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Rückblick 2022Menschliche Abgründe vor Gericht: von Betrug bis Mord

Rückblick 2022 / Menschliche Abgründe vor Gericht: von Betrug bis Mord
„Cité judiciaire“ in Luxemburg: Die vor Gericht verhandelten Prozesse ermöglichen einen Einblick in das Leben der Menschen und in ihre Schicksale. Kalt lässt einen das selten. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Bandbreite reicht von Ordnungswidrigkeit, Verkehrsdelikt über Betrug bis hin zu Misshandlung und Mord. Gerichtsprozesse sind stets ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das war 2022 nicht anders und wird es auch im kommenden Jahr nicht sein. Einige Beispiele.*

Gerichtsprozesse sind oft schaurig, schrecklich. Schön sind sie nie und meistens gehen sie einem sehr zu Herzen.

Es geht um Menschen und um ihr Schicksal. So auch in dem Fall, der im Januar 2022 vor Gericht verhandelt wird. Es geht um Ana Lopes, eine junge Mutter, die getötet und in Frankreich in der Nähe der Luxemburger Grenze in ihrem Auto verbrannt wird. Der Tat beschuldigt wird der Ex-Freund und Vater des gemeinsamen Kindes. Der Mann wird auch im Berufungsprozess schuldig gesprochen. Was ihn bewogen hat, bleibt eigentlich ungeklärt.

Corona vor Gericht

Auch Corona spielte 2022 vor Gericht eine Rolle. Vor einem Polizeigericht haben zwei wegen Ordnungswidrigkeiten angeklagte Corona-Skeptiker die Frage ob der Verfassungsmäßigkeit der Pandemie-Gesetze aufgeworfen. Ja, sie seien konform, urteilte das Verfassungsgericht und beantwortete damit eine – nicht nur von Corona-Skeptikern – zu Recht oft gestellte Frage.

Im Rahmen von Corona wurde der Allgemeinmediziner Benoît Ochs in Berufung vom obersten Disziplinarrat des „Collège médical“ zu einem Jahr Berufsverbot verurteilt. Dem Arzt und Corona-Maßnahmen-Skeptiker wurden Verstöße gegen den Codex der Luxemburger Ärzteschaft vorgeworfen. Im April 2023 könnte er theoretisch seine Praxis in Gonderingen nahe Junglinster wieder öffnen. Allerdings droht im kommenden Jahr ein neuer Prozess gegen den Arzt.

Wir bleiben bei den Ärzten. Zwei von ihnen reichten Klage ein, weil sie sich von einem Corona-Skeptiker verunglimpft fühlten. Dieser hatte sie als Nazis bezeichnet und mit dem KZ-Arzt Mengele verglichen. Vor Gericht haben die Kläger recht bekommen.

Baulöwe und Politiker verurteilt

Mit Flavio Becca stand 2022 einer der großen Luxemburger Bauunternehmer vor Gericht. Es ging um Luxusuhren, um Geldwäsche und Missbrauch von Firmengeldern. Auch in Berufung wurde der Geschäftsmann verurteilt – zu 12 Monaten mit integraler Bewährung, 250.000 Euro und der Konfiszierung von 850 Luxusuhren.

Im November ist ein anderer Geschäftsmann verurteilt worden: Roy Reding, selbst Jurist und ADR-Abgeordneter, bekam wegen Immobilienbetrugs 12 Monate auf Bewährung und 50.000 Euro Geldstrafe.

Polizisten unter Anklage 

Auf zwei Prozesse wurde 2022 besonders gewartet.

Zum einen ging es um einen Polizeieinsatz 2018 in Lausdorn. Eine Verkehrskontrolle und die darauffolgende Verfolgungsjagd eines Automobilisten führten zu einer Kollision zweier Polizeifahrzeuge und zum Todes eines Polizisten. Eine Polizistin wurde schwer verletzt. Der Hauptbeschuldigte, ein Beamter, der am Unfall beteiligt war, wurde freigesprochen. Der flüchtende Automobilist bekam eine Bewährungsstrafe.

Zum anderen ging es um eine Polizeikontrolle 2018 in Bonneweg. Ein damaliger Polizist hatte mehrere Schüsse auf ein Fahrzeug abgegeben. Aus Notwehr, wie sein Anwalt sagte. Das Gericht sah das anders und verurteilte den Schützen in erster Instanz zu fünf Jahren Haft. Den Richtern zufolge sei der damals 22 Jahre alte Polizist wohl vom Autofahrer provoziert worden, habe aber zur Seite springen, sich retten können und folglich nicht schießen müssen.

Islamistische Propaganda und Bianka

Hervorzuheben bleibt noch das Urteil gegen ein in Luxemburg lebendes und zum Islam konvertiertes Ehepaar, das sehr umfänglich Propaganda für den islamischen Staat und seine menschenverachtende Ideologie betrieben hat. Aufgrund des Luxemburger Antiterrorgesetzes wurden beide Mitte Dezember auch in Berufung zu Haftstrafen verurteilt.

Dann ging es im Dezember um Bianka. Das Baby war im Sommer 2015 kurz nach seiner Geburt spurlos verschwunden. Jene Person, die Aufschluss geben könnte, ist die Mutter. Die aber schweigt, kaum nachvollziehbar, seit sieben Jahren. Die Staatsanwaltschaft fordert 15 Jahre Haft.

Vier Jahre Haft werden gegen die Leiterin einer Kinderkrippe in Bous gefordert. Die Frau soll die ihr anvertrauten (Klein-)Kinder sowie das Personal menschenunwürdig behandelt haben. Die Urteile werden im Januar bzw. Februar 2023 gesprochen.

* Unsere Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Ausblick 2023: Lunghi vs. RTL und Beamte aus Hesperingen

An Arbeit wird es der Luxemburger Justiz auch 2023 nicht fehlen. Zwei ehemalige Beamte der Gemeinde Hesperingen werden sich voraussichtlich ab dem 18. des Monats vor Gericht verantworten müssen. Ihnen wird vorgeworfen, während Jahren mehr als 3 Millionen Euro an Gemeindegeldern veruntreut zu haben. Sie sollen es illegal und auf dreiste Weise in die eigene Tasche abgezweigt haben. Ihr offensichtlich damit finanzierter verschwenderischer Lebensstil ging 2019 zu Ende, als die Sache aufflog. Wie aus dem Untersuchungsbericht hervorgeht, der dem Tageblatt vorliegt, soll einer der ehemaligen Beamten praktisch die Tat gestanden haben. Der andere ist scheinbar etwas zurückhaltender. Im Prozess dürfte vor allem auch ein Audit von PwC interessant werden, der Schwachstellen in der Buchhaltung der Gemeinde enthüllt habe.
Ein anderer spannender Fall ist der Prozess Lunghi vs. RTL. Streitpunkt ist ein Interview, das der damalige Mudam-Direktor Enrico Lunghi im Herbst 2016 einer freien Mitarbeiterin der RTL-Redaktion gegeben hat. In einem zuerst gesendeten Fernsehbericht hat es den Anschein, als ob der Museumschef sich etwas ungehalten gegenüber der Frau benimmt. Doch der Zusammenschnitt täuscht, wie die Auswertung der integralen Kameraaufnahmen vermuten lässt. Enrico Lunghi sieht seinen Ruf durch RTL beschädigt und fordert Schadenersatz. Auch der ehemalige RTL-Chef Alain Berwick wird im Prozess aussagen müssen. Ende Februar, Anfang März werden wir mehr erfahren.