Fast könnte man sagen: Er läuft wieder zur alten Form auf – warum Premier Bettel den Nerv der Energiekrise trifft.
„Ech trauen iech an ech trauen de Lëtzebuerger dobaussen.“ Was harmlos klingt, war das Ende einer sportlichen Chamber-Debatte: Xavier Bettels fast schon legendäres Brécke bauen feierte gestern sein Comeback. Doch warum eigentlich? Nach Monaten des schwelenden Sozialkonflikts kann die Regierung aufatmen – vorerst. So wurden Bettel und die Abgeordneten nicht müde, an die kollektive Solidarität zu appellieren. Während die Forderung nach individueller Verantwortung Corona-Luxemburg spaltete, hat sie heute eine andere Konsequenz: Wer nicht mitmacht, sitzt im Zweifelsfall im Kalten, Dunkeln – eine Botschaft, die Bürger und Sozialpartner zugleich verstehen.
Die politische Stoßrichtung des neuen Tripartite-Abkommens lautet demnach: „Winter is coming“, der Spielraum für partei- und interessenpolitische Mätzchen ist begrenzt. Umso begrüßenswerter, dass die Chamber am Mittwoch eine gesunde Streitkultur vorgelebt hat. Durch die Reihen hinweg wird das jüngste Tripartite-Abkommen begrüßt, wegen Detailfragen oder mangelnder Vorbereitungszeit aber kritisiert. Eine der Herausforderungen für den Premier und die Fraktionen: Auf den Sozialdialog zu pochen, gleichzeitig aber handlungsfähig zu bleiben. Dass die Entscheidung über das Tripartite-Abkommen schnell fiel, war u.a. wegen der zähneknirschenden Zustimmung des Patronats möglich.
Was ist aber von dem Abkommen an sich zu halten? Die Diskussionslinien sind die gleichen und lassen sich wie folgt zusammenfassen:
– Ja oder Nein zu einer Steuerreform als alternatives Kriseninstrument?
– Ist das Abkommen sozial selektiv genug oder nicht?
– Wird sich am Ende alles dem Geiste der Verhandlungen entsprechend in den Gesetzestexten wiederfinden?
– Sind die Szenarien des Statec dieses Mal zuverlässiger als Anfang des Jahres?
– Trotz des „historisch“ hohen Kostenpunkts: Wird das Maßnahmenpaket langfristig ausreichen?
– Wie viel finanzpolitischen Spielraum haben Regierung und Staat konkret?
– Werden die Ärmsten unserer Gesellschaft und die kleinen sowie mittelständischen Betriebe die Krise bewältigen?
Mit Blick auf diese Fragen weichen die Politiker nicht von ihren Standpunkten ab: Für die einen ist der Solidaritéitspak 2.0 ambitioniert, sozial selektiv, fast schon zu teuer, für die anderen nicht nachhaltig genug, die übliche Krisenpolitik mit der „Géisskan“, ja, ein Beruhigungsbonbon über das Superwahljahr 2023 hinaus. Dass unser Lëtzebuerger Modell aber lebt, zeigte sich gestern nicht zuletzt daran, dass die äußersten Spektren unserer politischen Kultur konsensfähig wirkten: Sowohl Fernand Kartheiser als auch Myriam Cecchetti lobten das verbesserte Zusammenspiel zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern.
So ehrlich sollte man dann aber auch bleiben: Dass der ADR-Abgeordnete die Sanktionspolitik gegen Russland erneut als ineffizient bezeichnet hat, ist zwar nichts Neues – aber eine gute Erinnerung daran, wem man lieber nicht trauen sollte.
Ech trauen der Gambia net