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TreibstoffDie fetten Jahre sind vorbei: Das Tankparadies Luxemburg ist gefährdet

Treibstoff / Die fetten Jahre sind vorbei: Das Tankparadies Luxemburg ist gefährdet
Die Preise lassen es erahnen: Dieses Foto stammt aus der guten, alten Zeit – aus dem August 2020 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Zum Tanken schnell über die Grenze nach Luxemburg, zum Beispiel in Wasserbillig, und dabei noch Alkohol und Zigaretten einkaufen. Dieses lukrative Modell für die Treibstoffbranche fällt nach langer Zeit nun in sich zusammen. Die Energiekrise ist dabei nur einer von vielen Faktoren.

Der Tanktourismus war für Luxemburg über Jahrzehnte eine sichere Bank: Auf etwa zwei Milliarden Euro an Steuereinnahmen schätzt der „Groupement énergies mobilité Luxembourg“ (GEML) das Geldgeschenk für den Staat – und zwar aus Kraftstoffen, Tabak und Alkohol. Und das stabil, weil die Steuereinnahmen aus diesem Sektor weitaus weniger konjunkturellen Schwankungen wie etwa im Bankensektor unterliegen. In dieser sogenannten Souveränitätsnische hat Luxemburg die Steuern nur niedriger als in den Nachbarländern halten müssen – und schon rollte der Euro. In den guten Jahren hat der Sektor so immerhin für bis zu zehn Prozent der Steuereinnahmen des Ländchens gesorgt.

Doch die Branche ist auf den Kopf gestellt. Und „wohin die Reise geht, ist zeitnah noch schwer ersichtlich, nach den vielen Krisen der letzten Monate und Jahre“, sagt Romain Hoffmann, Präsident des GEML und Geschäftsführer von Aral Luxemburg, auf TV-Anfrage. Denn schon vor Corona kriselte es im Spritsektor: Im Kampf gegen den Klimawandel und die Verbesserung der eigenen CO2-Bilanz führte der Staat neue Abgaben für LKW ein, später auch eine CO2-Steuer. Damit wurde der Tanktourismus für Transportunternehmen, die über Belgien fahren, weniger attraktiv.

Grenzpendler arbeiteten im Homeoffice – und besuchten die Tankstellen-Shops weniger oft.
Mit der Corona-Pandemie verschärfte sich die Lage weiter. Im Lockdown arbeiteten die Grenzpendler im Homeoffice, tankten weniger Sprit und kauften weniger in den Shops ein. Ende 2020 verzeichnete die gesamte Branche einen Absatzeinbruch um 21 Prozent. Ein Jahr später lagen die Volumina gleichauf – also erneut keine Verbesserung.

Ein erstes Aufatmen, Anfang 2022, wurde infolge des Ukraine-Kriegs jäh gestoppt. Ein schwacher Euro, steigende Preise, Lieferengpässe: Teilweise haben die Tankstellen ihren Sprit „mit großen Verlusten verkauft“, so der GEML. Zwar stützt der Luxemburger Staat den Verkauf von Benzin, doch die Beihilfen der Nachbarländer sind teils höher als im Großherzogtum. Nicht nur in Deutschland sind die Spritpreise teils niedriger als in Luxemburg, auch an der französischen Grenze brechen die Verkäufe ein. Je nach Tankstelle sind laut dem Branchenverband die Verkäufe um mehr als 40 Prozent eingebrochen.
Die Angst nun: Dass dieses Jahr ein noch schlechteres wird als 2021. „Wir werden die Volumina wie noch vor der Pandemie nicht mehr erreichen“, stellt Hoffmann auf TV-Anfrage fest. „Es ist auch nicht auszuschließen, dass einige Tankstellen schließen werden.“ Die besten Jahre sind demnach vorbei.

Doch was nun? „Anpassungen gehören in unserer Branche seit Jahren zum Geschäft“, versucht der Verbandschef Zuversicht auszustrahlen. Und dass man die Pariser Klimaziele unterstütze, zeige sich nicht zuletzt auch an der Umbenennung des Verbands von „Groupement pétrolier“ in „Groupement énergies mobilité“. Allerdings sieht der Verband auch hausgemachte Probleme durch die luxemburgische Politik, etwa die steuerliche Verteuerung des Kraftstoffs und die Festlegung auf Elektromobilität. Die Verkäufe von Diesel in Luxemburg seien zwar dadurch geringer, hätten sich aber in andere Länder verschoben. „Das Klima hat nichts davon“, bemängelt der Verband. Im Gegenteil: Es werde für Bürger und Grenzgänger nur teurer.

So möchte Luxemburg bis zum Jahr 2030 seine gesamte Fahrzeugflotte auf den Straßen zur Hälfte elektrifiziert haben, was Romain Hoffmann für ein „ambitioniertes oder vielleicht sogar unrealistisches Ziel“ hält. Und in der Tat ist hier noch einiges zu tun: 2020 lag der Anteil an E-Autos bei den Neuzulassungen in Luxemburg bei 5,5 Prozent – nach 1,8 Prozent im Vorjahr. Der Anteil am gesamten nationalen Fuhrpark lag bei 1,03 Prozent.

Der GEML sieht allerdings trotzdem auch Chancen: Selbst wenn 50 Prozent des nationalen Fuhrparks bis 2030 mit Strom fährt, „heißt das dann aber auch noch 50 Prozent klassische Kraftstoffe. Wir werden das Tankstellengeschäft weiterhin betreiben.“ Und bei den kriselnden acht Autobahntankstellen will man versuchen, sich anzupassen – etwa durch die Installation von schnelleren E-Ladestationen: „Wir wollen auch ein Akteur in dem Prozess des Wandels sein“, sagt Hoffmann. Aber auch das Nebengeschäft der Shops – mit Nahrungs- und Genussmitteln – soll weiter ausgebaut werden: „Viele sogenannte Ölunternehmen haben schon seit Jahrzehnten ein zweites Standbein mit den Shops aufgebaut und werden zu integrierten Energiekonzernen. Die Nahversorgerrolle der Tankstellen wird sicherlich noch ausgebaut“, ist der Verbandschef überzeugt – etwa mit Paketdiensten, Lottogeschäft und Bankautomaten. „Der Trend wird weiter bestehen bleiben. Die Menschen wollen das. Und wir könnten ohne sie nicht überleben.“

* Sabine Schwadorf ist Redakteurin des Trierischen Volksfreunds, wo dieser Artikel zuerst erschienen ist.

Luxemburgs Tankstellen-Sektor

Tankstellen, Heizöllieferanten und Ölgesellschaften haben sich in Luxemburg 1979 nach der Ölkrise zum „Groupement pétrolier luxembourgeois“ (GPL) zusammengeschlossen. Insgesamt zählt die Energie-Branche aktuell rund 3.600 Beschäftigte. Davon arbeiten 2.750 auf den 232 Tankstellen im Großherzogtum, 350 in der Logistik, 310 in der Verwaltung und 190 im Bereich Heizöl. Aufgrund der veränderten Politik hin zu mehr Elektromobilität ist aus dem GPL der „Groupement énergies mobilité Luxembourg (GEML) geworden, der für den Großteil des Luxemburger Energieverbrauchs steht. Erdöl steht – auch wegen des Tanktourismus’ – für rund 60 Prozent am gesamten Luxemburger Energieverbrauch.

Diesel macht dabei rund 55 Prozent des Absatzes aus. Benzin ist derweil inzwischen auf einen Anteil von knapp 13 Prozent gewachsen. Der Absatz von Flugturbinenkraftstoff ist auf einen Anteil von fast einem Viertel (23,3 Prozent) des Marktes geklettert. Hintergrund dafür: Zwar war der Flugverkehr während der Corona-Pandemie stark beeinträchtigt, allerdings hat der Frachtflugverkehr im Großherzogtum stark zugelegt, wie auch Rekordgewinne der Gesellschaft Cargolux als größtem Betreiber des Luxemburger Flughafens Findel zeigen.

Phil
19. Dezember 2022 - 4.14

@Romain
Die wegfallenden Steuereinnahmen zahlt der Bürger, ergo auch Sie.
Nur ein Narr sägt den Ast ab auf dem er sitzt.

Romain
14. Dezember 2022 - 11.16

So hat Luxemburg weniger CO Steuern zu bezahlen

JJ
14. Dezember 2022 - 9.13

Dann kann Wasserbillig endlich aufatmen oder besser-durchatmen.