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Alain spannt den BogenVon Trier nach Luxemburg: Bach in der Philharmonie, Solistes Européens und Puccinis „Tosca“

Alain spannt den Bogen / Von Trier nach Luxemburg: Bach in der Philharmonie, Solistes Européens und Puccinis „Tosca“
Andras Schiff, Pianist und Leiter der Cappella Andrea Barca, sieht sich als Primus inter pares und agiert als Kammermusiker, der sich ganz in das Klanggeschehen des Orchesters integriert Foto: Sébastien Grébille

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Eine überraschend gute „Tosca“ kann man derzeit am Theater Trier erleben. Regisseur Jean-Claude Berutti schafft es mit einfachen Mitteln, d.h. mit einigen wenigen Requisiten und passenden Video- und 3D-Foto-Projektionen, ein stimmungsvolles Bühnenbild zu zaubern.

Die Geschichte wird geradlinig erzählt und hält sich exakt an die Vorgaben. Und das tut gut, endlich kann man wieder Oper als Oper genießen und braucht sich nicht auf die intellektuellen Ego-Spielereien eines selbstverliebten Regisseurs einzulassen. Beruttis Personenführung ist stringent und er nutzt das schauspielerische Talent seiner drei Hauptprotagonisten. Und die sind von beachtlichem sängerischen Niveau.

Roman Ialcic ist ein bösartiger und hinterhältiger Scarpia, der nicht mit vokalen Ausbrüchen prahlt, sondern gefährlich leise und subtil intoniert. So gelingt es ihm selbst im Te Deum des 1. Aktes, wortverständlich zu artikulieren und diesen gewaltigen Aktschluss sehr differenziert zu gestalten. Die Überlegenheit und Gefährlichkeit dieser Figur sind, bis zu ihrem überraschenden und schnellen Tod, in jedem Moment zu spüren und nachzuvollziehen. Torsthen Büttner beeindruckt als Mario Cavaradossi mit einem schönen und geschmeidigen Tenor, der in der Mittellage sehr gut trägt und zudem zu einer strahlenden Höhe fähig ist. Wie sein Gegenspieler Ialcic setzt er seinen Gesang sehr intelligent und bewusst ein, um seine Figur zu charakterisieren. Schlichtweg überragend ist die Tosca von Arminia Friebe, die über eine sehr große, aber geschmeidige und schöne Stimme verfügt. Friebe gestaltet die Tosca sehr intensiv, jede Gefühlsregung ist da vorhanden, in den Arien und Duetten ist sie eine sehr präzise Gestalterin und da, wo es darauf ankommt, lässt sie auch ihre atemberaubende Höhe regelrecht von der Leine. Nach ihrer herzergreifenden Arie „Vissi d‘arte“ im 2. Akt gibt es nicht nur vom Publikum großen Applaus, selbst Kollege Roman Ialcic lässt es sich nicht nehmen, dezent (und rollengerecht) zu applaudieren.

Generalmusikdirektor Jochem Hochstenbach dirigiert sängerfreundlich und hält das Philharmonische Orchester der Stadt Trier durchgehend zu einem spannenden und dramatischen Spiel an, wenn auch in unserer Vorstellung vom 9. Dezember die Musiker im 3. Akt etwas zu schwächeln anfingen. Der einzige Schwachpunkt dieser Trierer Tosca soll aber auch nicht verschwiegen werden. So gut Berutti die Geschichte erzählt, so fantasielos und schlecht ist Toscas Selbstmord gelöst. Die Protagonistin einfach in ein grelles Licht schreiten zu lassen, passt so gar nicht zu der sonst sehr konsequenten Erzählweise des Regisseurs. Trotzdem: Die Trierer Tosca ist ein absoluter Leckerbissen für Opernfans. Weitere Vorstellungen gibt es am 20. und 25. Dezember sowie am 29. Januar und 8. Februar 2023. (Informationen unter www.theater-trier.de)

Primus inter pares

Johann Sebastian Bachs Klavierkonzerte BWV 1052-1058 im Konzertsaal an einem Stück zu hören, ist eine absolute Seltenheit. Selbst einzeln finden diese ersten Klavierkonzerte der Musikgeschichte kaum den Weg in die Konzertprogramme. Allerdings verzichtete Sir Andras Schiff auf das „Konzert Nr. 6 BWV 1057“, das eine Bearbeitung des 4. Brandenburgischen Konzertes ist und als Einziges neben den Streichern auch noch zwei Flöten benutzt. Dieser Abend erlaubte uns, ganz in zwei Universen einzutauchen. Zum einen in das Universum der Bachschen Musik, die gerade in solch einer Konstellation ihre ganze Schönheit und Universalität entfalten kann. Zum anderen in das von den ausführenden Musikern. Ich sage bewusst hier Musiker und nicht Andras Schiff, denn der Pianist und Leiter der Cappella Andrea Barca sieht sich als Primus inter pares und agiert auch so. Nämlich als Kammermusiker, der sich ganz in das Klanggeschehen des Orchesters integriert.

Überhaupt ist Kammermusik hier Trumpf. Alle Musiker agieren aus dem Gefühl der Kommunikation, des Dialogs, des Miteinander heraus, sei es nun zwischen den einzelnen Instrumentengruppen oder eben zwischen Solist und Ensemble. Andras Schiff und seine Cappella Andrea Barca spielen in völliger Harmonie und mit dem gleichen Atem, was der Musik eine unwahrscheinliche Selbstverständlichkeit und Lebendigkeit gibt. Jeder, der Schiff kennt, weiß auch, dass er sich Bach von der Tradition her nähert. Dieses Konzert war demnach weit von der historischen Aufführungspraxis entfernt, die Musik erklang flüssig und sehr musikantisch, die Akzente waren plüschig und rund und das Spiel von Andras Schiff nuancenreich, poetisch und in jedem Moment faszinierend. Faszinierend auch, weil einfach alles passte und die Musiker sich als wunderbares Kollektiv ganz in den Dienst dieser Werke stellten. Sir Andras Schiff ist Artist in residence der Philharmonie und das Publikum wird ihn noch am 12., 16. und 18. Juni in drei weiteren Konzerten erleben können.

Wenig aufregendes Weihnachtskonzert

Wenig Aufregendes gibt es diesmal vom Weihnachtskonzert der Solistes Européens Luxembourg zu berichten. Irgendwie konzeptlos und zusammengeschustert wirkte das Programm mit dem 3. Brandenburgischen Konzert BWV 1048 von J.S. Bach, „Idillo – Concertino per oboe, orchestra arci e 2 corni“ von Emmanuel Wolf-Ferrari mit dem Solo-Oboisten des Orchesters Katsuya Watanabe, der Serenade op. 6 von Josef Suk und der „Kleinen Nachtmusik“ von W.A. Mozart.

Abgesehen davon, dass alle Werke für Streichensemble komponiert sind, haben sie nichts gemeinsam und eigentlich auch keinen Bezug zu Weihnachten. Und abgesehen von dem herrlich aufspielenden und wunderbar phrasierenden Watanabe mit seinem kernigen Oboenton blieben die Streicher an diesem Abend blass und oft nur ungefähr. Am besten gelangen König und den SEL noch die Begleitung des Solisten in Wolf-Ferraris romantischem Concertino und in der Kleinen Nachtmusik, die mit straffen Tempi, Dynamik und zumindest etwas nuancierterer Orchesterarbeit einen positiven Schlussstrich unter ein Konzert setzte, das bei mir jedenfalls keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat.