Am liebsten grast Jonathan im Garten, nimmt ein kühles Bad oder schläft im Schatten der Bäume. Er kam kurz nach dem Tod Napoleons zur Welt und gilt als das älteste lebende Landtier: Jonathan, eine Seychellen-Riesenschildkröte, hat am Wochenende seinen 190. Geburtstag auf der Insel St. Helena im Südatlantik gefeiert, wo der französische Kaiser 1821 im Exil gestorben war.
Jonathan lebt seit 1882 auf der 121 Quadratkilometer großen Insel mit ihren knapp 4.500 Einwohnern. Die Schildkröte war ein Geschenk für den Briten Sir William Grey-Wilson, der später Gouverneur von St. Helena wurde (1890-1897). Seitdem lebt Jonathan im Garten der Residenz, in der er mehr als 30 Gouverneure kommen und gehen sah.
Jonathans genaues Geburtsdatum kennt niemand, doch dass er mindestens 190 Jahre alt ist, beweisen ein historischer Brief und ein Foto. Das Schreiben aus dem Ankunftsjahr zeigt, dass Jonathan als „ausgewachsenes Tier“ landete. Auch auf einem zwischen 1882 und 1886 auf der Insel aufgenommenen Foto kann man anhand des Panzerdurchmessers erkennen, dass Jonathan bei seiner Ankunft bereits ausgewachsen war. Für Schildkröten kommt dies Experten zufolge einem Mindestalter von 50 Jahren gleich.
Eigentlich sei die durchschnittliche Lebenserwartung seiner Artgenossen 150 Jahre, doch Jonathan sei ein Überlebenskünstler, sagt sein Pfleger Joe Hollins. Seit seiner Geburt (geschätzt 1832) hat er mehrere Weltkriege, acht Monarchen auf dem britischen Thron und 40 US-Präsidenten erlebt. Seine Geburt liegt vor dem Druck der ersten Briefmarke (1840), dem Bau des ersten Wolkenkratzers (1885) und der Fertigstellung des Eiffelturms (1887).
„Für uns ist Jonathan ein Symbol für Beständigkeit und Überleben. Er hat Kriege und Seuchen kommen und gehen, Imperien wachsen und fallen sehen, auch wenn er selbst nichts davon weiß“, sagt Hollins. „Er gibt uns Hoffnung, dass etwas trotz der Brutalität der Menschheit auf unserem Planeten überleben kann.“
Seit zwölf Jahren kümmert sich Hollins um den etwa 180 Kilogramm schweren Jonathan. Der Tierarzt stellt sicher, dass er ausreichend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zu sich nimmt. Einmal die Woche füttert er ihn mit der Hand mit seinen Lieblingsleckereien: Gurken, Salatblätter, Karotten, Äpfel, Bananen und Guave.
Jonathan ist inzwischen blind und hat seinen Geruchssinn verloren. Sein Gehör sei aber hervorragend, erzählt Hollins. Jonathan verbringe überhaupt gern Zeit unter Menschen. Wenn er Besucher höre, komme er oft „angelaufen“, lasse sich streicheln und fotografieren. Auch liebe er die Geräusche des angrenzenden Tennisplatzes – oft stehe Jonathan für lange Zeit an der Umzäunung und lausche den Stimmen und dem Aufschlagen der Bälle.
Für die Bewohner von St. Helena ist Jonathan zur Ikone geworden. Eine 5-Penny-Münze trägt bereits sein Ebenbild, mit der Inschrift „Jonathan, die Riesenschildkröte“. Teil der Geburtstagsfeierlichkeiten im Dezember ist die Herausgabe einer Jonathan-Briefmarke. Für das Fest hatte die Tourismusbehörde über drei Tage Veranstaltungen geplant.
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