Bitte einsteigen!
So heißt unsere Artikelserie zum öffentlichen Personenverkehr in Luxemburg. Das Tageblatt beleuchtet mit Interviews, Selbsttests und Analysen alle denkbaren Aspekte des öffentlichen Transports, um in den nächsten Wochen herauszufinden, wie gut Bus, Zug und Co. im Großherzogtum funktionieren. Teil acht beschäftigt sich mit den Verspätungen und Ausfällen im öffentlichen Transport.
Verlässlichkeit: eine Qualität, die man nicht nur beim Partner schätzt, sondern auch auf dem Weg zur Arbeit. Damit so viele Menschen wie möglich auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, müssen die Passagiere sicher sein können, dass sie rechtzeitig an ihrem Ziel ankommen. Und genau das bemängeln viele Autofahrer in Luxemburg an Bus und Zug. Zu Recht? Das Luxemburger Bahnunternehmen CFL hat genaue Daten.
Die Pünktlichkeitsrate auf dem gesamten CFL-Streckennetz lag 2022 bei 90,5 Prozent. „Damit liegt dieser Wert unter dem vom vergangenen Jahr (92,1 Prozent, Anm.d.Red.) und unter unseren Erwartungen, was unseren Kundendienst betrifft“, schreibt die CFL auf Tageblatt-Nachfrage. Ein Zug gilt in Luxemburg als verspätet, wenn er mehr als sechs Minuten Verspätung hat. Diese sechs Minuten seien ein Standard, den viele europäische Eisenbahnen übernehmen würden. Wenn Fahrgäste also wegen einer fünfminütigen Zugverspätung ihre Anschlussverbindung verpassen, wird das nicht in die Statistik aufgenommen.
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„Regierung kann Pünktlichkeit der Busse ohne Statistiken nicht verbessern“
Verschiedene Zugverbindungen schnitten bei der Pünktlichkeitsrate schlechter als andere ab. Passagiere der Bahnlinie 70 über Rodange nach Belgien konnten sich in 87,7 Prozent der Fälle auf den Zug verlassen. Die Linie 90 über Düdelingen nach Frankreich musste öfter mit Verspätungen rechnen – 82,6 Prozent betrug hier die Pünktlichkeitsrate. Am verlässlichsten waren hingegen die Linie 50 in Richtung Arlon mit 93 Prozent und die Strecke 30 nach Deutschland mit 94,4 Prozent.
Verspätungen wegen Bomben und Streiks
„Das Jahr 2022 war speziell“, schreibt die CFL. In der ersten Hälfte des Jahres habe das Unternehmen eine Pünktlichkeitsrate von 92,7 Prozent erreicht – im zweiten Teil seien allerdings viele Verspätungen aus den unterschiedlichsten Gründen eingetreten. „Dazu gehört beispielsweise der Fund von zwei Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, was wiederum den Zugverkehr des gesamten Netzes aus Sicherheitsgründen lahmgelegt hat“, schreibt die CFL. Auch der Erdrutsch im Tunnel Schieburg hatte einen Einfluss auf die Pünktlichkeitsrate.
Ein weiteres Problem: Die Baustelle am Luxemburger Hauptbahnhof musste wegen Materialknappheit um zwei Monate verlängert werden. Während dieser Zeit habe der zentralste Bahnhof Luxemburgs laut CFL weniger Kapazitäten und Flexibilität gehabt – „was zu Verspätungen geführt hat“. Auch die 34 Tage Streik in den Nachbarnetzen hätten die Pünktlichkeit der Luxemburger Bahn beeinflusst. Die Verbindung 90 aus Frankreich scheint besonders darunter gelitten zu haben: In den ersten zwei Monaten dieses Jahres kamen durchschnittlich nur 67,1 Prozent dieser Züge planmäßig an.
Im Luxemburger Mobilitätskonzept „Modu 2.0“, das 2018 präsentiert wurde, hat sich das Mobilitätsministerium vorgenommen, den Anteil der Zugverbindungen mit einer Verspätung von sechs Minuten oder mehr bis 2025 um 25 Prozent zu verringern. Im Jahr 2017 – welches das Ministerium als Ausgangspunkt definiert – lag die jährliche Pünktlichkeitsrate laut CFL bei 89,6 Prozent. Heißt: Die Regierung strebt 92,2 Prozent an. Blickt man zurück auf die vergangenen Jahre, erscheint dieses Ziel allerdings nicht sonderlich ambitioniert. So erreichte die CFL bereits 2012 einen Wert von 92,1 Prozent, 2013 verbuchte sie 91,9 Prozent und 2014 waren es 92,6 Prozent.
Domino-Effekt führt zu Verspätungen
Der größte Teil der Verspätungen – 41 Prozent – entsteht laut CFL durch den Domino-Effekt – also eine Verspätung, die durch die Verspätung des vorigen Zuges ausgelöst wird. Um gegen dieses Problem vorzugehen, führe die CFL schon seit ein paar Jahren massive Aus- und Umbauarbeiten am Schienennetz durch. „Größere Kapazitäten bei den strategisch wichtigen Bahnhöfen bieten uns in Zukunft mehr Flexibilität und unseren Kunden mehr Pünktlichkeit“, heißt es in der Antwort des Zugunternehmens.
Etwa ein Viertel der Verspätungen wird laut CFL „importiert“. Die Eisenbahnprobleme des Auslands beeinflussen auch die Pünktlichkeit der Luxemburger Züge. 17 Prozent seien hingegen auf „fehlende Verfügbarkeit von Rollmaterial oder Eisenbahninfrastruktur“ zurückzuführen. Heißt: technische Pannen. „Hier setzt die CFL auf modernste Technik, also neues Rollmaterial, Präventiv-Wartung durch verbundene Sensoren in den Zügen“, schreibt das Unternehmen. Die Bahngesellschaft stelle die kompletten Details der Analyse erst im Jahresbericht 2022 vor.
Doch nicht nur Verspätungen können das Leben der Passagiere erschweren: Vergangenes Jahr fielen 3,3 Prozent der CFL-Züge aus. Die Gründe dafür seien die gleichen wie bei den Verspätungen. „Interessant ist allerdings, dass einer von drei Zügen wegen außerordentlicher Ereignisse ausfällt, zum Beispiel weil sich eine Person bei einer Schranke nicht an die Straßenregeln hält, wodurch die Schranke beschädigt wird und damit den Zugverkehr stark stört“, schreibt die CFL. In dieser Hinsicht führe das Unternehmen jedes Jahr Sensibilisierungskampagnen durch.
Keine Statistik für Busse vorhanden
Wenn es um die Pünktlichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel geht, wird üblicherweise immer zuerst über Züge gesprochen. Dabei spielt der Bus eine essenzielle Rolle im Mobilitätskonzept der Regierung. Doch: „Wir haben keine Statistiken betreffend die Pünktlichkeit der Busse vorliegen.“ Das schreibt das Mobilitätsministerium als Antwort auf eine Tageblatt-Nachfrage. Dabei fahren die rund 200 staatlichen RGTR-Buslinien mehr als 4.500 Haltestellen in Luxemburg an.
Doch deswegen sei es auch nicht einfach, auf die Verspätungen der einzelnen Haltestellen einzugehen. „Allein für den Monat Januar gab es 233.700 Fahrten“, schreibt das Mobilitätsministerium. Im Gegensatz zum Zugverkehr gebe es keine Bestimmung, die festlege, ab wie viel Minuten ein Bus als verspätet gelte. „Die Betriebsverträge des RGTR sehen allerdings Strafen vor, abhängig davon, ob der Bus fünf, zehn oder 15 Minuten Verspätung hat – und auch, wenn er zu früh fährt“, heißt es aus dem Ministerium.
Der Hauptgrund für die Verspätungen sei der Verkehr. Damit der Busfahrplan trotzdem so oft wie möglich mit der Realität übereinstimmt, berechne die „Administration des transports publics“ (ATP) separate Fahrzeiten für den Berufsverkehr. „Natürlich kommen auch Pannen oder menschliches Versagen vor – das kann man allerdings nicht in Prozente einteilen, doch das dürfte gering sein“, schreibt das Mobilitätsministerium.
Um die Pünktlichkeit der Luxemburger Busse zu verbessern, werde auch weiterhin in Infrastruktur und Mobilitätskonzepte investiert. Und: Die ATP würde den Fahrplan auch an die realen Bedingungen anpassen, „falls auf bestimmten Linien dauerhaft Verspätungen festgestellt werden“.
„Bitte einsteigen!“
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RGTR-Busse sind in der Regel recht pünktlich, wohl auch weil die Streckenlängen gekürzt wurden und der Domino-Effekt geringer ist als bei Zugfahrten. Trotzdem könnte die Pünktlichkeit verbessert werden, denn nur wenige Busse kommen "just in time" an. Das hat auch damit zu tun, dass die Fahrer - man verdenke es Ihnen nicht bei ihrem stressigen Job - oft mit leichter Verspätung losfahren, um bei reibungsloser Fahrt nur nicht zu früh an den Haltestellen zu passieren. Diese Fahrdaten können nämlich später eingesehen werden. Bei pünktlicher Abfahrt hat der Fahrer nämlich bei jedem "Arret" zu kontrollieren, ob er nicht zu früh dran ist.
Und: Die ATP würde den Fahrplan auch an die realen Bedingungen anpassen, „falls auf bestimmten Linien dauerhaft Verspätungen festgestellt werden“.
Dat ass den Trick 7, an dat ass näischt Neies. Wann de Bus am Stau steet an amplaz 20 Minutten, der 30 brauch, fir vun A op B ze kommen, gëtt de Fahrplang un den alldeegleche Stau ugepasst. Doduerch huet de Bus dann offiziell keng Verspéidung méi ; awer en ass nach ëmmer gradesou lues a kee Fatz méi attraktiv.