Der Luxemburger Radsport ist bei der 81. Auflage von Paris-Nice gut vertreten. Neben den starken Teamhelfern Kevin Geniets und Alex Kirsch sowie dem jungen Michel Ries hat das kleine Großherzogtum in der Person von Bob Jungels auch einen Fahrer am Start, der das Podium anpeilen kann.
Das war lange Zeit nicht der Fall. Der letzte Luxemburger, der mit einem Platz auf dem Treppchen in Nice liebäugeln durfte, hieß Frank Schleck. Er nahm zwölfmal an der „Course au Soleil“ teil und fuhr dabei fünfmal unter die Top Ten. Sein bestes Resultat erzielte er vor 14 Jahren, als er neben Luis Leon Sanchez als Zweiter aufs Podium stieg. Schleck beendete Paris-Nice u.a. auch auf dem 5., 7., 8. und 9. Rang.
Team-Zeitfahren
Um seine Ansprüche geltend zu machen, muss sich Bob Jungels vor dem Schlusswochenende in eine gute Position manövrieren. Dazu ist er mit seiner Bora-Hansgrohe-Mannschaft insbesondere auf der 3. Etappe (Dienstag, 7. März) in der Lage, wenn in Dampierre-en-Burly ein 32,2 km langes Team-Zeitfahren auf dem Programm steht.
Die Strecke ist technisch gesehen anspruchsvoll und kurvenreich, sodass mit Abständen zu rechnen ist, die am Schlusstag in Nice in die Waagschale fallen könnten. Bei diesem „Contre-la-montre par équipe“ zählt übrigens die Zeit des ersten Fahrers. Diejenigen, die mit ihm ins Ziel kommen, erhalten dieselbe Zeit.
Bob Jungels, der vor einem Monat auf der zweiten Etappe der „Volta a la Comunitat Valenciana“ auf den 2. Platz fuhr, hat in dieser Saison bislang 788 Rennkilometer in den Beinen. Nach der „Valenciana“ weilte er bis zum letzten Montag auf Teneriffa, wo er sich auf die kommenden Aufgaben vorbereitete. Danach kam er kurz nach Luxemburg für die Audienz der „Sportler des Jahres 2022“, zu der Großherzog Henri eingeladen hatte. Vor zwei Tagen reiste er ins Département Yvelines. Dort ist morgen der Start von Paris-Nice.
Guter Dinge
Jungels ist guter Dinge, zumal Bora-Hansgrohe eine starke Mannschaft, zu der auch der zweifache Sieger Maximilian Schachmann gehört, ins Rennen schickt. Der Luxemburger bestreitet sein 6. Paris-Nice. Bisher klassierte er sich auf den Plätzen 18 (2014), 23 (2015), 8 (2019), 15 (2020) und 27 (2021).
Für Kevin Geniets ist es die zweite Teilnahme an der „Fahrt in die Sonne“. Letztes Jahr hatte er Pech, als der äußerst starke Wind vor dem Start der zweitletzten Etappe im Fahrerbereich eine Werbetafel umwarf, die auf den Luxemburger fiel. Diese Saison (bisher 705 Rennkilometer) wartete Geniets mit Ehrenplätzen (3. der 1. Etappe, 4. im Gesamtklassement) bei der „Tour des Alpes Maritimes et du Var“ auf.
Während die Fernfahrt in den französischen Süden für Michel Ries, der bereits 1.607 Rennkilometer in den Beinen hat, Neuland ist, bestreitet Alex Kirsch (832 km) sein fünftes Paris-Nice. Im Jahr 2019 beendete er die „Course au Soleil“ auf dem 76. Platz, 2020 stieg er auf der Etappe nach Valdeblore aus dem Rennen, 2021 belegte er den 104. Rang und letztes Jahr Platz 22 mit 25‘52“ Rückstand auf Gewinner Primoz Roglic. Der Slowene ist diesmal nicht mit dabei. Seine ganze Konzentration gilt dem Giro d’Italia, den er unbedingt gewinnen will.
Tourdominatoren testen sich
Paris-Nice, das vor 90 Jahren gegründet wurde, hat so seine Gewohnheiten. Allerdings müssen die Organisatoren immer wieder kleine Änderungen vornehmen, um die großen Namen der Radsportwelt anzulocken,
Zwei dieser Topfahrer, die beiden Tour-de-France-Ersten vom letzten Jahr, Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar, sind diesmal mit am Start. Der Slowene ließ bei seinem Saisondebüt in Andalusien nichts anbrennen und gewann neben dem Generalklassement auch noch vier Etappen.
Ähnlich gut startete Jonas Vingegaard ins Jahr 2023. Er holte sich gleich drei Etappen und den Gesamtsieg bei der nordspanischen Rundfahrt „O Gran Camino“. Dabei fuhr er im abschließenden Zeitfahren in einer anderen Liga als all die anderen.
Spannung wird wohl am Tag nach dem Mannschaftszeitfahren an der „Loge des Gardes“ aufkommen, wo das Ziel nach einem 6,7 km langen Anstieg mit einem Schnitt von 7,1% wartet. Auf der zweitletzten Etappe müssen die Fahrer im Schlussteil den 1.678 Meter hohen Col de la Couillole ersteigen, einen 15,7 Kilometer langen und im Schnitt 7,1 Prozent steilen Anstieg.
So hoch hinauf ging es bei Paris-Nice bisher nur im Jahr 2017. Damals eroberte der Kolumbianer Sergio Henao das „Maillot jaune“, als er mit 32 Sekunden Rückstand auf den Australier Richie Porte eintraf. Tags darauf verteidigte Henao die Führung mit viel Geschick.
Ein trauriges Jubiläum
Bei Paris-Nice 2023 gibt es auch ein trauriges Jubiläum. Ihr Artikelschreiber war vor nunmehr 20 Jahren dabei, als der Russe Andrei Kivilev am 11. März 2003 auf der zweiten Etappe zwischen La Clayette und Saint-Etienne schwer stürzte und mit dem Kopf auf die Straße aufschlug. Kivilev konnte damals dem Deutschen Volker Ordowski, der einen technischen Defekt hatte, nicht ausweichen.
Mit Kivilev stürzten auch andere Fahrer, aber nur er blieb regungslos am Boden liegen. Der sympathische Russe wurde zuerst ins Spital nach Saint-Chamond, dann in eine Klinik nach St-Etienne gefahren, wo er tags darauf seinen schweren Verletzungen erlag. Er war 29 Jahre jung und hatte im Jahr zuvor die Tour de France auf Platz 4 beendet. Am Ziel in Saint-Etienne wartete seine Frau Natalia mit ihrem kleinen Jungen Leonard. Dieser hat kürzlich an Direktor Christian Prudhomme geschrieben, um seinem Vater den Toursieg 2002 zuzusprechen. Damals stiegen Lance Armstrong, Jan Ullrich und Joseba Beloki aufs Podium, die alle mit Doping in Verbindung gebracht wurden.
Bei seinem bösen Sturz, das muss betont werden, trug Kivilev keinen Helm. Sein Tod war der Auslöser dafür, dass die UCI das Tragen des „Casque“ obligatorisch machte. Beim tragischen Vorfall, das sollte aber auch erwähnt werden, hatte Kivilev die Hände nicht am Lenker. Er war vielmehr hinter seinem Rücken mit der Funkvorrichtung beschäftigt …
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