Im Iran sind die Proteste trotz einer massiven Drohung der Revolutionsgarden in vielen Städten in eine neue Runde gegangen. Dabei setzen die Sicherheitskräfte am Wochenende nach Berichten von Augenzeugen wieder Gewalt ein. In Luxemburg und anderen europäischen Ländern gingen wieder viele Menschen aus Solidarität mit den Demonstranten im Iran auf die Straße. Die Proteste gegen die autoritäre Führung des islamischen Landes dauern inzwischen schon mehr als sechs Wochen.
Am Samstag hatte der Kommandeur der einflussreichen Revolutionsgarden (IRGC), Hussein Salami, in einer Rede ein Ende der Demonstrationen verlangt. „Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren“, warnte der General nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. „Heute ist der letzte Tag der Unruhen. Kommt nicht mehr auf die Straßen.“
Trotzdem setzten Studierende in der Hauptstadt Teheran, der Pilgerstadt Maschhad im Nordosten sowie anderen Landesteilen ihre Protestaktionen fort. Sicherheitskräfte gingen auf einem Campus in Maschhad gewaltsam gegen Hunderte Studenten vor, wie Augenzeugen berichteten. In Teheran soll die Polizei Berichten zufolge Tränengas eingesetzt haben. Auch in vielen weiteren Städten gab es Proteste gegen den Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem.
Auslöser der Demonstrationen war Mitte September der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die junge Frau starb dann in Polizeigewahrsam. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden seither im Iran mindestens 250 Menschen getötet und mehr als 10.000 verhaftet.
Letzte Warnung?
Zu Beginn der siebten Protestwoche verschärfte Teheran nochmals den Ton. Beobachter werteten die Rede des IRGC-Kommandeurs Salami als letzte Mahnung, die Proteste zu beenden. Befürchtet wird, dass demnächst auch das Militär und die Revolutionsgarden gegen Demonstranten eingesetzt werden. In Luxemburg demonstrierten am Samstag mehrere hundert Menschen in einem Protestzug vom Glacis auf die place de l’Europe in Kirchberg. Auch in anderen europäischen Städten fanden am Wochenende wieder Solidaritätsmärsche für die Protestierenden im Iran statt.
Das Internet ist im Iran unterdessen weiterhin eingeschränkt. Viele soziale Netzwerke sind gesperrt, um Absprachen zwischen Demonstranten zu erschweren. Die Führung in Teheran macht „Feinde“ des Landes – allen voran die USA und Israel – für die Unruhen verantwortlich. Die Forderung der Bürger nach mehr Freiheit wurde bislang als ausländische Verschwörung bezeichnet – und ignoriert.
Doch auch kritische Stimmen im Land äußern Zweifel an dieser Darstellung. Die iranische Tageszeitung Shargh etwa wies Spionagevorwürfe gegen ihre inhaftierte Reporterin Nilufar Hamedi zurück. Bei der Berichterstattung nach dem Tod von Mahsa Amini sei die Journalistin lediglich ihrem Beruf nachgegangen, betonte Chefredakteur Mehdi Rahmanian.
Ein Geheimdienstbericht vom Freitag hatte Hamedi und ihre Kollegin Elaheh Mohammadi beschuldigt, von einer amerikanischen „Staatsmafia“ und der CIA ausgebildet worden zu sein und mit diesen zusammengearbeitet zu haben. Ihre Reportagen seien vom Ausland genutzt worden, um die Unruhen zu entfachen. Hamedi hatte den Fall Aminis im Iran publik gemacht. Sie sitzt nun im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der Hauptstadt Teheran. (dpa)
Zu Demaart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können