Wer die erste Ausgabe der „Private Art Kirchberg“ 2006 hautnah erlebte, weiß, wie groß die Begeisterung damals war. Banken und Institutionen öffneten ihre sonst gut geschützten Häuser, um einem breiten Publikum ihre Kunstsammlungen zu zeigen. Die Motivation war klar: Man wollte zeigen, dass Kunst sammeln kein Selbstzweck ist, sondern Ausdruck der Verbundenheit mit dem Standort sein kann und diesen so auch aufwerten tut. Außerdem „bringt sie Mitarbeitern Kunst näher, fördert die Unternehmenskultur und die Kreativität und unterstützt gleichzeitig die Kunstschaffenden“, heißt es seitens der Organisatoren. Die Clearstream/Gruppe Deutsche Börse verfügt über eine bedeutende Sammlung internationaler Fotografie und war damals Initiator der Operation „Private Art“. Heute zeigt das Unternehmen mit „Female Perspectives“ eine nennenswerte Auswahl an Werken von Künstlerinnen. Ein Abstecher lohnt sich auf jeden Fall.
Spannende Sammlungen nun zugänglich
Hat Clearstream der Initiative die Treue gehalten, so fehlen einige Teilnehmer der ersten Ausgabe, dies wohl aus unterschiedlichen Gründen – bestimmt auch, weil Finanzinstitute sich nicht mehr so wie noch vor Jahren im Glanz der Kunstbühne darstellen wollen und mittlerweile die institutionelle, sprich museale „Konkurrenz“ größer geworden ist. Mit neun Teilnehmern bietet die Edition 2022 jedoch ein ansehnliches Programm, will man sämtliche Sammlungen besichtigen.
Bei Clearstream sind es wie gesagt Fotografien, bei Allen & Overy sind es Produktionen, die u.a. die Zusammenarbeit mit dem Mudam illustrieren, etwa ein Video von Brognon Rollin, eines von Mark Lewis oder eine HD-Doppelprojektion von Julika Rudelius, während es bei der Anwaltskanzlei Arendt selbstredend Fotografien sind, einmal aus der Haussammlung und zum zweiten in einer von der Zeitschrift Café Crème zusammengestellten Schau. Die Deutsche Bank Luxemburg S.A. ist für ihre bedeutende Kollektion und die Megaskulptur von A.R. Penck in der Eingangshalle bekannt. Zu sehen sind hier Werke aus der Sammlung sowie „We are part of culture“, eine Ausstellung, die in der Halle mehr als 30 Porträts „von früher bis heute“ im Rahmen des Projekts „100% Human“ präsentiert.
Die Europäische Investitionsbank verfügt über rund 700 zeitgenössische Werke aller Art, dazu zählen beispielsweise Arbeiten von Jannis Kounellis, Anish Kapoor, Tony Cragg, Sean Scully und Oliver Debré. Mit „Untravelling“ zeigt die EIB diesmal eine Auswahl an Ankäufen der letzten drei Jahre. Die UBS-Bank stellt ihre Sammlung weltweit aus, sie verleiht auch Werke an Museen. Am Sonntag gewährt UBS (Luxemburg) einen interessanten Einblick in ihre „Art Collection“. Last but not least gilt es den „Fonds Kirchberg“ zu erwähnen, eine Einrichtung, deren Aufgabe es ist, für eine gediegene Urbanisierung des „Plateau Kirchberg“ zu sorgen, ergo auch für Kunst im öffentlichen Raum. Der Fonds verfügt somit über zahlreiche Kunstwerke, die anderen Institutionen gehören, kann aber auch eigene Projekte realisieren und der „staatlichen Kunst-am-Bau-Initiative“ Nachdruck verleihen. Am Sonntag werden kostenlose Führungen zu Kunstwerken im öffentlichen Raum organisiert.
Kunstpromenade nach Plan
Die aktiv an der Ausgabe 2022 beteiligten Einrichtungen greifen wie gehabt auf die Unterstützung mehrerer Partner aus dem Umfeld zurück. Wer Interesse hat, kann am Sonntag einen Ausflug auf Kirchberg unternehmen. Eine auf www.artkirchberg.lu einzusehende Karte zeichnet einen bequemen Weg dieser Kunst-Promenade auf. Man sollte sich diesen Plan und den ganzen Flyer herunterladen. Die Türen der genannten Unternehmen sind von 11.00 – 18.00 Uhr geöffnet. Wer Lust auf mehr zeitgenössische Kunst hat, kann dem Mudam oder dem Musée Dräi Eechelen eine Stippvisite abstatten. Für den Besuch anderer Museen im Stadtzentrum verweisen wir bereits jetzt auf die Nacht der Museen am 8. Oktober 2022.
So begrüßenswert die Wiederaufnahme der „Private Art Kirchberg“ nach der ungewollten Coronapause auch ist, so bedauerlich scheint uns, dass man sich keine substanzielle Erweiterung des Konzeptes einfallen ließ. Es gibt andere Banken mit kohärenten Kunstsammlungen, Finanzinstitute, die auch bereits Ausstellungen organisiert haben, jetzt aber scheinbar kein Interesse mehr zeigen. Wer die Entwicklung des Kirchbergs als Standort europäischer Institutionen sowie staatlicher Einrichtungen betrachtet, weiß wohl, dass sich noch mehr sehenswerte Kunstwerke in Verwaltungsgebäuden befinden – ergo die Idee, dass Kunst „heutzutage ein wichtiger Teil unseres kulturellen Lebens“ ist, wohl stimmt. Bei diesem Projekt ist sie noch ausbaufähig. Wie heißt es doch so schön: Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt … nicht der Glaube, wie bei Goethe, sondern die Bereitschaft, diese Botschaft noch massiver umzusetzen.
Wer Kirchberg sagt, denkt auch an jederzeit zugängliche Kunst im öffentlichen Raum. Wie bereits angedeutet, ist dieses recht junge Stadtviertel nicht nur ein Terrain interessanter Architektur, sondern auch ein ideales Spielfeld für Skulpturen und neue Formen zugänglicher Kunst am Bau. Es gilt auch diese Facette der Kirchberg-Entwicklung gezielt auszubauen und über den einen Tag der „offenen Türen“ hinaus dem Publikum schmackhaft zu machen. Flyers und organisierte Führungen gibt es bereits, doch mangelt es manchmal an passender Kommunikation, um diesen Kunstwerken zu mehr „Sichtbarkeit“ zu verhelfen, sieht man von der grell in vielen Farben leuchtenden „Uhr“ an der Fassade des Fonds-Gebäudes ab.
Infos
Weitere Infos mit Plan für Besucher: www.artkirchberg.lu
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können