Bisher wehten 30 Flaggen vor dem NATO-Hauptquartier in Brüssel. Nun sind es 31: Am Dienstag wurde Finnland offiziell in die Atlantische Allianz aufgenommen. Als Willkommensgruß wurde am Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein und steifer Brise die finnische Flagge gehisst. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von einem historischen Ereignis. „Die NATO wird stärker und Finnland sicherer“, erklärte der Norweger, der schon lange für die Norderweiterung wirbt. „Putin wollte weniger NATO, nun bekommt er das genaue Gegenteil.“
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem „Tag der Freude“. Doch ungetrübt war diese Freude nicht. Denn ein weiterer Bewerber aus dem hohen Norden fehlt: Schweden wollte gleichzeitig mit Finnland zur NATO stoßen, der Beitritt wird aber immer noch durch die Türkei und Ungarn verzögert. Die Norderweiterung ist deshalb unvollendet. Zudem wird sie durch den Krieg in der Ukraine und Drohungen aus Moskau überschattet. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach von einem „Angriff auf unsere Sicherheit und die nationalen Interessen Russlands“ und kündigte Gegenmaßnahmen an.
Bisher gibt es zwar noch keine Anzeichen für einen russischen Aufmarsch im hohen Norden. Fast alle Kräfte sind in der Ukraine gebunden, NATO-Militärs trauen Russland derzeit auch keinen Angriff auf Finnland zu. Allerdings wird die Reibungsfläche durch den Beitritt wesentlich größer. Finnland verfügt über eine 1.300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland. Die Ostflanke der NATO wächst damit von bisher 1.215 Kilometer auf mehr als das Doppelte. Darauf angesprochen, zuckte Stoltenberg mit den Schultern. Finnland habe seine Grenze schon bisher gut verteidigt, sagte er.
Allerdings bleibt unklar, warum eine längere Landgrenze zu Russland mehr Sicherheit schaffen soll. Stoltenberg blieb auch eine Antwort auf die Frage schuldig, ob die NATO künftig Waffen oder Truppen in Finnland stationieren werde. Dies müsse die Regierung in Helsinki entscheiden.
Und wie sieht es mit dem Beitritt Schwedens aus? „Ich bin zuversichtlich, dass das passieren wird“, sagte Stoltenberg. Er habe sich in der vergangenen Woche mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan getroffen. Er habe zugesichert, dass es schon bald Fortschritte geben werde.
Kein Beitritt zu Kriegszeiten
In Brüssel hofft man, dass Erdogan rechtzeitig zum NATO-Gipfel im Juli in Vilnius den Weg frei machen wird. Die Türkei hatte dem NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens eigentlich bereits im vergangenen Sommer zugestimmt, die Ratifizierung für Schweden dann aber auf Eis gelegt.
Länger warten muss auf jeden Fall noch die Ukraine. Stoltenberg sagte dem umkämpften Land zwar weitere Unterstützung zu. Das ukrainische Militär werde nun von alten Sowjet-Geräten auf NATO-Standards umgestellt, sagte er. Den Beitritt erwähnte er mit keinem Wort. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba macht jedoch weiter Druck. Nachdem er den „finnischen Freunden“ zum Beitritt gratuliert hatte, erklärte er, auch die Ukraine habe das Ziel, vollwertiges Mitglied zu werden. „Die NATO und die Ukraine brauchen sich gegenseitig“, so Kuleba.
Deutschland und Frankreich schließen jedoch einen Beitritt zu Kriegszeiten aus. Auch die USA haben sich gegen eine schnelle Aufnahme ausgesprochen. Demgegenüber drängt Polen zur Eile. Zuletzt hatte die Regierung in Warschau sogar Kampfjets an die Ukraine geliefert. Damit wird der Einsatz erhöht, auch für die NATO. Denn der nächste Schritt wäre eine Flugverbotszone, die die Allianz durchsetzen müsste. Polen hatte das schon 2022 gefordert. Damals sagte die NATO noch „Nein“.
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