Tageblatt: Wie ist Geldwäsche definiert?
Thierry André: Geldwäsche ist der Prozess, bei dem Geld aus kriminellen Aktivitäten in eine Finanzierung umgewandelt wird, die scheinbar aus einer rechtmäßigen Quelle stammt. Geld kann auf viele Arten gewaschen werden: durch Immobilien, Glücksspiel, Aktienanlagen, Handel mit beweglichen Gütern wie Fahrzeugen oder Kunstobjekten, um nur einige zu nennen.
Worin besteht eigentlich die Gefahr der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung im Handel mit Kunstobjekten?
Die Kunstbranche ist sehr interessant für Kriminelle. Wertvolle und wertbeständige Objekte und Gemälde können mit gewöhnlichen Zahlungsmitteln erworben werden und sind leicht von Person zu Person übertragbar. Selbst im Falle eines Wertverlusts kann das jeweilige Kunstwerk wieder gegen „sauberes Geld“ verkauft, also weißgewaschen werden. Die Gefahr liegt in der unbegrenzten Möglichkeit der Verschleierung der wirtschaftlich Begünstigten, des endgültigen Bestimmungsortes des Kunstwerks und vor allem in einem internationalen, weltoffenen Markt.
Wie kann ein Händler oder Galerist einen „normalen“ Kunstliebhaber von einem kriminellen unterscheiden? Beide werden ja vermutlich mit legalen Zahlungsmitteln bezahlen?
Der Händler hat ein Bauchgefühl, eine Intuition, die ihn vor dem Verkäufer oder Käufer warnt. Das ist auch gut so, deckt aber nicht die Anforderungen der Einregistrierungs-, Domänen- und Mehrwertsteuerverwaltung. Denn der Gesetzgeber und die Verwaltung setzen auf eine spezifische Prozedur und Dokumentation der Transaktion.
Wie kann man sich diese Prozedur und Dokumentierung vorstellen?
Der Händler ist verpflichtet, die Identität jeden Geschäftspartners oder Vermittlers zu überprüfen und durch eine beglaubigte Kopie des Ausweises zu dokumentieren. Zudem muss er die Kontaktdaten aller Beteiligten erfassen. Handelt der Kunde im Auftrag einer Gesellschaft, so müssen auch die wirtschaftlichen Nutznießer („Registre des bénéficiaires effectifs“) erfasst werden. Weiter muss der Händler das jeweilige Kunstwerk erfassen sowie die Herkunft des Kunstwerks klären. Hieb- und stichfeste Nachweise sind beim Ankauf sehr schwierig, etwa bei Erbschaften. Kaum jemand bewahrt Rechnungen von Gemälden, die vor Jahrzehnten von den Eltern oder Großeltern erworben wurden, auf. Beim Verkauf stehen Fragen zur Finanzierung sowie die Herkunft der dazu genutzten Geldmittel im Mittelpunkt. Anhand einer Matrix, wo weitere Daten wie Nationalität, Wohn- und Arbeitssitz, Bestimmungsland des Kunstwerkes erfasst werden, kann der Händler das Risiko der Geldwäsche einschätzen. Im Verdachtsfall informiert er die zuständigen Behörden. Selbst wenn kein Risiko besteht, ist der Händler zur Dokumentierung aller Etappen verpflichtet und muss dies auf Nachfrage auch nachweisen können.

Ihren Erläuterungen nach ist also das A und O in der Geldwäschebekämpfung die Dokumentierung von Transaktionen. Wie verlief der Kunsthandel bisher?
Lange Zeit beruhte der Kunstmarkt ausschließlich auf Geheimhaltung. In der Tat war es üblich, dass sich Käufer und Verkäufer nicht kannten. Gleiches galt auch für Auktionshäuser, die nicht immer ihre Verkäufer oder Käufer kannten. Das Problem dabei bestand nicht nur auf dem Gebiet der Geldwäsche. Aufgrund der leichten „Mobilität“ eines Kunstwerkes ist oftmals die Herkunft der Objekte unbekannt – Stichwort Handel mit Hehlerware. Wohl nutzen viele Händler Datenbanken, in denen gestohlene Werke gelistet sind, doch auch diese Überprüfung gibt nie eine hundertprozentige Garantie.
Fällt Ihrer Meinung nach auch ein Flohmarkthändler unter die Bestimmungen des abgeänderten Geldwäschegesetzes?
Durchaus, und zwar auf Grundlage des im Gesetz aufgeführten „négociant de biens“, insofern der Flohmarkthändler Transaktionen von über 10.000 Euro durchführt. Der Gesetzgeber redet nicht nur von einer einzelnen Transaktion, sondern auch von einer Serie zusammenhängender Geschäfte sowie von Bargeldgeschäften. Zitat Art.3(1) ba): „Dans le cas de personnes négociant des biens, lorsqu’elles exécutent, à titre occasionnel, des transactions en espèces d’un montant égal ou supérieur à 10.000 euros, que la transaction soit exécutée en une seule ou en plusieurs opérations qui semblent être liées.“ Im „teuren“ Kunst- und Antiquitätenhandel ist die vom Gesetzgeber anzuwendende Prozedur schon sehr schwerfällig. Beim Flohmarkthändler ist das Anwenden von derartigen Prozeduren in der Praxis aufgrund der Vielfalt an Flohmärkten und Kunden kaum umsetzbar.
Kann man daraus schlussfolgern, dass das Gesetz nicht unbedingt „benutzerfreundlich“ ist?
In verschiedenen Punkten ist eine praktische Umsetzung nicht sehr einfach. Jedoch muss ich betonen, dass das ursprüngliche Geldwäschegesetz seit 2004 in Kraft ist und der Kunst- und Antiquitätenhandel seit dem 25. März 2020 ebenfalls davon betroffen ist. Meines Wissens und meiner Nachforschungen nach wenden, wenn überhaupt, nur sehr wenige Händler die gesetzlich vorgeschriebenen Prozeduren an, obwohl das abgeänderte Gesetz seit nun fast drei Jahren in Kraft ist. Auch ist mir kein Fall bekannt, in dem der „Enregistrement“ eine Kontrolle eines Kunst- und Antiquitätenhändlers durchführte. Ergo liegen weder aus der betroffenen Branche noch von Verwaltungsseite Erfahrungswerte vor, die zu einer Anpassung der Prozeduren führen könnten.
Weshalb setzt kaum ein Händler die vorgeschriebenen Kontrollprozeduren um?
Vermutlich weil der „Enregistrement“ keine Kontrollen durchführt und keine Sanktionen verhängt, und somit die Branche nicht unter Druck steht. In der Immobilienbranche war es das Gleiche. Nur wenige Makler setzten die Prozeduren um, bis zu jenem Tag, als die Verwaltung erste Sanktionen und Geldbussen verhängte. Danach liefen die Telefone bei uns heiß, zahlreiche Makler wollten unsere Dienstleistungen zur Erstellung der „Anti-Blanchiment-Prozedur“ in Anspruch nehmen.
Der Gesetzgeber visiert auch die „négociants de biens“. Können Sie einige Beispiele nennen, welche Berufssparten unter diese Bezeichnung fallen?
Am Beispiel des Salon „Antiques & Art Fair“ sind auch die Antiquitätenhändler davon betroffen. Über diese Messe hinaus fallen etwa die Gebrauchtwagenhändler und jegliche Händler, die mit beweglichen Gütern handeln, unter dieses Gesetz. Jedoch nur, sobald eine Mindestgrenze von 10.000 Euro überschritten wird.
Zur Person
Thierry André begann seine berufliche Laufbahn im nationalen und internationalen Bankwesen. Er verfügt über ein fundiertes Fachwissen und ein umfassendes Verständnis von AML/CTF-Compliance. Beim Luxemburger Dienstleister Maqit S.A. in Leudelingen setzt sich Thierry André aktiv dafür ein, das Bewusstsein für die AML-Risiken in den verschiedensten Branchen zu schärfen. Er gibt praktische Hilfestellung bei der Einführung und Umsetzung verantwortungsvoller Praktiken zur Bewältigung dieser Risiken. Bevor er Unternehmer wurde, war Thierry André Leiter des Risikomanagements bei der Union bancaire privée (Europe) S.A., wo er seine Fähigkeiten im Bereich Risikomanagement und AML/CTF-Compliance ausbaute und sein Wissen an Kunden aus der Fonds- und Bankenbranche weitergab.
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