Mittwoch31. Dezember 2025

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Nach Lula-SiegErst legt Bolsonaro Brasilien mit Schweigen  still, dann aber will er die Verfassung „respektieren“ 

Nach Lula-Sieg / Erst legt Bolsonaro Brasilien mit Schweigen  still, dann aber will er die Verfassung „respektieren“ 
Jair Bolsonaro äußerte sich nach seiner Wahlniederlage am Dienstagabend erstmals öffentlich Foto: dpa/Eraldo Peres

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Nach seiner Wahlniederlage ist Brasiliens rechter Präsident einfach abgetaucht. Noch einmal missachtete er die demokratischen Institutionen – und hielt bis Dienstagabend das ganze Land in Atem.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro will nach seiner Niederlage in der Präsidentschaftswahl die Verfassung „respektieren“. Dies kündigte Bolsonaro am Dienstag bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Stichwahl am Sonntag vor Journalisten in der Hauptstadt Brasília an, ohne seine Niederlage explizit einzugestehen. Sein Stabschef Ciro Nogueira sagte im Anschluss, der Präsident habe die Amtsübergabe an Wahlsieger Luiz Inácio Lula da Silva „autorisiert“. Bolsonaro forderte die Demonstranten am Dienstag zum Verzicht auf Gewalt auf. Die Proteste müssten „friedlich“ sein, mahnte er.

Nach der Niederlage des rechten Bolsonaro bei der Stichwahl am Sonntag blockierten seine Unterstützer Fernstraßen in dem riesigen Land. Sowohl rund um die Millionenmetropolen Rio de Janeiro und São Paulo als auch in der tiefsten Provinz steckten sie Reifen in Brand, errichteten Barrikaden und stoppten den Verkehr. Sie wollten nicht hinnehmen, dass Bolsonaro die Wahl gegen seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva knapp verloren hat. Lula kam auf 50,90 Prozent, Bolsonaro auf 49,10 Prozent – es ist der wohl knappste Wahlausgang in Brasilien seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie Ende der 1980er Jahre.

„Es ist die Position des Präsidenten, die den Verlauf der Proteste bestimmen wird. Wir warten darauf, dass er spricht. Entweder zieht Bolsonaro in den Krieg, oder er wird von der politischen Bühne verschwinden, denn dann ist er nicht der Führer, für den wir ihn gehalten haben“, sagte der Fernfahrer Janderson Maçanero im Fernsehsender Globo Stunden vor Bolsonaros Auftritt.

Sorge vor Gewalt

Seit der Wahlnacht hatte der amtierende Staatschef geschwiegen. Wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte auch Bolsonaro vor der Abstimmung immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. Sollte er nun das Resultat anzweifeln, lautete die Befürchtung seit Sonntag, könnten sich seine zum Teil bewaffneten Anhänger möglicherweise zu gewalttätigen Protesten ermutigt fühlen.

Über 220 Straßenblockaden von Bolsonaro-Anhängern registrierten die Behörden am Dienstag. Die Fernstraßen sind für die Versorgung des Landes essenziell, der Großteil der Güter wird in Brasilien mit Lkw transportiert. Der Präsident des Obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, wies die Polizei schließlich an, die Straßensperren abzuräumen. Teilweise ging die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. „Die Wahlen sind vorbei, wir leben in einem demokratischen Land. Keine Demonstration wird die brasilianische Demokratie zum Rückzug zwingen“, sagte der Gouverneur von São Paulo, Rodrigo Garcia, bevor er die Militärpolizei in den Einsatz schickte.

Die Proteste zeigen, wie polarisiert das größte Land Lateinamerikas ist. Das Land ist praktisch in zwei Lager gespalten. Nach seinem Wahlsieg schlug Lula sogleich versöhnliche Töne an. „Es ist an der Zeit, die Familien wieder zusammenzuführen und die Bande der Freundschaft wiederherzustellen“, sagte er. „Niemand ist daran interessiert, in einem geteilten Land zu leben, in einem permanenten Kriegszustand.“

„Ich bin hier, um dieses Land in einer sehr schwierigen Situation zu regieren. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit Hilfe des Volkes einen Ausweg finden werden, damit dieses Land wieder demokratisch und harmonisch leben kann“, sagte Lula bei seiner Siegesrede. „Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk. Es ist an der Zeit, die Waffen niederzulegen.“

Enorme Erwartungen

Viele seiner Anhänger verbinden Lula mit den goldenen Zeiten Brasiliens. Während seiner Amtszeit von 2003 bis 2010 modernisierte der „Präsident der Armen“ die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas und verbesserte die Lebensbedingungen von Millionen armer Brasilianer. Allerdings blühte während seiner Regierungszeit auch die Vetternwirtschaft. Lula selbst saß eineinhalb Jahre wegen Korruption und Geldwäsche im Gefängnis – das Urteil wurde später aus formalen Gründen aufgehoben.

Jetzt startet der 77-Jährige noch einmal durch und tritt Anfang kommenden Jahres als erster demokratisch gewählter Präsident Brasiliens eine dritte Amtszeit an. Die Erwartungen an den Staatschef sind enorm. Bolsonaro hat das Land mit seiner Verweigerungshaltung beim Umweltschutz, seiner eigenwilligen Corona-Politik und seinen vulgären Ausfällen auf der Weltbühne isoliert. Der erfahrene Diplomat Lula könnte Brasilien auf dem internationalen Parkett nun rehabilitieren. „Brasilien ist zurück. Das Land ist zu groß, um zum Paria der Welt herabgestuft zu sein“, sagt Lula.