Freudig fiebern auch Serbiens wiedererstarkte Nationalkicker ihrem ersten WM-Auftritt gegen Brasilien am 24. November im Lusail-Stadion sehnsüchtig entgegen. Er könne die WM „kaum erwarten“, gesteht Mittelfeldmotor Nemanja Maksimovic (27/Getafe): „Es ist der Traum eines jeden Jungen, einmal bei der WM zu spielen. Und dann noch gegen Brasilien – besser geht es nicht.“
Serbien werde auch in Katar „auf Angriff“ spielen, gelobt Goalgetter Aleksandar Mitrovic (28/Fulham), mit 50 Toren in 75 Länderspielen der Rekordtorschütze seines Landes: „Wir verstehen uns ausgezeichnet, wenn wir zusammen auf dem Platz stehen. Jeder hilft jedem. Und wir hoffen, dass wir eine ausgezeichnete WM spielen werden.“
Tatsächlich haben die in der Vergangenheit oft sehr wankelmütigen „Adler“ unter ihrem seit 2021 amtierenden Erfolgscoach Dragan „Piksi“ Stojkovic so souverän wie selten zuvor die Qualifikation bewältigt – und selbst das favorisierte Portugal hinter sich gelassen. Nur drei von 20 Spielen gingen in der Ägide von „Piksi“ verloren: Auch der Aufstieg in die A-Gruppe der Nations League zeugt von dem gewaltigen Leistungssprung, den das ebenso kampf- wie spielstarke Ensemble um Ideengeber Dusan Tadic (33/Ajax) unter Stojkovic gemacht hat.
Offensive als Prunkstück
Prunkstück der „Adler“ ist die Offensive. Serbiens Kopfballungeheuer Mitrovic pflegen Kapitän Tadic und Filip Kostic (29/Juventus) mit Flanken zu füttern. Der derzeit verletzte Dusan Vlahovic (22/Juventus) oder der noch immer ein wenig nach seiner früheren Form suchende Luka Jovic (24/Florenz) sind weitere torgefährliche Optionen im Angriff. Taktgeber im Mittelfeld ist Sergej Milinkovic-Savic (27/Lazio). In der Defensive um den Abwehrrecken Milos Veljkovic (27/Werder) sind die Adler mit weit weniger prominenten Namen bestückt.
„Wir wollen einen guten, ausbalancierten, schnellen und offensiven Fußball spielen“, setzt sich Nationalcoach Stojkovic das Erreichen des Achtelfinales zum Ziel: „Wir reisen keineswegs als Touristen nach Katar.“
Zumindest die serbischen Medien schwelgen bereits seit Wochen im begeisterten WM-Fieber: Kritische Berichte über Katar sind in dem sportbegeisterten Balkanstaat hingegen kaum zu sehen oder zu lesen. Doch während sich bei der mittlerweile täglichen WM-Fußballbildchenbörse am Hotel Moskau immer größere Massen drängen und sich die Schlagzahl der WM-Reklamespots kräftig erhöht hat, stößt der Höhenflug der Adler bisher nur auf ein erstaunliches distanziertes Publikumsecho.
Ob bei der erfolgreichen WM-Qualifikation oder der siegreichen National League: Im eigenen Land spielten die nationalen Hoffnungsträger meist vor halbleeren Rängen. Wenn er die Bilder von Länderspielen in Glasgow, Budapest, Osijek oder Budapest sehe, fühle er sich „ein wenig leer“, gestand Coach Stojkovic nach den wieder einmal nur von wenigen Tausend Fans verfolgten Nations League-Heimspielen im Juni. „Wann immer wir spielen, sind die Tribünen nicht voll“, klagte Torjäger Mitrovic.
Distanziertes Verhältnis zum Verband
Tatsächlich steht der schwache Publikumzuspruch im merkwürdigen Kontrast zum ansehnlichen Spiel der „Adler“: Bei Europacup-Heimspielen von Roter Stern oder Partizan herrscht in den Belgrader Stadien meist ein wesentlich größerer Andrang. Mit der regelmäßig enttäuschten WM- und EM-Hoffnungen in der Vergangenheit ist das maue Fan-Interesse nur zum Teil zu erklären.
Einerseits pflegen die Partizan- und Roter-Stern-Fans traditionell ein distanziertes Verhältnis zum Fußballverband FSS. Andererseits stehen die Delija-Ultras von Roter Stern ihrer einstigen Vereinslegende Stojkovic mit offener Ablehnung gegenüber. Sie werfen dem einstigen Mittelfeld-As vor, als Vereinspräsident zwischen 2005 und 2007 den Club mit Schulden überhäuft zu haben – ein Vorwurf, den der 57-Jährige stets bestritten hat: Während seiner Amtszeit habe sich die schon zuvor sehr hohe Schuldenlast tatsächlich halbiert.
Doch sollte seinen Schützlingen eine Überraschung gegen Brasilien oder gar der ersehnte Einzug in die zweite Runde gelingen, dürften auch bisher eher kühle Fans den „Adlern“ einen begeisterten Empfang bereiten. Als „kleines Land mit zahlreichen Infrastrukturproblemen“ sei es „nicht immer leicht“, auf einem Niveau mit den stärksten Teams Europas zu spielen und den manchmal „unrealistischen Erwartungen“ gerecht zu werden, sagt Stojkovic. Er bezeichnet daher bereits die WM-Qualifikation „als enormen Erfolg“: „Unser Sieg gegen Portugal hat den Leuten große Freude gebracht. Und wir werden auch in Katar alles geben. Denn unser Volk hat solche Momente des Glücks verdient.“
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