1950 Italien:
Zugegeben, als Titelverteidiger im klassischen Sinne konnte Italien bei der WM 1950 kaum gelten. So waren aufgrund des Zweiten Weltkriegs zwölf Jahre seit dem Triumph von Paris vergangen. Zudem saß der Schock nach dem Flugzeugabsturz des Serienmeisters FC Turin am 4. Mai 1949 tief, das Rückgrat der Nationalmannschaft war an den Hängen des Turiner Hausbergs Superga dramatisch ums Leben gekommen. Und mit der italienischen Not-Mannschaft, die nach diesem Trauma mit dem Schiff anstatt mit dem Flugzeug nach Brasilien reiste, meinte es auch der Modus nicht gut: Weil Indien vor Turnierbeginn zurückzog, bestand die Vorrundengruppe 3 lediglich aus drei Teams – und nur der Erste kam weiter. Die „Squadra Azzurra“ verlor zum Auftakt sensationell 2:3 gegen Schweden. Das 2:0 gegen Paraguay im zweiten Spiel genügte nicht mehr.
1966 Brasilien:
Pelé war mit 25 Jahren in der Blüte seiner Jahre, zudem war Brasilien als Weltmeister von 1958 und 1962 im Grunde doppelter Titelverteidiger. Was sollte da schon schiefgehen? Nun ja, der Zauber früherer Turniere war dahin, die Mannschaft war auf mehreren Positionen überaltert, allen voran Dribbelkönig Garrincha. Zudem setzten die Vorrundengegner in England den Künstlern der „Seleção“ Härte entgegen. Der Auftakt gegen Außenseiter Bulgarien (2:0) glückte noch, doch Pelé verletzte sich und verpasste das 1:3 gegen Ungarn. Noch nicht wieder komplett fit, sollte der Superstar es im dritten Gruppenspiel gegen Portugal richten. Anschließend war vom „gewalttätigsten Spiel der Welt“ die Rede. Pelé stand permanent mindestens ein Portugiese auf den Füßen, Brasilien verlor 1:3 – und war raus.
2002 Frankreich:
Die erste WM in Asien wurde zum Turnier der Favoritenstürze. Prominentestes Opfer: Titelverteidiger Frankreich mit Zinédine Zidane, Thierry Henry, David Trezeguet, Marcel Desailly. Das 0:1 in Seoul gegen WM-Debütant Senegal galt noch als Ausrutscher – zumal Superstar Zidane angeschlagen fehlte. Nach dem ideenlosen Auftritt beim 0:0 gegen Uruguay machte sich dann schlagartig Panik in der „Grande Nation“ breit. Im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark musste Frankreich 2:0 gewinnen. Zidane wurde zu früh reingeworfen, Dänemark gewann 2:0. Zum bislang einzigen Mal in der WM-Geschichte schied ein Titelverteidiger ohne eigenen Torerfolg aus.
2010 Italien:
Die „Squadra Azzurra“ setzte in Südafrika im Kern auf die Weltmeister von 2006. Aber ob Cannavaro, Gattuso oder Pirlo: Die großen Helden von einst waren vier Jahre nach dem Triumph von Berlin allesamt über 30, Stammtorhüter Gigi Buffon verletzte sich zudem im ersten Spiel. In der vermeintlich einfachen Gruppe mit Paraguay, Neuseeland und der Slowakei blamierte sich der viermalige Weltmeister bis auf die Knochen, ging in keinem Spiel in Führung. Die Konsequenz: Kein Sieg, Gruppenletzter, raus.
2014 Spanien:
Mit endlosen Ballstafetten hat Spanien die Fußballwelt zwischen 2008 und 2012 nach Belieben regiert, zwei Europameisterschaften und die WM 2010 gewonnen. Das Star-Ensemble um Xavi und Iniesta allerdings erlebte in Brasilien den blanken Horror. Mit 1:5 wurde der Titelverteidiger in seinem Auftaktspiel von den Niederlanden auseinandergenommen. Robin van Persie traf mit einem Traumkopfball von der Strafraumgrenze – und die Welt konnte anschließend beobachten, wie eine Dynastie zerfiel. Torwartlegende Iker Casillas verschuldete allein drei Gegentore. Nach dem 0:2 gegen Chile im zweiten Spiel war Spaniens Aus schon besiegelt.
2018 Deutschland:
Wie sich die Mechanismen doch gleichen! Auch Deutschland wollte den Titel von Brasilien mit vielen alten Helden und einem dominanten Ballbesitzfußball erfolgreich verteidigen. Das Auftreten in Russland war dann aber behäbig, selbstherrlich, Trainer Joachim Löw sprach im Nachgang von Arroganz – auch auf seine eigene Taktik bezogen. Das 0:1 gegen Mexiko wurde durch den spät erzwungenen 2:1-Erfolg gegen Schweden noch kompensiert. Gegen Südkorea hätte ein Sieg zum sicheren Weiterkommen gereicht. Deutschland rannte an, geriet in Rückstand, rannte noch mehr an, kassierte das 0:2. Und auch der vierte Titelverteidiger binnen fünf WM-Endrunden war in der Vorrunde ausgeschieden. (SID)
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