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Alain spannt den BogenHélène Grimaud mit melancholischem Programm

Alain spannt den Bogen / Hélène Grimaud mit melancholischem Programm
Ein Shootingstar der Klassik: Klaus Mäkelä Foto: Sébastien Grébille

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Hélène Grimaud gehört seit vielen Jahren zu den Lieblingsstars des luxemburgischen Publikums. Dementsprechend gut besetzt war auch am Sonntag der große Saal der Philharmonie, um die eigenwillige Pianistin und Interpretation in einem klug zusammengestellten Beethoven-Brahms-Bach-Programm zu begleiten.

Grimaud ist, das wissen wir, keine Pianistin, die mit Effekten und ausufernder Virtuosität auftrumpfen mag; ihre Domäne sind eher die melancholischen, tiefgründigen Werke, die ihre Wirkung in den musikalischen Zwischenräumen entwickeln.

In diesem Sinne hat sich Grimaud dann auch zu einer exzellenten Brahms-Interpretin entwickelt, die alles Schwere und Pathetische meidet und vielmehr den feinen, filigranen Melodien und Linien folgt. Sie sucht bei Brahms das Schlichte, das Einfache und da kommen ihr natürlich die Intermezzi op. 117 gerade recht, denn auch hier bleibt Brahms sehr ökonomisch in seinem Komponieren, öffnet aber auch neue Türen zu neuen Formen und Experimenten.

Hélène Grimaud vermag diese typischen Brahms-Attribute wunderbar aufzudecken, genauso wie sie das in den sieben sehr unterschiedlichen Fantasien op. 116 tut. Ihr schlichter, feiner und präziser Anschlag, die wohldosierte, immer klar vernehmbare Virtuosität und ihre Kunst, diese Miniaturen zu kleinen Geschichten, ja Liedern ohne Worte werden zu lassen, ist schon phänomenal.

Angefangen hat das Konzert mit Beethovens op. 109, der ersten der drei letzten großen Klaviersonaten des Meisters. Und hier beginnt das Konzert mit einer einfachen, positiven Melodie, die uns aber nach dem kurzen Kopfsatz ganz schnell in tiefere Emotionen führt und somit bewusst auf die Brahms’sche Melancholie hinsteuert. Den Abschluss des Konzerts macht eine fulminant gespielte Chaconne von J.S. Bach in der sensationellen Klavierbearbeitung von Ferruccio Busoni.

Hélène Grimaud wirkt nach dem intensiven Beethoven-Brahms-Teil gelöst und lässt die Chaconne ohne Pause an die 7. Fantasie Cappriccio ohne Pause anklingen. Der Übergang gelingt wunderbar und Grimaud vermag es ebenso dem Feingeist Bach wie dem Virtuosen Busoni gerecht zu werden. Das Publikum erlebt eine bestens ausgewogene, nie überzogene Interpretation dieses Werkes, die besser nicht sein kann. Für den jubelnden Appplaus und die verdienten Standing Ovantions bedankt sich Hélène Grimaud mit drei Zugaben: der Etude Tableau Nr. 2 & 9 von Sergej Rachmaninow sowie dazwischen der Bagatelle Nr. 2 des ukraininischen Komponisten Walentin Silvestrow.

Ein vielversprechender junger Dirigent

Es ist nicht alles ist Gold, was glänzt. Deshalb bin ich generell vorsichtig, wenn plötzliche Shootingstars von allen in den Himmel gelobt werden. So auch bei Klaus Mäkelä, der geradezu als neuer Heilsbringer in der Klassikszene gesehen und gefeiert wird. Der erst 27-Jährige hat bereits mit 21 Jahren das Schwedische Radio Symphonieorchester dirigiert und danach viele andere große europäische Orchester. Das Concertgebouw Orchestra war so begeistert von dem jungen Dirigenten, dass es ihn zum neuen Chefdirigenten ab der Spielzeit 2027 wählte.

Auch das Orchestre de Paris hat Klaus Mäkelä 2021 zu seinem Chefdirigenten erkoren. Mit diesem Orchester und der Solistin Janine Jansen gastierte Mäkelä nun erstmals in der Philharmonie und konnte auf Anhieb überzeugen und das Publikum regelrecht von den Stühlen reißen.

Mäkelä ist einer der jüngsten Absolventen und Vertreter der Sibelius-Akademie Helsinki und Schüler von Jorma Panula (von wem auch sonst?) und scheint sich in die Phalanx jener finnischen Dirigenten wie Esa-Pekka Salonen, Jukka Pekka Saraste, Sakari Oramo oder Osmo Vänskä einzureihen, und dem wohl ebenfalls eine große Zukunft beschieden ist.

Das Konzert begann mit dem Violinkonzert von Jean Sibelius. Mäkelä überließ der Solistin das Podium, begleitete dezent, aber markant, und blieb permanent in einem engen, dynamischen Dialog mit Janine Jansen. Es ist Mäkelä hoch anzurechnen, dass er das Orchestre de Paris die ganze Zeit über unter Spannung hielt, auch in den Momenten, wo die Musiker „nur“ zu begleiten hatten.

Gerade hier zeigte sich das Talent des jungen Dirigenten. Er beschränkte sich eben nicht nur auf eine adäquate, solistenfreundliche Begleitung, sondern formte und gestaltete die Musik und die Entwicklung des Konzerts in jedem Moment mit. Janine Jansen bot eine großartige Leistung und man spürte, dass sie sich hörbar wohl mit dem Orchester und Mäkelä fühlte. Demnach lotete sie das komplexe, aber wunderschöne Konzert bis ins kleinste Detail aus, spürte jeder Melodie nach und füllte ihr konzentriertes Spiel mit wundervoll wechselnden Klangstimmungen aus.

Und Klaus Mäkelä schaffte es, mit seinem eher langsamen und wohldurchdachten Dirigat, dass man als Hörer Raum und Zeit einfach vergaß. Ebenso bei der Symphonie Fantastique von Hector Berlioz, die Mäkelä nicht als Show-Stück, sondern quasi als Seelenstudie dirigierte und die Musik so in Szene setzte, dass man auch hier die Zeit vergaß.

Jedes Detail kam klar zur Geltung und wurde in ein Ganzes gebettet, sodass die Musik durch die sehr narrative Interpretation nie auseinanderzufallen drohte. Mit dem effektvollen 4. Satz ging Mäkelä dann auch relativ zurückhaltend um und verzichtete auf großes Brimborium; stattdessen blieb seine Interpretation klar und dem Ausdruck der Musik verpflichtet. Erst im Schlusssatz ließ Mäkelä die Musiker des glänzend aufspielenden Orchestre de Paris (welch herrliche Holzbläser-Soli!) von der Leine, sodass das Publikum nach Erklingen der letzten Note in einen wahren Jubel ausbrach.

Dies war ein Tourneekonzert, das wirklich eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit den Werken zeigte und Klaus Mäkelä als einen persönlichkeitsstarken und mehr als nur talentierten Interpreten und Dirigenten auswies. Nach dem Klangrausch von Berlioz beendete das Orchestre de Paris sein Konzert mit dem dezenten Adagietto aus der Arlésienne-Suite Nr. 1.