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Alain spannt den BogenAuf den Flügeln des Gesangs: Mozarts „Così fan tutte“ und Verdis „Messa da Requiem“

Alain spannt den Bogen / Auf den Flügeln des Gesangs: Mozarts „Così fan tutte“ und Verdis „Messa da Requiem“
Eine prachtvolle Verdi-Aufführung, dirigiert von Antonio Grosu  Foto: David Ghisa

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Mit W.A. Mozarts „Così fan tutte“ und Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ kamen in dieser Woche zwei herausragende Werke der Bereiche Oper und Chorgesang zur Aufführung: „Così“ als hochprofessionelle Darbietung mit Referenzcharakter und die „Messa“ als beachtenswertes Projekt eines Ad-hoc-Ensembles mit luxemburgischer Beteiligung.

Wie sehr verschiedene moderne Inszenierungen ganze Opern verhunzen können, das konnten luxemburgische Opernfreunde vor kurzem im Grand Théâtre mit Tristan und Isolde und im letzten Jahr mit der Entführung aus dem Serail erleben. Die halbszenischen Aufführungen dagegen, die regelmäßig in der Philharmonie präsentiert werden, haben da schon ganz anderen Charakter, wie es Othello, Pique Dame, La Clemenzo di Tito, Idomeneo oder Siegfried bereits gezeigt hatten; somit konnte Mozarts „Così fan tutte“ in dieser Hinsicht vollends überzeugen.

Denn Regisseurin Salomé Im Hof brauchte keine abgefahrenen Ideen oder gar Kulissen, hinter denen sie sich verstecken konnte. Geradlinig und spannend, amüsant und präzise führte sie das spielfreudige Ensemble durch den Abend und erzählte die Geschichte geradeheraus, ohne intellektuelle Deutungen und individuelle Peinlichkeiten. Dank der permanenten Aktion konnten sich die Protagonisten sehr gut mit ihren Rollen definieren und, anders als bei konzertanten Aufführungen, wo vom Blatt gesungen wird, interpretierten die Sänger ihre Figuren auswendig, wie bei einer Opernaufführung.

Perfekter Gesang, spritzige Interpretation

Das brachte dann auch die Leichtigkeit mit sich, die Mozarts „Così fan tutte“ braucht. Das Werk sprüht nur so vor genialen Ideen: Die Musik, die Arien, die Ensembles sind so toll gestaltet, dass trotz der Dauer von drei Stunden kein Moment der Langeweile aufkommt.

Die Besetzung dieser halbszenischen „Così“ war exzellent. Angeführt wurde das überragende Ensemble von Julia Lezhneva als Fiordiligi, Sandrine Piau als Despina und Tomaso Barea als Guglielmo. Die drei Sänger hatten im Gegensatz zu ihren Kollegen die größeren Stimmen, doch unterm Strich konnten alle mit hervorragendem Gesang punkten.

Julia Lezhneva war eine frische, mädchenhafte Fordiligi mit einer wunderbar lyrischen Stimme und einem glockenhellen, ansprechenden Timbre. Tomaso Barea ist eigentlich schon ein richtiger Don Giovanni, maskulin, stimmprächtig und präsent, und somit der Rolle des Guglielmo etwas entwachsen.

Sandrine Piau, immerhin schon 57 Jahre alt, begeistert mit einem enorm jugendlichen, flexiblen und unverbrauchten Sopran und verleiht der Despina einen unverwechselbaren Charakter. Als Dorabella überzeugte die spiel- und singfreudige Emöke Barath, deren ansprechender Gesangsstil vom Feinsten war. Da ihr Sopran etwas dunkler ist als der ihrer „Schwester“, hoben sich beide Stimmen gut voneinander ab.

Alastair Kent war ein nobler Ferrando und erinnerte mit seinem subtilen und in den piano-passagen wunderbar tragfähigen Tenor an große Mozart-Sänger wie Dermota oder Haefliger. Als Don Alfonso erlebten wir den Bassbariton Konstantin Wolff, der der Figur einen hintergründigen, verschlagenen, aber eigentlich nie bösartigen Charakter verlieh. Sängerisch hielt er sich bewusst im Hintergrund, charakterisierte seine Figur als Strippenzieher und überließ den beiden „Paaren“ gerne den Vorzug.

Spiritus rector dieser Aufführung war allerdings Dirigent Giovanni Antonini, der das Kammerorchester Basel zu einem enorm dynamischen und spritzigen Spiel anhielt, die Sänger aber sehr hellhörig begleitete und immer wieder wunderbare Einzelheiten und Nebenstimmen aus dem Orchester heraushob. Das Kammerorchester Basler ist mit der historisch informierten Aufführungspraxis bestens vertraut und zeigte mit dieser „Così“ demnach sein ganzes Können.

Die beiden Choreinlagen wurden von den Basler Madrigalten makellos gesungen. Also wieder einmal eine halbszenische Aufführung die zeigt, dass die Philharmonie was Oper betrifft, auch hier auf dem richtigen Weg ist.

Prachtvolle Verdi-Aufführung

Nachdem ich im letzten Jahr von der Aufführung der 9. Symphonie von Beethoven mit dem European Academic Orchestra und dem Choeur de Chambre de Luxembourg unter Antonio Grosu eher enttäuscht gewesen war, waren meine Erwartungen zu dem neuen Projekt mit Verdis „Messa da Requiem“, die am 23. und 24. März im großen Saal der Philharmonie gespielt wurde, nicht sehr hoch. Umso überraschter war ich von der hervorragenden spielerischen und sängerischen Qualität der von mir besuchten Aufführung vom 24. März und dem in allen Punkten überzeugendem Dirigat von Antonio Grosu.

Das spieltechnische Niveau lag deutlich über einer schnell eingeprobten Ad-hoc-Aufführung und es war bewundernswert, mit welcher Professionalität es Chordirigent Grosu schaffte, die vier Ensembles, nämlich die Streicher des European Academic Orchestra, die Bläser der „Musique militaire grand-ducale“, den Chor und die vier Solisten, die ja eigentlich nie regelmäßig zusammenspielen, zu einem großen einheitlichen Klangapparat zu formen und hier immer die exakte Balance zu finden.

Sicher, da gab es in den Solopassagen der Streicher einige Intonationsprobleme im Offertorium – da merkte man schon, dass die Holzbläser der „Musique militaire“ es nicht gewohnt sind, Sänger, wie hier im Agnus Dei, adäquat zu begleiten, und dass das Blech gewohnheitsmäßig wenig nüanciert, dafür aber recht deftig und Brass-Band-mäßig auftritt. Allerdings stören diese kleinen Patzer und Einschränkungen das Gesamtvergnügen an keiner Stelle.

Grosu hatte es geschafft, mit Elizabeth Wiles (Sopran), Lilia Istrati (Mezzosopran), Mihail Mihaylov (Tenor) und Charles Dekeyser (Bass) ein hochkarätiges Solistenensemble zu verpflichten, auch wenn die Sopranistin manchmal schwächelte. Was mich aber am meisten freute, war die Tatsache, dass Antonio Grosu Verdis „Messa da Requiem“ nicht als Klangspektakel dirigierte, sondern der Musik in allen Hinsichten verpflichtet blieb. Auch räumte er dem Chor genügend Spielraum ein, sodass sich das Orchester nicht in den Vordergrund spielte, was ja beispielsweise beim Dies Irae sehr gefährlich ist.

Darüber hinaus dirigierte Grosu mit klaren Bewegungen und eher langsam in den Tempi, folgte einem natürlichen, inneren Duktus und unterließ jegliche Showgebärden. Das aus jungen Musikern der Grenzregion bestehende European Academy Orchestra bewährte sich in diesem anspruchsvollen Werk und die um die hundert Sänger und Sängerinnen des Choeur de Chambre de Luxembourg bestachen mit einem ebenso subtilen wie prachtvollen Vortrag.