheke gelbe Osterblumen. Das Klingeln der Türglocke der in der Nähe gelegenen Bäckerei ist zu hören. Fast idyllisch könnte man die Szenerie nennen – wäre da nicht die Geräuschkulisse zahlreicher Autos, die immer wieder durch die auf 20 Stundenkilometer begrenzte Zone fahren.
„Da viele Straßen inzwischen für den Verkehr gesperrt wurden, konzentriert sich dieser auf einige Routen – wie hier in der rue des Romains. Morgens und abends ist hier richtig viel los“, erklärt Passant Luis Ferrer, der seit rund sechs Jahren in Strassen lebt. Und nicht nur dann, wie sich zeigt. Denn nur kurze Zeit später taucht in der Straße hinter dem Familienvater ein schwerer Laster auf, der sich von der viel befahrenen route d’Arlon durch den Ortskern seinen Weg bahnen will – wohl in der Hoffnung auf einen schnellen Umweg. Da der Weg über den Shared Space allerdings zu eng ist, muss er in einem aufwendigen Manöver wieder wenden.
„Wenn man sich hier umsieht, sind nur Parkplätze zu sehen. Strassen ist für Autos bestimmt“, stellt Luis Ferrer fest, während er hinter sich zeigt. Tatsächlich stellt die Parkplatzsuche in Nähe des Rathauses kein Problem dar. Denn Parkmöglichkeiten sind ausreichend vorhanden. In seiner Wohnsitzgemeinde fehlen Luis Ferrer dagegen Treffpunkte für die Bürgerinnen und Bürger. Der persönliche Wunsch des 42-Jährigen: „Mehr Orte zum Leben. Zum Zusammenkommen. Und dafür weniger Parkplätze.“ Er verweist auf die Nachbargemeinde Bartringen, in der man auf der Promenade spazieren gehen und dann im Restaurant noch etwas essen kann.
Familienfreundlicher Ort
Die Lokalpolitik scheint sich des Problems bewusst, denn eine Ausweitung des Ortskerns ist geplant. Was Luis Ferrer angeht, ist der Vater eines zweijährigen und eines fünfjährigen Kindes aber insgesamt zufrieden mit dem Leben in seiner Gemeinde. Er schätzt die Angebote für junge Menschen und die Tatsache, dass sich „Maison relais“, Schule und viele außerschulische Aktivitäten in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Und zu Fuß erreichbar sind. Auch ein kleiner Park mit Outdoor-Sportgeräten sowie ein Spielplatz liegen nur wenige Meter entfernt. „Für Familien ist Strassen perfekt“, stellt Luis Ferrer fest.
Dass es sich mit Kindern gut in Strassen leben lässt, findet auch Beatrice Gandolfo. An diesem Ferientag im April begleitet sie ihre beiden Jungs zum Fußballtraining, wohin die Kinder aber aber auch mal alleine gehen. „Es ist nicht weit bis zum Platz und für mich ist Strassen ein sicherer Ort“, stellt die 38-Jährige fest. Da sich in der Gemeinde laut Bürgermeister Nico Pundel (CSV) aber immer wieder auch Jugendliche auf der Straße aufhalten – um die sich niemand kümmere –, wurde in der Amtsperiode des aktuellen Gemeinderats 2022 beschlossen, eine Art Streetworker für ortsansässige junge Menschen ab etwa 16 Jahren einzustellen.
Die Lokalpolitik verfolgt die seit sechs Jahren in Strassen lebende Beatrice Gandolfo eher weniger. Wie bereits zuvor Familienvater Luis Ferrer kann auch sie die Gemeinde nur loben, wenn es um die Angebote für junge Menschen geht: „Alles ist gut organisiert und die Kinder haben alles, was sie brauchen.“ Ihr Nachwuchs lebt gerne in dem Ort und der achtjährige Sohn hat dann auch prompt eine Antwort auf die Frage parat, was ihm am Besten dort gefällt: „Fußball spielen“.
Zusammenkommen (un)erwünscht
Eines vermisst die Mutter dann doch: „Das Nachtleben. Mir fällt zwar ein Café ein, aber insgesamt gibt es hier nicht viele Restaurants oder Bars, in denen man abends etwas trinken könnte. Deshalb bleibt man eben zu Hause“, sagt sie. Aus ihren Erzählungen ist herauszuhören, dass sie weniger nach Orten wie den Imbissrestaurants an der route d’Arlon sucht. Sondern eher nach Möglichkeiten, die Menschen aus der Nachbarschaft zu treffen. Mit Freude denkt sie an das „White Dinner Strassen“ im Jahr 2019 zurück – bei dem die ganz in Weiß gekleideten Einwohnerinnen und Einwohner zusammen essen konnten.
Dass der aktuelle Bürgermeister Nico Pundel – der 2021, wie mit dem Koalitionspartner abgemacht, die Nachfolge des langjährigen Gemeindeoberhauptes Gaston Greiveldinger (LSAP) antrat – sich mit allzu viel Trubel offenbar etwas schwertut, wurde im Spätsommer 2022 deutlich: Kurz bevor „beim Fräiheetsbam“ ein Metal-Festival stattfinden sollte, kündigte die Gemeinde an, der Organisation versprochenes Material für die Veranstaltung nicht mehr zur Verfügung stellen zu wollen. Der Grund: Der Bürgermeister sei von den Organisatoren bezüglich der Art des Events angelogen worden.
Ruhige Umgebung
In dem Zusammenhang soll Nico Pundel dann den später vor allem in den sozialen Medien viel kritisierten Satz geäußert haben „Metal ist keine Musik“. In einer Stellungnahme erklärte die Gemeinde später, dass der Bürgermeister diese Worte nie gesagt habe. Obwohl die Genehmigung zur Durchführung des Festivals nach wie vor galt, endete die Geschichte letztlich damit, dass die Veranstaltung nach Petingen verlegt wurde. Während es in Strassen an dem besagten Wochenende im September ruhig blieb.
Zahlen und Fakten zur Gemeinde
Größe: 10,71 Quadratkilometer
Ortschaft: Strassen
Einwohnerzahl: 10.591 (Stand: 3.4.2023)
Wahlberechtigte: 8.398 – darunter 5.025 Menschen mit luxemburgischer und 3.373 mit anderer Nationalität (Stand: 5.4.2023)
Aktueller Bürgermeister: Nico Pundel (CSV)
Zusammensetzung des Gemeinderats: Bürgermeister: Nico Pundel (CSV); Schöffen: Betty Welter-Gaul (LSAP), Jean-Claude Roob (LSAP); Gemeinderäte: Anne Arend-Lahaut (CSV), Maryse Bestgen-Martin („déi gréng“), Martine Dieschburg-Nickels (DP), Jean-Marie Durrer (CSV), Isabel Fernandes Domingues (LSAP), Marc Fischer (DP), Laurent Glesener (DP), Léandre Kandel (DP), Paul Klensch (LSAP), Anne-Marie Linden („déi gréng“)
Und eben diese Ruhe mag Renato Verri, der an diesem Tag in den Osterferien gemächlich durch Strassen spaziert. So, wie er es oft macht. Seit rund 32 Jahren wohnt der Pensionär in der Gemeinde. „Ich lebe gerne hier. Es ist ruhig, die Lebensqualität ist hoch und bei administrativen Dingen gibt es keine Probleme“, erzählt er. Für ihn ist aber auch klar, welches sein Lieblingsort in der Umgebung ist. Und wo er sich am liebsten aufhält: „Bei mir zu Hause“, erklärt er lachend. Um dann seinen Spaziergang durch den Ort fortzuführen, an dem die Bürgerinnen und Bürger vieles schätzen, aber auch einige Dinge verändern würden.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können