Thomas Galli war Gefängnisleiter. Heute ist er Anwalt und Buchautor. Der Welt hinter Gittern spricht er anlässlich einer Konferenz in Luxemburg fast jeden Sinn ab. Er ist nicht gegen Bestrafung, aber von der Pädagogik, Übel mit Übel zu vergelten, hält er nichts. Stattdessen geht es ihm darum, dass Täter die Möglichkeit bekommen, Verständnis zu zeigen. Sich und ihren Opfern gegenüber. Dass sie, so weit es geht, den von ihnen angerichteten Schaden wiedergutmachen wollen und können. Resozialisierung ist das Stichwort. Läuterung und Hilfe, um auf einen besseren Weg zurückzufinden.
Ja, es ist wichtig, konstruktiv zu strafen. Zukunftsorientiert. In der Strafrechtspolitik gibt es wohl eine Debatte darüber. Aber in der breiten Öffentlichkeit dominiert die Meinung, dass Gefängnisstrafe die einzige angemessene Option ist, um Verbrecher zu bestrafen und die Gesellschaft zu schützen. Dass die Probleme damit nicht wirklich gelöst werden, dass man der Gesellschaft und den Tätern damit selten einen nachhaltigen Dienst erweist, all dies muss erst noch verinnerlicht werden. Vielleicht mangelt es ja einfach nur am Wissen um alternative Sanktionen, die wohl bestrafen, aber auf Wiederherstellung, Wiedereingliederung oder Prävention ausgerichtet sind.
Einfach ist es nicht, wie zwei Beispiele zeigen. 30 Jahre soll eine Frau ins Gefängnis. Sie soll schuld am Tod ihres bisher unauffindbaren Säuglings sein. Trotzig hat sie sich geweigert, Auskunft zu geben, sich zu verteidigen. Ihr Benehmen ist schwer nachvollziehbar. Wut könnte eine Reaktion sein. Aber ist Haft die richtige Bestrafung? Wäre nicht zumindest eine Psychiatrie angebrachter? Etwas, das vielleicht dazu führen könnte, Baby Bianka endlich zu finden? Und dann sollte man sich fragen, was in der knapp 40-jährigen Frau vorgeht und wie das Verhältnis zu ihren fünf anderen Kindern jetzt und in Zukunft sein soll.
Zweites Beispiel. Bei einer handfesten Auseinandersetzung zwischen jungen Männern fallen Schüsse. Ein damals 22-Jähriger hat eine geladene Pistole dabei. Eine Kugel aus seiner Waffe verletzt einen anderen jungen Mann schwer. Ersterer muss sich deswegen vor Gericht verantworten. Er habe unter massivem Drogeneinfluss gestanden, heißt es. Er habe nicht wirklich bewusst gehandelt, sei leichtsinnig gewesen. Und er bereue seine Tat sehr. Er sei geläutert und führe heute ein anderes Leben, sagt der Angeklagte zu seiner Richterin. Reicht das?
Natürlich darf man zweifeln. Aber Gefängnis? Das Urteil des Gerichts steht noch aus. Die Staatsanwältin hat elf Jahre gefordert, aber mit integraler Bewährung und unter Auflagen. Zu gnädig, zu verständnisvoll, hieß es in Kommentaren zur Strafforderung. Vielleicht wird dabei zu wenig berücksichtigt, was elf Jahre unter Beobachtung sein können. Vorrangig auch eine Chance. Haft würde den jungen Mann weiter von der Gesellschaft isolieren. Mit wenig Aussicht auf Rehabilitierung, düsteren Zukunftsperspektiven und daraus wachsend der Gefahr, definitiv in ein kriminelles Milieu ein- und abzutauchen. Diesen Teufelskreis gilt es zu verhindern.
Thomas Gallis Sicht der Dinge ist nicht auf alle Straftaten anwendbar. Das sagt er selbst. Sie ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Vielmehr ist sie eine Anregung, um darüber nachzudenken, ob wir weiter sind als „Auge um Auge und Zahn um Zahn“. Und vor allem, ob wir einsehen, dass man Menschen nicht wegsperren soll, wenn man ihnen und der Gesellschaft nachhaltig helfen möchte.
Keine Entschuldigung für Drogenkonsum, Drogenverkauf, Alkohol am Steuer, Waffengebrauch mit Ausnahme von Sportschützen und Jägern.
Zum Thema 11 Jahre auf Bewährung bei Schusswaffengebrauch, ein Skandal. "Law and Order" geht hier in diesem Falle verloren. Jeder demokratische Staat hat seine Bürger zu beschützen.
Wenn Drogeneinfluss einen Täter von vornherein "freispricht",dann sollte jeder Täter vor seiner Tat einen zu sich nehmen.Dann gibt's Rabatt beim Richter. Und die "zweite Chance" hat schon so manches Opfer das Leben gekostet. Was wohl den Geschädigten helfen könnte?