Teenager haben’s schwer. Gerade dem Kindesalter entwachsen, doch längst noch nicht in der Erwachsenenwelt angekommen, entwickeln sie infolge stürmischer Hormonschübe ein Innenleben, über das der Autor Sven Pfizenmaier ein wunderbares Buch verfasst hat. „Draußen feiern die Leute“ beginnt mit einer Vogelperspektive auf eine Provinzstadt irgendwo in Norddeutschland. „Im Fadenkreuz“ stehen mehrere Jugendliche, die sich auf dem Marktplatz treffen und die im Laufe der Erzählung immer wieder in den Blick genommen werden. Wobei über eine Person immer wieder die Rede sein wird, weil sie fehlt: von einem Tag auf den anderen wird Flora vermisst.
Die Polizei sucht nach ihr, Bürger durchforsten in langen Reihen nebeneinander gehend die Gegend, doch die junge Frau scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Das Verschwinden von Flora ist das große Mysterium von Pfizenmaiers Roman. Gleichzeitig stimmt aber auch etwas nicht auf einer Ebene, auf der sich die Leserschaft für gewöhnlich bewegt. Denn ein ums andere Mal tauchen in der realistischen Schilderung seltsame Einsprengsel auf: Eine rüstige Oma feiert ihren 175. Geburtstag, anderseits schlafen Neugeborene wochenlang. Dazwischen meint ein Junge, unsichtbar zu sein, ein anderer sieht einer ranken Pflanze ähnlich. Und dann gibt es da noch die mannsgroße Eule mit „altglasgrünen Augen, Adiletten an den Füßen“ und einer Stimme „sonor und beruhigend wie eine Thai-Massage“.
Spätestens hier scheinen die märchenhaften Züge im Roman die Oberhand zu gewinnen. Oder kann es sein, dass sich in dieser von Sven Pfizenmaier entworfenen Welt, die innigsten Wünsche der Jugendlichen erfüllen können, wenn sie imstande sind, ganz stark an sie zu glauben? Dass also jemand unsichtbar ist, weil er meint, es zu sein? Und dass Eltern reden, als würden sie ihre Dialoge vom Teleprompter ablesen, eben weil sie die Existenz lebensgroßer Puppen leben, weil sie wirklich längst schon ihren eigenen Willen gegen einen neuen Porsche oder eine Einbauküche mit qualitativ hochwertigem Induktionskochfeld eingetauscht haben? „Draußen feiern die Leute“ ist ein Roman, der sich fantasievoll und sensibel mit dem Thema Erwachsenwerden beschäftigt – indem die Ängste von Teenagern für real genommen, adoleszente Neurosen aus ihrer abstrakten Sphäre in einen teilweise albtraumhaften, manchmal auch lyrischen, betörend schönen Handlungsraum versetzt werden.
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