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„Situation wird immer prekärer“In Luxemburg kommen mehr Kinder in Einrichtungen als in Pflegefamilien

„Situation wird immer prekärer“ / In Luxemburg kommen mehr Kinder in Einrichtungen als in Pflegefamilien
Wenn in der ursprünglichen Familie der Halt verloren geht, können Pflegefamilien neuen geben Foto: Pixabay

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2021 waren deutlich mehr Kinder in Heimen und ähnlichen Einrichtungen untergebracht als in Pflegefamilien. Das geht aus einer aktuellen parlamentarischen Anfrage hervor. Die Regierung weist auf die Kapazitäten hin, ein Experte warnt aber vor einer Verschärfung der Situation.

In der Geborgenheit einer liebevollen Familie aufzuwachsen, ist ein Glück, das nicht jedem Kind gewährt ist:  Wenn die sozialen oder familiären Verhältnisse kein angemessenes Umfeld mehr bieten können, müssen Hilfsmaßnahmen ergriffen werden. Dies kann dazu führen, dass das Kind das gewohnte Umfeld verlassen muss.

Die Abgeordnete Simone Asselborn-Bintz (LSAP) widmete sich diesem Thema in der parlamentarischen Frage 6524 an das Bildungsministerium. Sie wollte unter anderem wissen, ob mehr Kinder in Pflegefamilien untergebracht werden als in Einrichtungen wie Heimen und psychosozialen Zentren. 

Im Oktober 2021 lebten insgesamt 1.299 Kinder und Jugendliche in Luxemburg außerhalb ihres ursprünglichen Zuhauses. Diese Zahlen gibt Bildungsminister Claude Meisch (DP) in seiner Antwort an. 772 der Betroffenen lebten in einer Einrichtung und 527 in einer „famille d’accueil“. 

„Langzeitunterbringungen“

Rund die Hälfte der Kinder und Jugendlichen, die in einer Pflegefamilie leben, bleiben in Kontakt mit den biologischen Eltern, erklärt Meisch in der parlamentarischen Antwort. Wie lange ein Kind in einer Pflegefamilie oder in einem Heim bleibt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Allerdings kämen „Langzeitunterbringungen“ deutlich häufiger vor, wenn „die leiblichen Familien Zeit brauchen, um an ihren elterlichen Fähigkeiten und Ressourcen zu arbeiten und ihre Situation zu stabilisieren“.

„Es ist so, dass in Luxemburg mehr institutionelle Plätze als Plätze in Pflegefamilien verfügbar sind“, erklärt eine Sprecherin des Bildungsministeriums gegenüber dem Tageblatt. Es gebe aber gezielte Anstrengungen, um dies zu ändern. Ein Gesetzesprojekt, das momentan unterwegs ist, sehe eine Reihe von Maßnahmen vor, um den Status der Pflegefamilie zu präzisieren und letztlich auch als Beruf („Indépendant“) zu definieren. Weitere Kampagnen seien geplant.

Zu wenige Pflegefamilien hierzulande

Dick Okkerman von der FleegeElteren Lëtzebuerg Asbl. beobachtet allerdings einen aus seiner Sicht bedenklichen Trend: „Was wir feststellen konnten, ist, dass es mittlerweile eine Kultur gibt, die die Kinder eher Richtung Heime als zu Pflegefamilien orientiert.“

Es gebe keinerlei politischen Antrieb, Pflegefamilien zu unterstützen. Im Gegenteil: Es werde immer schwieriger, sich als Pflegefamilie anzubieten, berichtet Okkerman. Hintergrund sei ein neues Jugendschutzgesetz. Es mache einen großen Schritt in Richtung Schutz Minderjähriger, allerdings würden die Anforderungen an Pflegefamilien stark erhöht werden, warnt der Verein.

Im neuen Gesetz soll nämlich das Sorgerecht zwischen der Pflegefamilie und der Herkunftsfamilie aufgeteilt werden. Dies sei schwer für die Pflegefamilien, da sie sich rechtlich in einer schwächeren Position gegenüber der Herkunftsfamilie befänden. „Für Pflegefamilien stellt dies ein riesiges Problem dar, denn die Attraktivität der Pflegefamilie nimmt ohnehin seit langer Zeit ab. Dabei ist die Anzahl der Pflegefamilien bereits weit unter dem, was wir benötigen“, sagt Okkerman. Das verunsichere potenzielle Kandidaten.

Die Pflegefamilie habe unterdessen einen großen Vorteil gegenüber Einrichtungen wie Kinderheimen. „Die Bindungstheorie sagt ganz klar: Jedes Kind braucht ein stabiles Umfeld und eine Bindungsperson“, sagt Okkerman. In der Pflegefamilie sei dies gegeben, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. In den Heimen wechsele diese Bindungsperson ständig. Dabei sei dies keine Kritik an die Heime oder ein Angriff auf ihre Arbeitsweise, betont Okkerman, aber es gebe nun mal einen fundamentalen Unterschied zwischen Einrichtungen: „In einer Pflegefamilie leben wir mit Kindern, in einem Heim arbeiten wir mit Kindern.“

Wer ein Pflegekind aufnehmen möchte, muss bestimmte Bedingungen erfüllen. Grundsätzlich kann sich jede volljährige Person, die in Luxemburg ansässig ist, über ein stabiles Einkommen verfügt und die „Ehrenhaftigkeitsbedingungen“ erfüllt, hierfür anbieten. Außerdem müssen Interessierte unter anderem an einer 54-stündigen Basisschulung teilnehmen. Die Situation der Kinder wird regelmäßig von einer der Stellen zur Beratung und Unterstützung von Pflegefamilien kontrolliert. „Eine Pflegefamilie muss eine große soziale Ader besitzen, Engagement zeigen und flexibel sein“, sagt Okkerman. Wer mit dem Gedanken spielt, sich als Pflegefamilie anzubieten, findet hier weitere Informationen