Luxemburg belegte laut Reporter ohne Grenzen im Jahr 2022 den 21. Platz im weltweiten Ranking der Pressefreiheit und verlor damit ganze sechs Plätze im Vergleich zu 2016. „Problematisch sind die zögerliche Herausgabe von Informationen durch Gerichte und Ministerien“, so eine der Anmerkungen von Reporter ohne Grenzen.
Tatsächlich konnten und können Journalisten hierzulande weitgehend frei recherchieren, informieren und ihrer Arbeit nachgehen. Doch selbstverständlich ist das Recht auf Pressefreiheit nicht, wie polizeiliche Hausdurchsuchungen in Redaktionsräumen bewiesen haben. Darüber hinaus wird die journalistische Arbeit zunehmend subtiler erschwert, so z.B. mit Einschüchterungsversuchen, regelrechten Drohungen, Veröffentlichung von Privatadressen von Journalisten usw. Dazu kommt, dass der Zugang für Journalisten zu wichtigen Informationen immer mehr einem nicht enden wollenden Hindernislauf gleicht.
Immer wieder auf ein Gesetz vertröstet
In den Jahren 2003 und 2004 fanden Verhandlungen zum Pressegesetz statt. Journalisten und Verleger wurden damals in Sachen Auskunftsrecht für Journalisten auf ein Gesetz zum Informationszugang für Bürger vertröstet, das Sonderregeln für Journalisten beinhalten sollte. In dem im Mai 2004 verabschiedeten Pressegesetz waren diese dann trotzdem nicht vorgesehen. Die damalige CSV/LSAP-Regierung versprach im selben Zug, bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Zugang für Bürger und Journalisten zu öffentlichen Informationen regeln sollte.
Da jahrelang nichts in dieser Sache passierte, wiederholte der Präsident des Presserates 2008 die Forderung der Verleger und Journalistenverbände nach einem verbrieften Auskunftsrecht für Journalisten. Im Juli 2008 erhielt der Presserat Einsicht in den Vorentwurf vom damaligen Staatsminister Jean-Claude Juncker (CSV) zu einem Informationszugang für Bürger zu Verwaltungsinformationen. Dieser Entwurf enthielt eine Vielzahl von Ausnahmen. Einmal mehr gab es aber keine einzige Silbe über die bereits 2003 versprochene Sonderregelung für Journalisten.
Zwölf Monate später, wir schreiben das Jahr 2009, versprachen Staatsminister Jean-Claude Juncker und Medienminister Jean-Louis Schiltz (CSV), den Informationszugang für Bürger voranzutreiben, ebenso wie die Reform des Pressegesetzes. Noch im selben Jahr wurde der Entwurf einer solchen Reform vorgestellt. Ein Auskunftsrecht für Journalisten wurde von Regierung und Parlament abermals ignoriert.
Ein verbrieftes Recht, außer in Luxemburg
Während in der Folgezeit sämtliche Abgeordnete und Regierungsmitglieder von Pressevertretern darauf aufmerksam gemacht wurden, dass ein Informationszugangsrecht für Journalisten kein „nice-to-have“, sondern ein in fast allen EU-Staaten verbrieftes Recht sei (außer in Luxemburg und in Malta), schoss Außenminister Jean Asselborn (LSAP) in die andere Richtung, indem er ein Rundschreiben für sein Ministerium erließ, wonach Informationen zum Auswärtigen Dienst und zur Außenpolitik nur mit voriger, ausdrücklicher Genehmigung des Ministers an Journalisten weitergegeben werden dürfen. Ein Bruch werde als Verletzung des Dienstgeheimnisses für Beamte geahndet.
Im Jahre 2013 hinterlegte Staatsminister Jean-Claude Juncker den Entwurf für einen Informationszugang für Bürger im Parlament, allerdings mit einer Vielzahl von Ausnahmen und Einschränkungen, die dem Vorentwurf von 2008 glichen. Es regnete gleich massive Kritik sowohl vonseiten der Presse als auch von in Luxemburg ansässigen Vereinigungen. Das Gutachten zum Gesetzentwurf fiel vernichtend aus: „Es wirkt fast so, als ob sich der Staat ein Rahmengesetz geben will, welches jede Informationsverweigerung legitimiert.“
Weitere Hürden auf dem Weg zu Informationen
Ganze zwei Jahre später deponierte Staats- und Medienminister Xavier Bettel (DP) einen Gesetzentwurf zum Informationszugang für Bürger. Kernpunkte dieses „Transparenzgesetzes“: weitgehende automatische Veröffentlichung von Verwaltungsinformationen von ausnahmslos allen öffentlichen Einrichtungen, auch Staatsrat, Rechnungshof, Abgeordnetenkammer usw. Die Veröffentlichungspflicht gilt nicht rückwirkend, keine sicherheitsrelevanten und vertraulichen Informationen; auch Akten, die Gerichtsverfahren betreffen, beziehungsweise Kontroll-, Regulierungs-, Prüfungsaufgaben der Verwaltungen bleiben unter Verschluss. Herausgabefrist binnen eines Monats, bei Bedarf auch zwei. Keine Antwort heißt Nein zur Anfrage. Punkt!
Im Januar 2016 ließ Xavier Bettel ein Rundschreiben verschicken. Diese „Circulaire Bettel“ bewirkte aber genau das Gegenteil von dem, was sie versprach: Zwar hob sie die „Circulaire Santer“ auf, die den Beamten regelrecht einen Maulkorb verpasste, doch degradierte sie die Journalisten zu reinen Vermittlern der Regierungskommunikation. Wenn ein Journalist an eine Information gelangen möchte, so die Direktive, muss der Dienstherr der jeweiligen Behörde oder des Ministeriums erst dem Kommunikationsbeauftragten grünes Licht geben, bevor dieser auf die Fragen des Journalisten eingehen darf.
Infantilisierung des Berufs
„Es scheint auf Regierungsebene also auch nicht viel Vertrauen in die Pressesprecher zu geben“, so Journalist Luc Caregari im Forum Nr. 364. „Außerdem sprechen die Aussagen vom Kabinettschef des Staats- und Medienministeriums, Paul Konsbrück, in der vergangenen Forum-Ausgabe Bände und könnten falscher nicht sein: Dort behauptet er in einem Interview, Beamte übernähmen die Recherchearbeit von Journalisten. Dabei trifft genau das Gegenteil zu: Hätten die „faulen“ Journalisten einen geregelten Informationszugang, könnten sie selbst ihre Daten recherchieren und müssten nicht darauf warten, bis ein Pressesprecher die geeigneten Informationen zusammengesucht und mit seinem Vorgesetzten abgesprochen hat. Hier wird eine Infantilisierung des Berufs quasi institutionalisiert.“
Zurück zu Bettels Rede zur Lage der Nation vom vergangenen Dienstag: „Mir hunn dofir zesumme mam Presserot d’Circulaire iwwerschafft, déi den zoustännege Beamten nei a méi kloer Uweisunge fir d’Zesummenaarbecht mat der Press gëtt. De Staat muss bannent 24 Stonnen op d’Demande vun engem Journalist äntweren, wa méiglech mat der gefroten Informatioun, mindestens awer mat enger Indikatioun, bis wéini d’Informatioun disponibel ass, respektiv aus wat fir enge Grënn d’Informatioun eventuell net ka verëffentlecht ginn.“
Forderung endlich ernst nehmen
In sechs Monaten sollen diese „Circulaire Bettel 2.0“ und das Transparenzgesetz einer Bilanz unterzogen werden. Dabei sollen auch Mitglieder des Presserates am Tisch sitzen. Hätte man anfangs annehmen können, dass Bettels Rundschreiben ein Schritt in die richtige Richtung ist, so stellt es sich aber bereits jetzt in der Praxis heraus, dass es längst kein gesetzlich verankertes Informationszugangsrecht beziehungsweise Auskunftsrecht ersetzen kann. Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft.
Was befürchtet die Politik, dass sie sowohl der Presse und damit der breiten Öffentlichkeit ein wirksames Informationsrecht verweigert, das im Ausland gang und gäbe ist? Ist nicht gerade in Zeiten der „Fake News“ und der Notwendigkeit eines sachlichen Austauschs dieses Recht wichtiger denn je? Ein Berufsstand, dessen Aufgabe es ist, Informationen aufzubereiten und kritisch zu überprüfen sowie dabei die Aktualität zu berücksichtigen, muss auf ein Informationszugangsrecht zurückgreifen können.
Halten wir es zum Schluss mit den Worten von Xavier Bettel vom vergangenen Dienstag: „Och d’Press ass e wichtegen Alliéierten am Kampf géint d’Desinformatioun a fir d’Stäerke vun eiser Demokratie.“ Ein Grund mehr, die Forderung des Presserates und des Journalistenverbandes nach einem Auskunftsrecht endlich ernst zu nehmen und das Pressegesetz im Sinne der Meinungsfreiheit und der Wahrung der Demokratie anzupassen.
* Roger Infalt ist Präsident des Luxemburger Presserats und der Luxemburger Journalistenvereinigung ALJP. Er schreibt als Korrespondent unter anderem für das Tageblatt.
Da ist Trump anderer Meinung. Man sollte darauf achten,dass die Pressefreiheit bestehen bleibt und Zeitungen nicht zu Parteiorganen verkommen und als solche missbraucht werden. Die Halunken der Geschichte wussten bereits was die Öffentliche Meinung wert ist und,wie einfach diese zu beeinflussen ist. Nämlich über die Medien.Heute mehr denn je,kommt noch das Medium www (Smartphone)hinzu.Fluch und Segen des 20. Der Schmarrn der über dieses Medium fliesst richtet großen Schaden an,zumal wenn das Phone smarter ist als sein "User".
1933 lieferte das päpstliche "Luxemburger Wort" Luxemburg dem Nationalsozialismus aus. Diese Last der luxemburgischen Geschichte erzeugt eine stabile Mentalität.
MfG
Robert Hottua
Es gibt in Luxemburg fast keinen unabhängigen Journalismus. Regierungskritische Artikel sind eher selten.
Das ist ein echter Skandal und eine Schande für Luxemburg! Ich hoffe dass sehr viele Bürger diesen Artikel hier lesen werden. Ein weiterer Meilenstein in der Liste der Versäumnisse dieser und der vorherigen Regierungen. Politische Transparenz sollte im Grundrecht verankert sein.