Nicht nur, wie sein amerikanischer Kollege Roger Ebert sagte, eine „empathy machine“, sondern auch, wenn man so will, eine Maschine der Erinnerung. In Laura Schroeders neuem, dritten, abendfüllenden Spielfilm „Maret“ geht es um genau diese Maschine. Um Erinnerung. Um eine Frau. Um eine Frau ohne Erinnerung, aber sehr wohl mit einer Vergangenheit.
Die titelgebende Maret, gespielt von Susanne Wolff, ist eine Mitte Vierzigjährige, die kurz nach einer verbalen Auseinandersetzung vor einer Kunstgalerie Opfer einer partiellen Amnesie wird. Von einem Moment auf den anderen wird die Protagonistin am Straßenrand ohnmächtig – und jegliche Erinnerung der vergangenen zwanzig Jahre ist ausgelöscht.
Wenige Tage später findet sie sich in ihren eigenen vier Wänden wieder, mitsamt Freund, kann sich aber weder an ihr Zuhause, noch an ihren Partner erinnern. Sie versucht, in ihrem Kopf irgendwie Sinn und Ordnung zu machen, doch vergeblich. Eines Tages erhält sie einen Anruf. Am anderen Ende der Telefonleitung ist eine Neurochirurgin, die ihr anbietet, zu ihr nach Lanzarote in die Klinik zu kommen. Sie könne Maret helfen. Letztere ist von der Idee eines potenziellen chirurgischen Eingriffs zuerst wenig überzeugt; es dauert jedoch nicht lange, bis dass sie ein Flugzeug in Richtung der kanarischen Inseln besteigt.
Will man den Worten Laura Schroeders Glauben schenken – ein Festivalmitglied hat im Vorfeld des letzten Screenings ein Statement der Regisseurin vorgelesen –, ist die Geschichte der Protagonistin wissenschaftlich belegt und kohärent. Tatsächlich ist die dissoziative oder psychogene Amnesie eine, die ganz plötzlich retrograd auftritt und in den allermeisten Fällen durch schwere Traumata oder Stress verursacht wird. Diese Form von Amnesie geht demnach in der Regel mit posttraumatischen Belastungsstörungen Hand in Hand. Das und vieles mehr verhandelt Schroeder mit ihrem Film und der zentralen Figur.
Irgendwann leuchtet Maret nämlich ein, dass es der Neurochirurgin nicht unbedingt um den Wiederaufbau der verschwundenen 20 Jahre geht, sondern darum, Marets Wesen so umzudisponieren, dass sie als potenziell glücklicherer Mensch wieder nach Hause geht.
Das alles sind eigentlich spannende Ansätze für einen diskursiv sehr anspruchsvollen Film. „Maret“ scheitert nicht nur in dieser Hinsicht vollends. Die von der Dänin Iben Hjejle verkörperte Dr. Moore-Figur, die Maret über lange Strecken gegenübersteht, wird vonseiten des Drehbuchs exklusiv für „Expositions“ benutzt, statt als tatsächliches moralisches Gegenüber. Das Motiv der Erinnerung bleibt dabei komplett auf der Strecke.
Die Handlung dabei in die Stein- und Lavalandschaft von Lanzarote zu verlegen – filmhistorisch ist man dabei nicht allzu weit weg von Ingrid Bergman, wie sie in Rossellinis Film auf der italienischen Insel Stromboli versucht, mit ihrer Existenz in Einklang zu kommen –, ist durchaus interessant.
Aber eine ansonsten sterile und uninspirierte Regiearbeit, die jeglichen Sinn für kohärente Dramaturgie, Raum und Rhythmus vermissen lässt, verschwendet sogar das atemberaubende Setting. Das kathartische Moment bei einem (spi-)rituellen Tanz nach langen 90 Minuten bleibt deswegen völlig aus. Und der Film trabt noch eine weitere halbe Stunde vor sich hin. Kein Wunder, dass kein wichtiges Festival „Maret“ in seine Auswahl genommen hat – nicht einmal die Berlinale, die Schroeders vorherigen Film „Barrage“ in der Sektion Forum gezeigt hatte. Und nein, es lag garantiert nicht an den ukrainischen Beiträgen, die sie vom Tellerrand geschmissen haben.
Eine Koproduktion Red Lion (LU)/Red Balloon (DE).
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können